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Jetzt Mitglied werden!Grenzen von Ethik-Argumenten
Konflikte im Natur- und Tierschutz
Ohne Ethik geht es nicht. Sie ist auch die unverzichtbare Basis jeglicher Natur- und Tierschutzargumentation. Ethik-Argumente haben jedoch ihre Grenzen:
- Ethische Theorien sind nicht in dem Maße zwingend wie z. B. mathematische Gesetze.
- Sie können den Einzelfall oft nicht eindeutig bestimmen. Es bedarf zusätzlich der Urteilskraft des Individuums.
- Sie können Zielkonflikte nicht ‚wegzaubern’, aber ggf. Wege aufzeigen, wie diese allgemein nachvollziehbar zu bewältigen sind.
- Auch Ethiker verhalten sich bisweilen widersprüchlich.
Insbesondere bei der Besinnung auf eine Naturethik muss man sich also von der Vorstellung befreien, dass eine unangreifbare, eindeutige ethische Position bei den diversen Fragen des Naturschutzes überhaupt möglich ist. Schon gar nicht lässt sich die Konfliktlinie zwischen der populations- und lebensraumorientierten Naturschutzstrategie des NABU und den auf Individuen bezogenen Vorstellungen von Tierschutzverbänden überwinden. In Albert Schweitzers biozentrischer Grundhaltung und insbesondere in seinem Verhalten findet man etwa Ambivalenzen und Widersprüche, die Schweitzer vollauf bewusst waren. Schweitzer sah die „Ehrfurcht vor dem Leben“ als eine Moral, die sich der vielfältigen Konflikte immer tiefer bewusst wird. Am Ende bleiben für Schweitzer nur individuelle Gewissensentscheidungen. Naturethische Versuche, im Anschluss an ALDO LEPOLDS Landethik eine „ökozentrische“ Ethik zu entwickeln, in der Individuen einschließlich menschlicher Individuen eine nur nachrangige Rolle spielen, weisen bedenkliche Konsequenzen auf, die von einigen als „ökofaschistisch“ bezeichnet wurden. Die Negation der Ansprüche von Einzelwesen ist also offenbar ebenso wenig plausibel wie die Position, Leid in der Natur verringern zu wollen: Es gibt keine naturethische Position, die den Konflikt zwischen Einzelwesen und kollektiven Schutzgütern (Arten, Ökosysteme, Landschaften, Wildnis, Vielfalt, Eigenart, Schönheit usw.) in Harmonie aufheben kann. Dies zu erwarten, wäre jedoch auch unrealistisch, wie ein Blick in die zwischenmenschliche Ethik zeigt: Auch dort verbleiben bei allen vorgeschlagenen Konzepten viele moralische Dilemmata.
Unter Philosophen, Ethikern, Naturwissenschaftlern und Theologen wird seit Jahren um das richtige Naturethik-Konzept gerungen, und ihre geistigen Erzeugnisse füllen ganze Bibliotheken. Die vorhandenen Schwierigkeiten entbinden allerdings nicht davon, Eckpunkte einer naturethischen Position festzulegen. Kernpunkt einer Naturethik könnte sein, dass man sich grundsätzlich darauf einigt, von rein anthropozentrischen Sichtweisen Abstand zu nehmen und stattdessen den Eigenwert aller nicht-menschlichen Lebewesen anerkennt, im Sinne einer holistischen Ethik, die sowohl organismische Individuen, als auch überorganismische Ganzheiten wie Arten und Ökosysteme einen Eigenwert gibt.
Doch auch damit kommt der NABU nicht umhin, nach schwierigen Abwägungen (z. B. Jagd, Töten von Tieren, Flächenmanagement, Raubsäugermanagement) eigene Entscheidungen zu treffen. Diese werden sich nach dem Grundsatz richten müssen, dass nicht menschliche Nützlichkeitserwägungen, sondern erkannte Vorteile für den Natur- und Artenschutz den Ausschlag geben, aber im konkreten Fall in der Praxis immer auch Raum für unterschiedliche Auffassungen zulassen.
Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, welchem Naturethikkonzept der NABU folgt, ob der Pathozentrik (OTT 2010) oder gar dem Holismus (GORKE 2010). Als Mindestmaß dürfte der Standpunkt mehrheitsfähig sein, dass man sich grundsätzlich darauf einigt, von rein anthropozentrischen Sichtweisen Abstand zu nehmen und stattdessen den Eigenwert anderer, nicht-menschlicher Lebewesen anzuerkennen.
Spannungsfeld Natur- und Tierschutz
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ILu 27. Januar 2019