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Was ist Tierschutz?
Unter Tierschutz versteht der BROCKHAUS "alle Aktivitäten, die darauf ausgerichtet sind, Leben und Wohlbefinden von Tieren zu schützen, sie vor der Zufügung von Schmerzen, Leiden und Angst oder vor Schäden zu bewahren und ihnen, wenn sie sich in der Obhut des Menschen befinden, ein artgerechtes Leben zu ermöglichen" (http://www.brockhaus-enzyklopaedie.de). Zumeist wird der Tierschutz angelehnt an den Wirkbereich des deutschen Tierschutzgesetzes allgemein nur auf Wirbeltiere, dabei insbesondere auf Haus- und Nutztiere, bezogen und definiert sich als Schutz vor individuellem Leiden und Qualen verursacht durch den Menschen. Es erscheint aber durchaus diskussionswürdig, ob eine derartige Begrenzung sachbezogen und sinnvoll ist. Auch manche wirbellose Organismen wie Oktopoden (Tintenfische) scheinen das Kriterium der „Leidensfähigkeit“ ebenfalls zu erfüllen. Die Abgrenzung ist also auch zoologisch umstritten.
Die folgenden Aussagen sollen einen erweiterten Überblick über Grundlagen und Ziele des Tierschutzes geben und Argumente und Meinungen der sich darauf berufenden, organisierten wie nicht-organisierten Tierschutzszene aufzeigen. Die in anderen Darstellungen vollzogene Trennung von „Tierschutz“ und „Tierrecht“ wird im Folgenden begrifflich nicht angewandt. Dies empfiehlt sich schon deshalb, weil es keine klare Grenzziehung zwischen beiden Richtungen gibt. Zur besseren Verständigung sind beide im Begriff „Tierschutz“ zusammengefasst, aber wo notwendig inhaltlich differenziert dargestellt.
Die vorliegende Zusammenstellung dient vor allem dazu, Interpretationen des Tierschutzes exemplarisch anhand der geäußerten Auffassungen von Vertretern der Szene darzustellen, soweit sie für den NABU und seine eigene Positionierung notwendig erscheinen. Die Aufstellung erhebt nicht den Anspruch, alle Aspekte vollständig aufzulisten und abzubilden.
Grundlagen und Ziele
Dass Individuen mancher Tierarten leiden können, d.h. eine bewusste Empfindungsfähigkeit haben, ist in Deutschland weitgehend gesellschaftlicher und juristischer Konsens. Welchen Arten in welchem Umfang dann aber auch ein entsprechender Umgang zuteil werden muss, bleibt vielfach strittig. Bei Wirbeltieren wird dies allgemein akzeptiert, für andere, „niedere“ Organismen wie Insekten, Krebse oder Würmer aber mehrheitlich verneint. Entsprechend finden diese Tiergruppen auch bei vielen Tierschützern kaum Beachtung.
Tierschutz wird individuell und verbandlich sehr unterschiedlich interpretiert. Die Art, wie das Verhältnis von Tier und Mensch betrachtet und bewertet wird, und insbesondere, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, spannt den inhaltlichen Bogen im Tierschutz weit auf:
Die bezüglich seiner Forderungen am weitesten gehende Richtung des Tierschutzes (Tierrechts-Bewegung) gesteht den Tieren „subjektive Rechte“ zu. Diese sind in Analogie zu den Menschenrechten der „rechtliche oder moralische Anspruch, der von Individuen besessen wird und sie dadurch befugt, bestimmte Handlungen zu tun oder zu unterlassen oder diese von anderen Rechtssubjekten zu verlangen“. Tierrechtler lehnen die Nutzung von Tieren durch den Menschen daher in der Regel grundsätzlich ab. Vor allem Menschenaffen und Walen, aber auch anderen Tierarten, werden elementare Grundrechte zugestanden, die denen von Menschen nahe kommen, darunter vor allem das Recht auf Leben. Wenn nämlich ein Wesen überhaupt Rechte besitze, dann gelte das Recht auf Leben als das oberste Recht, weshalb es widersinnig wäre, andere Rechte anzuerkennen, aber das Recht auf Leben abzulehnen. Das Recht auf Leben impliziert ein Tötungsverbot mit eng begrenzten Ausnahmen (wie Notwehr). Daher wird auch die Jagd als Unterart des „Tiermordes“ generell abgelehnt. Die Ausnutzung von Tieren als Arbeitskraft etwa in der Landwirtschaft ist umstritten.
