Fuchs vor der Webcam - Foto: NABU/Wallnau-Webcam
Wallnau-Webcam: Nicht ruhig, aber ungefährlicher ...
Hohe Zeit der Enten im NABU-Wasservogelreservat
Wie schon im letzten Jahr machen die Kiebitze von sich reden. In größeren Flügen rasten sie auf der Insel. Der erschreckend niedrige Anteil an Jungvögeln, wie er sich vor der Kamera zeigt, ruft auch hier in Erinnerung, dass die Art bei uns unter der weiter intensivierten Landwirtschaft und dem Grünlandumbruch leidet: Die Art kann so keinen Bruterfolg mehr erzielen. Weitere Watvögel wie Bekassine, Dunkler Wasserläufer, Bruch- und Waldwasser- sowie Flussuferläufer runden das Bild der Schnepfenvögel ab. Interessant, dass letztere am und im "Stamm" des Kormoran-Strauches ausgiebig nach Nahrung suchten.
Hohe Zeit der Enten
Stattlich sind dagegen die Enten vertreten - sowohl der Zahl wie der Artenvielfalt nach. Schnatterenten dominieren bei Weitem. Die Flügelmauser, bei der sie für Wochen flugunfähig waren, ist überstanden. Die ersten Männchen tragen nun wieder das Prachtkleid. Auffallend ist, dass viele Tiere schon verpaart sind - nach wissenschaftlichen Untersuchungen finden sich Schnatterentenpaare aus der vergangenen Brutsaison schnell wieder zusammen. Enten sind, was kaum bekannt ist, vielfach partnertreu - sofern beide die Jagd, der viele Tiere zum Opfer fallen, überleben. Paare können sonst über Jahre zusammen bleiben.
Neben Schnatterenten waren aber auch Stock-, Löffel-, Pfeif-, Spieß- und Krickenten wie auch Reiher-, Tafel- und Schellenten zu sehen. Überraschend konnten auch zwei wohl diesjährige Kolbenenten beobachtet werden, die wohl auf Fehmarn aufgewachsen und dem kleinen Brutbestand zuzurechnen sind.
Gänse, Schwäne, Singvögel
Auch Graugänse und Höckerschwäne lassen sich nun verstärkt auf der Insel blicken. Unter letzteren dominieren vor allem noch nicht geschlechtsreife Tiere. Die Mantelmöwe, zwar ebenfalls hier Brutvogel, aber meist an der anderen Inselseite ruhend, machte endlich auch einen lang erwarteten, kurzen Abstecher vor die Kamera. Sie tat es mehreren Singvögeln gleich, die vor allem den Strauch zur Rast nutzten - so Rauch- und Uferschwalbe, Bachstelze und Fitislaubsänger.
Es bleibt weiterhin spannend, immer wieder auf der Webcam-Seite vorbei zu schauen. Alle bisherigen Beobachtungen sind wie immer im Archiv und in der Galerie abrufbar.
ILu 12. September 2011
Kormoran- wird auch zur Seeadler-Webcam
NABU beobachtet Deutschlands Wappenvogel | Auch Rosapelikan und erste Rastvögel im Visier der Webcam auf Wallnau / Fehmarn
Seit nunmehr fast zwei Jahren beobachten und protokollieren Biologen im NABU- Wasservogelreservat Wallnau auf Fehmarn am Rande einer Kormoran-Kolonie das Treiben dieses auch bei uns zu Unrecht verfolgten Vogels. Ziel ist es, mehr über die Einflüsse auf und die Dynamik in einer Brutstätte dieser Vogelart zu erfahren.
Standen in den letzten Monaten vor allem das Brutgeschäft und die Jungenaufzucht des ‚Vogel des Jahres 2010‘ im Blickpunkt, kommen nunmehr zunehmend andere Vogel- und Tierarten im Umfeld der Kolonie ins Visier der NABU-Experten. Aufregend und lehrreich war es bereits, zum Ende der Brutzeit einen Fuchs bei seinem Treiben in der Kolonie live zu erleben. In letzter Zeit aber rücken Seeadler ins Blickfeld der Internet-Kamera: Diese haben die flugfähigen, aber sich noch im Umfeld der Kolonie aufhaltenden jungen Kormorane als Nahrungsquelle entdeckt. Mit der Webcam gelangen nun spektakuläre Bilder der Jagd des größten Greifvogels Europas. Auch ein Rosapelikan – Irrgast aus Südosteuropa – konnte erstmals für mehrere Tage festgestellt werden – wie weitere Vogelarten, die hier nun rasten.
