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Lichtscheu, flink und flügellos - das Silberfischchen
Dabei handelt es sich um ein sehr urtümliches, heimlich lebendes Ur-Insekt, das seinen Namen aufgrund der schlängelnden Bewegungen des silbergrauen, stromlinienförmigen Körpers bekommen hat. Auf die Vorliebe für Zucker oder Stärke geht der wissenschaftliche Artname und die Bezeichnung „Zuckergast“ zurück. Beim Menschen ruft das meist überraschende Auftreten der kleinen Mitbewohner Reaktionen zwischen interessierter Neugier und hysterischem Kreischen hervor. Notwendig ist letzteres wahrlich nicht.
Das Silberfischchen gehört zu den „Ur-Insekten“, genauer zur Ordnung der Fischchen (Zygentoma), die wahrscheinlich seit 300 Millionen Jahren existiert. Die Fischchen sind also eine eigene Insektengruppe, beispielsweise wie Schmetterlinge oder Käfer. Weltweit sind etwa 500 Arten bekannt, in heimischen Regionen kommt vor allem das Silberfischchen vor. Neben dem sehr seltenen, größeren, dunkel gefleckten Ofenfischchen, kommen noch zwei weitere, ebenfalls sehr seltene Arten vor, eine davon in Ameisennestern.
Für „Anglerlatein“ ungeeignet
Die maximale Länge des torpedoförmigen Körpers des Silberfischchens ohne Anhänge beträgt lediglich einen Zentimeter. Die langen Fühler sind fadenförmig, die Füße bestehen aus zwei bis vier Gliedern. Der metallische Glanz wird durch die Bedeckung mit silbrigen Schuppen hervorgerufen, die nach der dritten Häutung auftreten. Die Tiere haben zwei vordere Tastfühler sowie am Hinterleibsende drei Schwanzanhänge, die ebenfalls berührungsempfindliche Sinnesorgane darstellen.
Tanz der Silberfischchen
Bis zu drei Jahre kann es dauern, dann ist ein Silberfischchen ausgewachsen ist. Bei Zimmertemperatur entwickelt es sich etwa innerhalb eines Jahres zu einem ausgewachsenen Insekt, das ein Alter von zwei, drei, max. acht Jahren erreichen kann. Ein geschlechtsreifes Silberfischchen hat etwa acht Häutungen durchlaufen. Auch danach finden noch bis zu vier Häutungen pro Jahr statt, weil das Tier weiter wächst. Die Vermehrung geht langsam vor sich, Massenentwicklungen kommen nur sehr selten zustande. Das Paarungsverhalten der Silberfischchen ist bemerkenswert, es findet unbemerkt meist nachts statt. Die Partner betrillern sich mit den Fühlern und prüfen so ihre Paarungsbereitschaft. Anschließend laufen sie bis zu einer halben Stunde in einer Art Tanz um einander herum. Schließlich spinnt das Männchen blitzschnell vor dem Weibchen einige Fäden, unter denen es eine sog. Spermatophore, einen Samentropfen, abgesetzt hat. Beim Versuch, den Faden zu umgehen, schlüpft das Weibchen schließlich unter den Fäden durch und nimmt dabei den Samentropfen auf. Das Weibchen legt einzeln etwa zwanzig Eier bevorzugt in Spalten und Ritzen ab, wenn dort die Temperatur zwischen 25 und 30 Grad Celsius liegt. Aus diesen Eiern schlüpfen dann ohne weitere Pflege nach etwa 30 Tagen die selbstständigen Jungtiere. Bei Kälte und Trockenheit ist keine Vermehrung möglich.
Was sind eigentlich "Ur-Insekten"?
Der Begriff „Ur-Insekt“ ist eine früher gebrauchte Sammelbezeichnung für die Gruppen der Doppelschwänze (Diplura), Beintastler (Protura), Springschwänze (Collembola) und „Borstenschwänze“ (Thysanura), letztere wieder aufgeteilt in die Archaeognatha und die Zygentoma. Die Ur-Insekten, die Apterygota, wurden in der Systematik als primär flügellose Insekten dem Rest der Insekten gegenübergestellt, die als gemeinsames Merkmal geflügelt (Pterygota) sind.
Die heute übliche Vorstellung von den Verwandtschaftsverhältnissen hält hingegen die Art der Einlenkung der Mundgliedmaßen für wesentlich. Danach gibt es zwei Hauptgruppen bei den Insekten, die Entognatha, die ihre Mundgliedmaßen in einer Mundfalte verborgen halten (Diplura, Protura, Collembola) sowie die Ectognatha mit den Thysanura und Pterygota, bei denen die Mundgliedmaßen an der Basis frei sind. Die meisten Naturfreunde werden als Vertreter der „Ur-Insekten“, vor allem das Silberfischen als Vertreter der Thysanura, vor allem aber auch Vertreter der Collembolen, der Springschwänze, kennen. Weltweit sind von diesen mindestens 5.000, meist 1– 2 mm große Arten beschrieben. Sie besiedeln die unterschiedlichsten Lebensräume – und kommen auch im heimischen Blumentopf vor. Fachleute gehen davon aus, dass es sich bei ihnen um die häufigsten Insekten überhaupt handelt, die einzelnen Arten kommen teilweise mit außerordentlich hoher Individuenzahl vor. In einem Liter humosen Waldboden leben beispielsweise rund 2.000 Springschwänze.