Die Grundlagen für diese Auffassung sind erstmals im Jahr 1975 in dem Klassiker von PETER SINGER, „Animal Liberation“, ausformuliert worden. Allerdings hat SINGER in seinem Buch „Praktische Ethik“ (1979) das Tötungsverbot später relativiert und nur an dem Verbot der Massentierhaltung festgehalten. Die leidfreie Tötung von Augenblicksgeschöpfen, die durch andere Exemplare ihrer Art ersetzt werden können, ist für SINGER nicht per se ein moralisches Unrecht. Das Tötungsverbot gelte nur für diejenigen Tiere, denen man den Status einer Person zusprechen sollte, also etwa Wale, Delphine und Menschenaffen.
Die Tierrechtsbewegung distanziert sich deutlich von „emotional“ motivierten Tierschützern, die nach ihrer Ansicht nur Teilaspekte des Tierschutzes wie das „Robbenschlachten“ oder das „Leid von Zirkustieren“ im Fokus haben. Ihnen wird Halbherzigkeit und Inkonsequenz vorgeworfen (Quelle u. a. Wikipedia). Vertreter des größeren Segmentes des „traditionellen“ Tierschutzes, so etwa der Deutsche Tierschutzbund DTB, folgen dem nicht und halten die Tierrechtsdebatte wegen ihrer Radikalität für einen „Bärendienst“ an der Sache. Sie verwerfen die Nutzung von Tieren, sowohl als Haus- wie als Nutztiere, nicht von vornherein und legen den Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf, zunächst eine adäquate und Tierqualen vermeidende Haltung und Tötung von Tieren durchzusetzen. Dadurch sollen allerdings – mehr langfristig orientiert – ebenfalls die Lebensbedingungen von Tieren verbessert werden. Im DTB sind wie in anderen Tierschutzorganisationen auf Grund seiner Historie sehr viele Mitglieder auch (Haus)- Tierhalter, wodurch teilweise das Spannungsfeld zur Tierrechtsbewegung begründet ist.
Tiere in menschlicher Obhut sollen nach den Vorstellungen der Tierschützer ein entsprechendes Auskommen haben: International anerkannt sind die Ziele einer traditionellen, tierschutzgerechten Haltung und Nutzung niedergelegt in den „fünf Freiheiten“ (nach FARM ANIMAL WELFARE COUNCIL FAWC), die im Sinne eines „Tierwohls / Animal Welfare“ ihren Schutzobjekten folgende moralische Anrechte zugesteht:
"Fünf Freiheiten" des Tierwohls (Farm Animal Welfare Council FAWC)
- Freiheit von Hunger und Durst
- Freiheit von Angst und Stress
- Freiheit von Schmerz, Verletzungen und Krankheiten
- Freiheit von haltungsbedingten Beschwerden
- Freiheit zum Ausleben normaler Verhaltensmuster
Den diesbezüglichen Parametern kommt eine große Bedeutung zu, da sich diese auch in rechtlichen Bestimmungen bis auf die Ebene der EU (u.a. EU-KOMMISSION: Aktionsplan Tierschutz 2006 - 2010) wiederfinden und für die praktische Umsetzung des deutschen Tierschutzgesetzes entscheidend sind. Offen und methodisch einer wissenschaftlichen Betrachtung teils schwierig zugänglich bleibt, wie einerseits Parameter der Freiheiten gemessen und andererseits gegeneinander gewichtet werden. Beispielhafte Fragestellungen sind dabei: Wie gewichte ich, dass Tiere in Freilandhaltung normale Verhaltensmuster besser ausleben können, dafür aber ggf. anfälliger für (parasitäre) Krankheiten und Verletzungen sind? Kann die hohe Leistung eines Nutztieres auch als Ausdruck seines Wohlbefindens gewertet werden? Wo beginnt die „Qualzucht“ etwa bei Puten und „Hochleistungs“kühen?
