Sängerstreit am Wegesrand

Nicht zum Reiten: unsere Heupferde

Wer im Spätsommer in der Natur unterwegs ist, kann sie gar nicht überhören: Unsere heimischen Heupferde. Den Namen haben diese Heuschrecken nicht von ungefähr: Tatsächlich ähnelt der Kopf dieser Insekten dem eines Pferdes. Mit einer Körperlänge von bis zu 4 cm (ohne Legebohrer) gehören sie zu den größten und eindrucksvollsten Insekten in Schleswig-Holstein, trotzdem haben viele Naturinteressierte sie bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Umso größer ist die Überraschung, wenn sich einmal ein Heupferd auf die Terrasse verirrt hat oder am Wegesrand entdeckt wird. Bis in den November hinein gehört der Gesang dieser Heuschrecken zu den schönsten und bleibenden Naturerlebnissen.

Zwitscherschrecke und Grünes Heupferd
Bei den Heupferden handelt es sich um das Grüne Heupferd und das Zwitscherheupferd, auch Zwitscherschrecke genannt. Beim insgesamt etwas größeren Grünen Heupferd überragen die zusammengeklappten Flügel erheblich das Ende des Hinterleibes, bei der etwas kleineren Zwitscherschrecke sind diese gerade genauso lang. Das gilt nicht für den eindrucksvollen Legebohrer der Weibchen, der fast genauso lang wie das gesamte Tier ist. Die beiden Schwesterarten gehören zu den Langfühlerschrecken, und innerhalb dieser Gruppe zu den Laubheuschrecken.

Allerdings ist dies kein Hinweis auf die Ernährungsweise. Beide Arten ernähren sich sowohl als Larve als auch als ausgewachsenes Tier räuberisch. Kleinere Insekten, Raupen, aber auch kranke Artgenossen stehen auf dem Speiseplan. Flinke Beutetiere werden im Sprung mit den Vorderbeinen ergriffen und sofort mit den kräftigen Kiefern zerbissen. Die kleineren Heupferdlarven ernähren sich überwiegend von Blattläusen. Daneben werden hin und wieder weiche Pflanzenteile von Kräutern wie Löwenzahn oder Vogelmiere vertilgt. Heupferde sind keine Schädlinge der Landwirtschaft, als die sie früher häufig angesehen wurden.

Auf hoher Warte
Die beiden Heuschreckenarten sind vom Nachmittag bis weit in die Nacht aktiv. Tagsüber sitzen die Tiere auf niedrigem Gebüsch oder Wiesenpflanzen. Nachts steigen sie jedoch von der sich abkühlen-den Bodenregion auf, gelegentlich bis in hohe Baumspitzen. Die Männchen besetzen Reviere, die auch aggressiv gegen andere Männchen verteidigt werden. Innerhalb dieser Reviere werden Singwarten aufgesucht, von denen sie bis zu 100 Meter weit zu hören sind.

Bei idealen Witterungsbedingungen versucht jedes Heupferdmännchen seinen Nachbarn zu übertrumpfen und so entsteht der Eindruck eines Sängerwettstreites am Wegesrand. Es handelt sich aber gar nicht um ein Singen im eigentlichen Sinne, sondern eigentlich um ein Zirpen. Dies entsteht durch das gegenseitige Reiben der Vorderflügel. Die dadurch entstandenen Schwingungen werden über eine Membran hörbar gemacht (Zirpapparat). Die Weibchen können übrigens auch Zirpen, allerdings nur viel leiser und seltener. An ihren Gesängen lassen sich die beiden Heuschreckenarten übrigens sehr gut unterscheiden. Vom Zirpen der Männchen werden die Weibchen angelockt.

Hören mit den Beinen
Die Hörorgane liegen am Knie der Vorderbeine, welche nur durch kleine Schlitze zu erkennen sind. Es können damit leise, entfernte Gesänge wahrgenommen werden, was auch für die Paarung von großer Relevanz ist. Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Weibchen der Zwitscherschrecke bis auf eine Distanz von knapp 40 Metern auf das Zirpen der Männchen reagieren. Die Paarung dauert fast eine Stunde und beginnt mit einem andauernden Vorspiel. Die Ablage der ca. 150-190 Eier (bei der Zwitscherschrecke) bzw. 200-260 Eier (beim Grünen Heupferd) erfolgt in der feuchten Erde, zumeist Grünland, hinein.

Die Entwicklung der Eier kann mehrere Jahre dauern, wobei sie eine Austrocknung in den Sommermonaten überstehen können. Die Eier der Zwitscherschrecke benötigen eine höhere Bodenfeuchtigkeit als die ihrer Schwesterart. Ab Ende April, Anfang Mai können die ersten Larven in Bodennähe gefunden werden. Insgesamt werden mehrere Larvenstadien durchlaufen. Schon das erste Larvenstadium ähnelt sehr dem ausgewachsenen Tier. Mit jedem neuen Larvenstadium nähert sich die Larve weiter in Größe und Aussehen dem ausgewachsenen Tier an.

