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Die Nordamerikanische Zapfenwanze
Gerade im Herbst und Winter werden viele Tierarten auch zu Untermietern in menschlichen Behausungen und suchen in der kalten Jahreszeit geschützte Verstecke zur Überwinterung auf. Verschiedene Arten von Schmetterlingen, Florfliegen, Mücken, Marienkäfern oder andere Wirbellose wie Kellerasseln und verschiedene Spinnenarten, aber auch Säugetiere wie Gelbhalsmäuse, ja selbst Amphibien wie Erdkröten und Wasserfrösche finden sich dann häufig in menschlichen Wohnungen, Schuppen, Kellern oder auf Dachböden wieder. Seit gut einem Jahrzehnt zählt auch die Nordamerikanische Kiefern- oder Zapfenwanze Leptoglossus occidentales dazu, eine somit noch nicht lange in Deutschland heimische Wanzenart. Sie gehört zu der in Deutschland 19 Arten umfassende Familie der Randwanzen.
Ein unverkennbares Merkmal der bis zu 20 Millimeter großen und 7 Millimetern breiten Art sind die auffälligen Hinterbeine. Genauer sind es die blattartig verbreiterten Hinterschienen, die in Mitteleuropa nur bei der Kiefernwanze zu finden sind. Solch ein klares Merkmal wünscht sich jeder Anfänger in der Insektenbestimmung! Die Färbung der Art ist rötlich, bräunlich bis schwarz. In der Mitte der Flügeldecken verläuft quer ein charakteristisches, schmal weißes Zickzackband, das kann aber auch schwach ausgeprägt sein oder sogar ganz fehlen. Beim Ausbreiten der Flügel fällt die orangefarbene Oberseite des Hinterleibes auf. In Europa kann die attraktive Zapfenwanze mit den hier heimischen Arten daher eigentlich nicht verwechselt werden. Und selbst die menschliche Nase kann bei der Identifizierung der Art helfen. Bei groben Störungen soll die Art ein an Kiefernnadeln oder Äpfel erinnerndes Sekret absondern. Bei anderen Wanzen riecht dieses chemische Abwehrsekret tatsächlich deutlich weniger angenehm – der Name „Stinkwanze“ kommt dann nicht von ungefähr.
Gast aus den Rocky Mountains
Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Zapfenwanze umfasst den Westen Nordamerikas westlich der Rocky Mountains. Durch Verschleppung sowie aktiv durch eigene Ausbreitung hat die Art ihr Areal seit Mitte der 1950er Jahre bis an die Ostküste der USA ausgedehnt. In Europa wurde die Art erstmalig 1999 in Norditalien nachgewiesen. Wie die Art von Nordamerika dorthin gelangte, ist allerdings nicht bekannt. Als mögliche Einschleppungswege gelten Importe von Weihnachtsbäumen, Saatgut oder Baumaterial. Durch eigene Ausbreitung und unbeabsichtigte Einschleppungen hat sich die Zapfenwanze seitdem über weite Teile Europas ausgebreitet. Im Jahr 2006 wurde die Art schließlich auch in Deutschland, genauer in Berlin, erstmalig nachgewiesen.
Harmloser Neubürger
Auch aus Schleswig-Holstein wurden in den letzten Jahren bereits einige Tiere gemeldet. Seit dem Herbst 2018 trat die Kiefernwanze nach einem für ihre Vermehrung günstigen, heißen Sommer in Deutschland in größerer Zahl auf. Auf der Suche nach Versteckmöglichkeiten drang die Art im Herbst verstärkt auch in Wohnungen ein, was für gelegentliche Irritationen der Hausbesitzer führte und fälschlicherweise gleich schnell als „Invasion“ empfunden wurde. Zapfenwanzen können gut fliegen und brummen manchmal etwas überraschend hummelartig klingend durch die Wohnung. Gerade auch noch in der späten Jahreszeit können die Tiere an von der Sonne beschienenen Hauswänden, auf Balkonen oder auch eben in der Wohnung beobachtet werden. Die Nordamerikanischen Zapfenwanzen sind übrigens für den Menschen völlig harmlos, sie stechen und sie beißen nicht.
Freund der Nadelgehölze
Etwa ab Mai verlassen die Kiefernwanzen ihr Winterquartier. Sie suchen Nadelgehölze verschiedener Art (vorwiegend Kiefern und Douglasien, auch Fichten, Tannen, Wacholder oder Lebensbäume) auf, an deren Blüten und Samen sie saugen. Auch die Eiablage findet dort statt. Ausgewachsene Individuen treten dann ab August auf. Wenn es dann im späteren Herbst wieder kühler wird und die Samen aus den Zapfen fallen, suchen sich die Wanzen ein Überwinterungsquartier. In Plantagen zur Gewinnung von Nadelbaum-Saatgut kann es offenbar zu Ertragsminderungen durch das Saugen an den Zapfen kommen. Eine direkte Schädigung der Samenbäume erfolgt jedoch nicht.
Seien Sie gute Gastgeber*innen!
In der kalten, dunklen und feuchten Jahreszeit verstecken sich viele Tiere in Häusern, Kellern, Schuppen oder Dachböden. Dort stören sie in der Regel niemanden. Aus Räumen, die im Winterhalbjahr beheizt werden, sollten Naturfreunde ihre Wintergäste aber vor die Tür oder in den nächsten Schuppen setzen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Tiere wegen der Wärme zur falschen Zeit wieder munter werden und aufgrund fehlender Nahrung verhungern müssen. Wenn möglich lassen Sie die tierischen Gäste doch einfach bei sich überwintern – an Platz mangelt es ja meist nicht!
CPu, 4. Februar 2021