Tötungsproblematik
Eine der innerhalb der Tierschutzszene strittigen Fragen ist, unter welchen Bedingungen Tiere getötet werden dürfen. Das deutsche Tierschutzgesetz erlaubt im § 1 im Grundsatz das Töten unter der Vorgabe eines „vernünftigen Grundes“. Er liegt vor, wenn er als „triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und an seinem Wohlbefinden“ (LORZ, ALBERT, METZGER, ERNST: TIERSCHUTZGESETZ — KOMMENTAR, MÜNCHEN, 6. AUFLAGE 2008, § 1 RN. 62). Dies wird auch von den meisten Tierschutzverbänden im Grundsatz so anerkannt. Ob jedoch — und wenn ja, wann — ein solcher Grund vorliegt, ist zwischen Tierschützern umstritten und auch in der Praxis auf Grund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe bislang schwer zu fassen.
Verhältnis Tierschutz und Jagd
Ein besonders dominierender Konfliktbereich seitens der Tierschutzvertreter ist — neben der Massentierhaltung — die Jagd. Selbst in der Auseinandersetzung mit an ökologischen Kriterien orientierten Jägern, herrscht bezüglich des Tötens von Tieren wohl innerhalb der unterschiedlichen Richtungen des Tierschutzes noch weitgehend Einigkeit. Die Jagd wird von der überwiegenden Zahl der Tierschützer nahezu einhellig abgelehnt, mit über die Positionen der Naturschutzverbände deutlich hinausgehenden, die Nutzung selbst von häufigen Arten wie dem Reh ausschließenden Forderungen (Quelle). Dabei spielt bei der Ablehnung weniger die Frage der Tötungsart, sondern vor allem die grundsätzliche Tötungsabsicht die entscheidende Rolle. Erst recht abgelehnt werden Sport- und Trophäenjagd, die das Jagen besonders verwerflich erscheinen lassen, da es „nur zum Vergnügen“ oder um eines „Siegeszeichens“ willen geschehe.
Töten von Tieren
Der Deutsche Tierschutzbund DTB sowie u. a. PROVIEH beteiligen sich an der Ausarbeitung von Kriterien für die Haltung und das „tierschutzgerechte“ Schlachten von Tieren. Allgemein finden sich in den Programmen von Tierschutzverbänden jedoch keine allgemein generalisierbaren Aussagen zur Akzeptanz des Tötens von Tieren. Entsprechend unterschiedlich wird das Töten auch bei Tierschutzverbänden gehandhabt. Auf der anderen, extremen Seite der Ansichten zur Tötung von Tieren stehen nach Medienberichten Tierschützer der ANIMAL LIBERATION FRONT (ALF), die die Jagd auf Raubtiere fordern, da diese sich nicht davon abhalten („umerziehen“) lassen, andere Tiere zu töten (Quelle). Auch diese Position findet in der Tierethik prominente FürsprecherInnen. So hat die Ethikerin MARTHA NUSSBAUM dafür plädiert, generell das „Natürliche“ durch das „Gerechte“ zu ersetzen und das Leid, das durch Karnivoren verursacht wird, durch geeignete Maßnahmen zu minimieren. Diese Position wird aber absurd, wenn man sie auf alle Karnivoren, also auch Haie, Adler, Krokodile, ausdehnt. Die gezielte Unterstützung der Wiederkehr von Karnivoren wie Luchs und Wolf durch den Naturschutz wäre dann womöglich gar ethisch falsch. In jedem Fall ginge es danach bei Luchs- und Wolfsrissen nicht nur darum, etwa den Schäfern Kompensation für gerissene Schafe zu leisten, sondern auch das Leid der Schafe ins Kalkül zu ziehen. Dieses Konzept stellt aber eine anthropozentrische Anmaßung dar, insofern ethische Normen, die entwickelt wurden, um menschliche Handlungen zu leiten, kurzerhand der gesamten restlichen Natur übergestülpt werden.
spannungsfeld Naturschutz und Tierschutz
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Ohne Ethik geht es nicht. Sie ist die unverzichtbare Basis jeglicher Natur- und Tierschutzargumentation. Mehr →
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27. Januar 2019