Feinde lauern
Trotz ihrer eindrucksvollen Größe haben die Heupferde aber durchaus Feinde zu fürchten. Vor allem die Zwitscherschrecke, obgleich etwas kleiner, kann durch seine Aggressivität dem Grünen Heupferd gefährlich werden. In der Häutungszeit werden Heupferde zudem leicht von Ameisen überwältigt, zerlegt und in den Bau getragen.

Aber auch netzbauende Spinnen stellen in den ersten Larvenphasen eine Gefahr dar, vor allem kräftige Radnetzspinnen wie z. B. die Wespenspinne. Für insektenfressende Vögel und Fledermäuse stellen die Heuschrecken ebenfalls eine ideale Beute dar. Kleinsäuger wie Igel, Katze, Fuchs oder Marder stellen besonders in den ersten Larvenphasen in der Krautschicht den Heupferden nach. Leider erschrecken sich aber auch immer wieder Menschen vor diesen "grünen Dingern mit diesem riesigen, gefährlichen Stachel" und töten diese nützlichen und harmlosen Insekten völlig unnötig.

Dabei ist dieser eindrucksvolle Legebohrer der Weibchen völlig ungefährlich. Er dient ausschließlich der Eiablage. Heuschrecken besitzen ein Erschütterungsorgan und können kleinste Erschütterungen bereits aus großer Entfernung wahrnehmen. Schon etliche Naturfreunde haben sich gewundert, warum bei Annäherung an die zirpende Heuschrecke diese immer genau dann aufhört zu zirpen, wenn man fast am Ziel ist.

Besonders das Grüne Heupferd ist ein guter Flieger und besiedelt neue Gebiete mit geeigneten Biotopstrukturen in größerer Entfernung innerhalb kurzer Zeit. Aufgrund der in Bezug auf ihr Körpergewicht zu klein ausgebildeten Flügel ist die Zwitscherschrecke unfähig, ausdauernd zu fliegen. Bei Gefahr flieht die Art mit großen Sprüngen, die in eine Art Sprungflug übergehen können. Nur selten fliegen sie weiter als hundert Meter.

Weit verbreitet
Heupferde sind in ganz Europa und Nordafrika sowie in Kleinasien beheimatet. Innerhalb dieses Verbreitungsraumes gibt es jedoch viele Lücken, wo das Grüne Heupferd durch die Zwitscherschrecke ersetzt wird. Während das Grüne Heupferd für die Entwicklung eher trockenwarme Böden benötigt, bevorzugt die Zwitscherschrecke relativ feuchte Böden. Die getrennte Besiedlung der meisten Habitate durch die beiden Schwesterarten wird nicht auf zwischenartliche Konkurrenz zurückgeführt, sondern auf ihre klimatische Spezialisierung.

In Schleswig-Holstein kommen die beiden Schwesterarten in den südöstlichen Landessteilen häufig vergesellschaftet vor. Ansonsten ist das Grüne Heupferd im Östlichen Hügelland überwiegend nur in Bereichen mit sandigen Böden, auf der Geest hingegen weit verbreitet. Aber auch hier besteht keine flächenhafte Verbreitung. Die Zwitscherschrecke ist im östlichen Hügelland und in wenigen Geestbereichen weit verbreitet und fehlt in den westlichen Landessteilen.

Gefahr: Intensivierung der Landwirtschaft
Heupferde gehören zu den häufigen und auffälligen Heuschreckenarten. Allerdings sind die Bestände - wie die von anderen Insektenarten - durch den Einsatz von Insektiziden und durch die Intensivierung der Landwirtschaft deutlich zurückgegangen. Besonders auf wenig genutzten Flächen sind Heupferde anzutreffen, an Waldrändern, auf Grünflächen und sonnigen verbuschten Brachen. Das Grüne Heupferd ist ein Kulturfolger, besonders auch an Rändern von Siedlungen, in Stadtgärten oder an Wegesrändern sind die Tiere anzutreffen. Landwirtschaftliche Monokulturen wie Getreide sind für die Eiablage und als Lebensraum für die Larven wertlos, sie werden nur als Singwarten genutzt.

Gesänge lernen
Es ist übrigens hochinteressant und zumindest bei einigen Arten gar nicht so schwer, die Gesänge der Heuschrecken zu lernen. Der Fachhandel hält hervorragende Fachliteratur für die Bestimmung und CDs mit den Gesängen vorrätig - versuchen Sie es doch mal!

CPu, akt. 13. Juli 2015