Quelle
Bellmann, H. & K. Honomichel (2007): Jacobs/Renner, Biologie und Ökologie der Insekten,
4. Auflage; Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 756 p
Äußerst lichtscheu
Silberfischchen kommen in menschlichen Behausungen vor. Sie sind nachtaktiv und äußerst lichtscheu. Bei Tage halten sich die Tiere in dunklen Ritzen und Fugen, hinter Sockelleisten oder losen Tapeten versteckt. Die Insekten bevorzugen Wärme und benötigen höhere Luftfeuchtigkeit, daher sind sie oft in Küchen, Bädern und Waschküchen anzutreffen. Optimale Bedingungen liegen bei 20 bis 30 Grad Celsius und 80 bis 90 Prozent relativer Luftfeuchte. Man findet sie insbesondere unter Kühlschränken und in gut geheizten Toilettenräumen, wenn die Bodenfliesen Risse und Spalten aufweisen. Auffällig werden Silberfischchen mitunter – für viele Naturfreunde vielleicht überraschend – in Neubauten, wenn noch Feuchtigkeit in den Wänden vorhanden ist, manchmal auch in Kellern.
Jagd nach Schimmelpilzen
Angst braucht man vor Silberfischchen wahrlich nicht zu haben, sie sind nicht giftig, beißen und stechen nicht. Silberfischchen suchen ihre Nahrung im Dunkeln und bevorzugen stärkehaltige Stoffe oder Dextrin in Klebstoffen: Kleister, Bucheinbände, Fotos, Zucker, Haare, Hautschuppen und sogar Hausstaubmilben. Dabei kann es auch zu Verschmutzungen von Lebensmitteln kommen. Baumwolle, Leinen oder Seide, Schimmelpilze, Papier, selbst Kunstfasern werden nicht verschmäht, wenn sie eine dünne Schimmelschicht tragen, ebenso wenig wie tote Insekten. Durch ihren Schabe- und Lochfraß kann es in Einzelfällen auch zu Beschädigungen von Lederwaren oder Kunstfasergewebe kommen. Über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten können Silberfischchen auch hungern, ohne dabei Schaden zu nehmen.
Bekämpfung nicht notwendig
Vereinzelt in Bad oder Küche auftretende Silberfischchen sind harmlos. Ein selten vorkommendes Massenauftreten kann aber auf ein Feuchtigkeitsproblem und damit verbundenen Schimmelbefall hindeuten. Die Silberfischchen stellen dann aber nur ein Warnsignal dafür dar! Da sie sich von den Schimmelpilzen ernähren, reduzieren sie sogar den Schimmelbefall. Die nachtaktiven Ur-Insekten fressen auch Hausstaubmilben, die beim Menschen Allergien auslösen können. Silberfischchen sind keine Krankheitsüberträger, eine Bekämpfung ist daher fast nie erforderlich. Selbst ein Silberfischchen hat Feinde wie den Gemeinen Ohrwurm (Forficula auricularia), aber auch Spinnen machen Jagd auf das Ur-Insekt.
Förderung durch BINGO! – Die Umweltlotterie
Die vier Natur-, Umwelt- und Abfallberatungsstellen in Trägerschaft von NABU (Lütjenburg und Plön) und BUND (Preetz und Schwentinental) bearbeiten aktuell das verbandsübergreifende Projekt „Salto mortale im Bumenkasten – (un)heimliche Mitbewohner in Haus und Garten“. Antragsteller ist der NABU Kreis Plön e.V. in Kooperation mit dem BUND Schleswig-Holstein. Im Rahmen des Projekts wird eine Ausstellung und Loseblattsammlung mit Beschreibung von einzelnen Arten und Gruppen, ihre Kennzeichen, Lebensweise, mögliche Konflikte sowie Vermeidungs- oder Hilfsmaßnahmen zu den wichtigsten tierischen Mitbewohnern im häuslichen Umfeld des Menschen erarbeitet. Diese Steckbriefe können später auch im Internet abgerufen werden. Zudem wird umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. An dieser Stelle daher ausdrücklich Dank an BINGO! – Die Umweltlotterie für die freundliche Unterstützung und Förderung des Projekts.
Carsten Pusch
NABU Schleswig-Holstein
Stellv. Landesvorsitzender
Carsten.Pusch@NABU-SH.de
2. April 2016