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NABU SH fordert strenge Reglementierung von Bremsenfallen - Gefahr für die Biodiversität
Ein großer, schwarzer Gummiball, darüber ein weißer Regenhut, aufgestellt mittels einer Metallstange: Das sind so genannte Bremsenfallen, wie sie seit 10 bis 15 Jahren immer häufiger an den Rändern von Pferde- und Rinderweiden anzutreff en sind. Die Fallen locken durch den in der Sonne aufgeheizten Gummiball Insekten an, die über einen Trichter in ein Fanggefäß fliegen, wo sie abgetötet werden. Ziel dieser Fallen ist, die Weidetiere vor Bremsenbissen zu schützen. Allerdings haben mehrere Studien inzwischen nachgewiesen, dass die Bremsenfallen nicht selektiv funktionieren, sondern im Breitbandverfahren nahezu alle fliegenden Insektenarten töten, die an den Blühsäumen von Pferdeweiden ihren Lebensraum haben – darunter auch streng geschützte Arten wie Wildbienen, Hummeln und Wespen.
Nicht zuletzt weil dies gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstößt, haben bereits das Land Niedersachsen und zuletzt Hamburg per Erlass den Einsatz von Bremsenfallen stark reglementiert. Höchste Zeit, dass Schleswig-Holstein gleich zieht.
Grundlage für diesen, auch hierzulande dringend erforderlichen, restriktiven Umgang mit den Bremsenfallen ist eine Studie eines Bielefelder Forschungsteams um die Biologin Nina Jäckel aus dem Jahr 2020. Mit nur sechs Bremsenfallen fing das Team zwischen Mai und Oktober 2017 insgesamt 53.438 Insekten und Spinnentiere. Die Familie der Bremsen (Tabanidae) wurde dabei nur mit weniger als vier Prozent erfasst. Die Pferdebremse (Tabanus sudeticus) wurde gar nicht gefangen. Dagegen waren den Fallen 47 Arten der Stechimmen (z. B. Wildbienen, Hummeln und Wes pen) zum Opfer gefallen, die allesamt als besonders geschützt gelten. Entsprechend deutlich urteilen die Biolog*innen in der Zusammenfassung ihrer Studie:
„Bremsenfallen entnehmen nicht nur eine große Menge Biomasse aus den Nahrungsnetzen, sondern töten auch gesetzlich besonders geschützte Arten. Da nicht nur Bremsen gefangen werden, sondern überwiegend Insekten anderer Artengruppen, sollten Bremsenfallen genehmigungspflichtig sein. In Schutzgebieten und deren direktem Umfeld ist ein generelles Aufstellungsverbot zu fordern. Auch in Hinblick auf das großräumige Insektensterben ist ein Fallentyp, der nicht selektiv Insektenbestände dezimiert und damit die Biodiversität zusätzlich schädigt, nicht akzeptabel.“
Beeinträchtigung der Fauna und damit der Biodiversität
Dieser nachvollziehbaren Forderung leistete nach Niedersachsen nun auch die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft mit Erlass vom 22.11.2023 Folge. In der Begründung heißt es unter anderem:
„In einer weiteren, im Jahr 2023 in Hamburg durchgeführten, Studie machten Bremsen (Tabanidae) im Durchschnitt nur vier Prozent des Fangguts innerhalb von neun Wochen mit drei Bremsenfallen aus (CREMER 2023). Gleichzeitig wurden diese Fänge mit einer nahstehenden Malaisefalle (ohne Lockwirkung) verglichen. Die Zahl an Tabanidae war in den Bremsenfallen nicht signifikant höher als in den Malaisefallen (WEDE 2023). Die Hypothese vieler Anbieter, dass Bremsenfallen selektiv Tabanidae fangen und sich deren Anteil zu anderen Insektengruppen signifikant unterscheidet, konnte demnach auch hier widerlegt werden. Die Studien kommen somit zu dem Schluss, dass es sich bei Bremsenfallen um keine selektive Fangmethode handelt. Vielmehr ähnelt sie einer Malaisefalle, die Insekten passiv ohne Lockwirkung fängt und in Studien ähnliche Fangzahlen aufwies (z. B. SMITH et al. 1965). Während man für das Aufstellen von Malaisefallen eine behördliche Genehmigung benötigt, bedarf es bei Bremsenfallen aktuell keiner Genehmigung, da sie als sogenanntes landwirtschaft liches Zubehör klassifiziert bzw. der guten fachlichen Praxis zugeordnet sind (JÄCKEL et al. 2020).“
Wie weiter ausgeführt wird, könne der „Einsatz einer Bremsenfalle, welche ihren vorgegebenen Zweck, nämlich den Wegfang von Pferdebremsen zum Zwecke des Tierwohles der Nutztiere, gar nicht erfüllen“, sicherlich nicht mit guter fachlicher Praxis begründet werden. Durch den Fang eines so geringen Anteils an Bremsen und gleichzeitig hohen Anteils an Nicht-Zielorganismen sei von einer Beeinträchtigung der Fauna und damit der Biodiversität auszugehen, folgert die Hamburger Behörde. Dies führe im Ergebnis dazu, „dass Bremsenfallen sowie vergleichbare Fallentypen mit dem gleichen Fangmechanismus nicht ohne Einschränkungen allerorts, jederzeit und ohne behördliche Genehmigung eingesetzt werden dürfen bzw. dass deren Einsatz gegen die oben genannten Vorschrift en [des Bundesnaturschutz- sowie des Bundesartenschutzgesetzes, Anm. der Red.] verstößt.“
Auch geschützte Vogelarten sind indirekt gefährdet
Besonders in naturschutzfachlich wertvollen Gebieten sei mit einem Vorkommen von zahlreichen besonders geschützten Arten (z. B. Wildbienen) zu rechnen. Darüber hinaus, so ein weiteres aus Sicht des Naturschutzes absolut nachvollziehbares Argument, könne nicht ausgeschlossen werden, „dass durch den nichtselektiven und umfassenden Fang von Insekten auch seltene Vogelarten beeinträchtigt werden, die von den Insekten leben und ebenfalls dem besonderen Artenschutz unterliegen.“
Daher bedarf das Aufstellen von Bremsenfallen innerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg künftig immer einer behördlichen Genehmigung. In der Praxis bedeutet dies einen höchst restriktiven Umgang, da zur Erteilung einer solchen Genehmigung besondere Härtefälle angeführt und belegt werden müssen.
Der NABU Schleswig-Holstein fordert Tobias Goldschmidt und das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur auf, dem Vorbild Hamburgs unverzüglich zu folgen und einen entsprechenden behördlichen Erlass auf den Weg zu bringen. Noch im Jahresbericht zur biologischen Vielfalt 2017 war vom Umweltministerium angeführt worden, es lägen noch keine belastbaren Untersuchungen vor. Da diese Studien mittlerweile vorliegen, ist es die Aufgabe des MEKUN, diese Bremsenfallen jetzt unter den Genehmi gungsvorbehalt zu stellen. Ein solches Vorgehen ist nicht nur im Sinne der Biodiversitätsrichtlinie unerlässlich, sondern allein zur Wahrung der naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen. „Mit diesen Breitbandfanganlagen wird fahrlässig das Tötungsverbot nach BNatSchG in Kauf genommen bzw. dagegen verstoßen“, schlussfolgert NABU- Naturschutzreferent Thomas Behrends. Daher dulde ein ministerieller Erlass zum Umgang mit Bremsenfallen an Pferde- und Ponyweiden keinen Aufschub.
TB/EK 8. Februar 2024