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Erst genaue Untersuchungen bringen Licht ins Dunkel
Berichte müssen überprüft werden
Immer wieder gibt es Berichte, dass Angriffe von Rabenvögeln zu Verlusten bei Weidetieren geführt haben. Die Angaben reichen dabei von Verletzungen einzelner Jung- bzw. Muttertiere bis zu Massenverlusten in größeren Herden. Gelegentlich werden "Übergriffe" auf lammende Schafe bzw. kalbende Rinder beschrieben. Dabei geraten insbesondere Rabenkrähen und Kolkraben schnell ins Visier, denen "blutrünstige und brutale Absichten" unterstellt werden. Dies zumal, da Rabenkrähen und Kolkraben auch gemeinsam in größeren Gruppen agieren können.
Haltungsbedingungen verursachen oft Schäden
Um diesen Vorwürfen nachzugehen und Erklärungen zu finden, wurden von unterschiedlicher Seite detaillierte Untersuchungen vorgenommen. Über Umfragen, Sektionen tot aufgefundener Weidetiere, Verhaltensbeobachtungen an Rabenvögeln und genauen Überprüfungen der Haltungsbedingungen der Weidetiere vor Ort sollte Licht ins Dunkel der Behauptungen gebracht werden. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen begünstigt der Rahmen der Haltungsbedingungen zunächst mutmaßliche Schäden. Rabenvögel werden unter bestimmten Bedingungen auf größere Nutztieransammlungen aufmerksam. Dies besonders dann, wenn:
- tote Tiere, die aus anderen Gründen verendet und nicht entsorgt worden waren, herumliegen
- Tierkörper als "Ablenkfütterung" ausgelegt worden sind
- es ein auffälliges Krankheitsgeschehen in der Herde gibt
- offene Tierfütterungen mit Futter, das für Rabenvögel besonders attraktiv ist, vorgehalten wird (v.a. Maissilage oder Futterpellets)
- benachbarte Mülldeponien, Kompostierungsanlagen, unsachgemäße Kirrungen oder vergleichbare Nahrungsquellen vorhanden sind.
Verhaltensbeobachtungen
Unangemeldete Besuche förderten dabei häufig gravierende hygienische Mängel in der Tierhaltung zu Tage - ein Fall für den Amtstierarzt. Bei konkreten Nachfragen und Besichtigungen stellte sich heraus, dass teilweise Behauptungen auch schlicht erfunden waren oder deren Überprüfung verhindert wurde. Weidetierherden sind aber auch aus einer Vielzahl von natürlichen Gründen für Kolkraben und Rabenkrähen interessant. Ursächlich sind nach Beobachtungen zu nennen:
- Ein hohes natürliches Nahrungsangebot vor Ort
- aktuelles Geburtsgeschehen (Schleim, Fruchtwasser, Embryonalhüllen, Nachgeburten als Nahrung)
- sterbende sowie tote Kälber.
Die Tötung von Weidetieren durch Rabenvögel | |
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Tötungen belegt Tötungen von Lämmern konnten in mehreren Fällen auch von Biologen direkt beobachtet und belegt werden. Jedoch wären alle daraufhin untersuchten Lämmer auch ohne das Zutun der Kolkraben gestorben. Die Vorbedingung für eine Tötung ist dabei eine länger andauernde Immobilität des Mutterschafs oder kleinen Lammes. In solchen Fällen dauert eine Tötung aber sehr lange, bis zu mehreren Stunden. Kolkraben können weder ein Lamm, noch ein trächtiges Mutterschaf, in kurzer Zeit "reißen", wie es gelegentlich behauptet wird. Selbst bei frischgeborenen Lämmern, die von Mutterschafen nicht angenommen worden sind, "stürzen" sich nach Beobachtungen Raben nicht auf das Lamm und töten es. Dazu sind sie nicht in der Lage. Eine Tötung kann nur durch die Summe zahlreicher Schnabelhiebe geschehen, die dabei jedoch nicht im "Stakato- Takt", sondern mit Umschauen und Sichern der Kolkraben, Zurückspringen der Tiere und wieder vorsichtigem Annähern erfolgen. Rabenvögel testen so die Tiere zuvor auf ihren körperlichen Zustand ab. Kein schneller Tod Je länger dieser Prozess andauert, und je weniger Anstalten das betroffene Tier macht, sich selbst aus der Situation zu befreien, desto entschlossener hacken die Raben dann zu. Bei einem erwachsenen Schaf dauert dieses Verhalten jedoch über Stunden an! Eine letale Verletzung durch einen oder nur wenige Schnabelhiebe konnte bei entsprechenden Untersuchungen daher in keinem der Fälle (über 100 obduzierte Lämmer/ Schafe) nachgewiesen werden. |
Tötungen sind also generell nicht auszuschließen. Auch trächtige Mutterschafe können davon betroffen sein, wenn sie über längere Zeit (Stunden) auf dem Rücken festliegen. Sie können unter diesen Bedingungen dann von Rabenvögeln angepickt werden (zumeist nicht tödlich). Bewegungsunfähigkeit macht Schafe für Rabenvögel attraktiv Wie gelangen Tiere in derartige Situationen? Ungeschorenen Schafen mit nassem Fell und dickem, trächtigem Bauch juckt der Rücken. Sie wälzen sich und liegen als Folge in einer kleinen Bodenwelle auf dem Rücken fest. In diesem Zustand kann eine Art "Pansentympanie" auftreten, da weder das entstehende CO2, noch das Methan des Pansens durch Ruktus abgeatmet werden kann. Es wird zudem kein Schaum verhindernder Speichel geschluckt. Der Pansen schwillt zunehmend an und drückt auf Zwerchfell und Atemorgane. Atemnot tritt auf, Hechelatmung setzt ein. Es kann zur Ohnmacht und sogar zum Tod kommen, wird das durchaus gesunde Schaf nicht durch den Schäfer aus seiner Lage befreit. In solchen Fällen können Kolkraben die wehrlosen Tiere anpicken. Da Raben vor allem zunächst an Weichteilen interessiert sind, fehlen die Augen und oft auch die Zunge, an die die Kolkraben bei einem nicht hechelnden oder ohnmächtigen Schaf überhaupt nicht herankommen würden. Dies sieht grausam und extrem blutig aus, führt aber nicht notwendigerweise zum Tod des Schafes. Alle weiteren gravierenden Formen des Festliegens von Mutterschafen (vor allem verursacht durch Kokzidiose) können zu dem gleichen Effekt führen. Bedingung bleibt aber ausnahmslos eine längerfristig andauernde Unfähigkeit des Tieres, sich zu bewegen. |
Untersuchungen an Tierkörpern
Nur wenige Weidetiere konnten - gemessen an der Zahl behaupteter und gemeldeter Fälle - tatsächlich auf die Todesursache hin untersucht werden.
Maßnahmen
Die Rahmenbedingungen beeinflussen entscheidend das Auftreten von möglichen Schäden. Halter von Weidevieh können zur Sicherheit folgende Maßnahmen treffen:
- Für Raben Einschränkung des Zugangs zu Fütterungsanlagen
- Vermeidung der Ausbringung von anderen Futterquellen
- zeitliche Steuerung (Konzentrierung) des Geburtsgeschehens
- in dieser Zeit intensive Herdenbetreuung und ggf. Aufstallung lammender Schafe
- Angebot von Überdachung oder Windschutz für Weidetiere
- Verwendung von Weidetierrassen, die angepasst sind und nicht zu Schwergeburten neigen.
Forderungen
Aus Sicht des NABU sind bei der Freilandhaltung die oben genannten Vorgaben einzuhalten. Zudem fordert der NABU ...
- Mutterschafe auch aus Gründen der Sorgfaltspflicht in der Zeit des Lammens grundsätzlich hofnah, besser in Ställen, zu halten
- bei jedem Verdachtsfall die Todesursache durch den Amtstierarzt ermitteln zu lassen
- die Rahmenbedingungen sind genau zu dokumentieren.
Brehme et all. (2001): Kolkraben und die Freilandhaltung von Weidetieren - Untersuchungen aus dem Land Brandenburg.
Letzte Aktualisierung: 24. Juni 2008, ILu