Das von der Umweltlotterie BINGO! geförderte Kormoran-Webcam-Projekt des NABU hat drei ‚Väter‘: den wissenschaftliche Leiter des NABU- Wasservogelreservats Wallnau, Martin Altemüller, den Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski und Dr. Rolf Lille von der Firma Ornitech, der das Projekt technisch begleitet. Alle drei eint u.a. ihre Ausbildung zum Biologen. In diesem Team werden alle anstehenden organisatorischen, technischen und fachlichen Fragen besprochen. Mitte Juli übernahm routinemäßig Dr. Lille die Steuerung der NABU Kormoran-Webcam auf Fehmarn, da die Teamkollegen im Urlaub weilten. Am 14. Juli 2011 wird er mit Hilfe der Kamera erstmals Zeuge dramatischer Vorgänge auf der Kormoran-Insel.
Sein Bericht:
„Neben der aktuellen Arbeit schaue ich auch heute ab und zu auf der Webcam nach dem Rechten. Um 12:30 Uhr ist die eingestellte Kameraposition 'Nord-Niststrauch' perfekt – knapp zwei Dutzend Kormorane sitzen im Bildausschnitt. Plötzlich aber erhebt sich der Trupp und ist schlagartig verschwunden. Ich ahne, da ist etwas im Busch, denn die Kormorane verschwinden nicht einfach ohne Grund so plötzlich von der Bildfläche! Ist es wieder der Fuchs, der vor wenigen Wochen noch geschickt eben flügge Jungvögel erbeutete?
Sofort gehe ich auf die Steuerung unserer Hightech-Webcam und schwenke sie per Internet und Funkstrecke über den Teich. Erst einmal mit Weitwinkeleinstellung zum Überblick. Ich weiß heute aber intuitiv, wonach ich eigentlich seit Wochen suche: Ich will den Adler, der hier im Wasservogelreservat Wallnau öfter ein Stelldichein gibt und sein ihm gebührendes hoheitliches Wesen treibt! Ist er der Auslöser der Massenpanik?
Da sehe ich weit auf dem Teich hinaus einen kleinen, schwarzen Punkt. Per Mausklick zentriere ich die Kamera und zoome heran. Da trifft mich fast der Schlag: Ein Seeadler hoch flügelschlagend auf dem Wasser – ‚der hat etwas erwischt‘, fährt es mir durch den Kopf. Nun folgen eine Stunde in fast atemloser, absoluter Hochspannung ...
Der Adler bekommt seine Beute offensichtlich nicht aus dem Wasser, der König der Lüfte schlägt minutenlang hoch mit den Flügeln, dann beginnt er irgendwie schwer mit den Flügeln rudernd dem Ufer zuzustreben - direkt auf die Webcam zu! Das unkoordinierte Flügelschlagen sieht irgendwie nicht 'professionell' aus, diesem majestätischen Vogel nicht wirklich angemessen, sondern wirkt eher mühsam, insbesondere da der Greifvogel sich teils mehr unter als über Wasser befindet. Ich schwenke mit - und da versperrt mir – ja zum Teufel! – einer unserer Webcam-Ansitzpfähle die Sicht auf die dramatische, Olympia reife Ruderszene. Dann aber hat er mit der Beute das rettende Ufer der Insel erreicht, schüttelt sich und sein Gefieder, seine Schwingen, und beginnt dann sofort, sein Opfer zu kröpfen: Ein junger Kormoran musste sein Leben lassen, wie jetzt deutlich zu erkennen ist! Offensichtlich kann der Adler diese im seichten Wasser gut fangen.
Nun beginnt ein blutiges Festmahl, das manche zart besaiteten Naturfreunde nicht so gerne mit ansehen möchten, das aber in der Natur eben natürlich ist. Gut 50 Minuten ist der Adler mit dem Zerteilen und Fressen der Beute beschäftigt und verlegt dabei seinen Standort einige Male zunächst bis direkt unter den krüppeligen Kormoran-Niststrauch zehn Meter vom Inselufer entfernt, kaum 5 Meter vom Kamerastandort entfernt. Ich schaue dem Festmahl gebannt zu, steuere die Kamera und speichere mit der Maus einen Snapshot nach dem anderen ab.
Der Adler trägt rechts einen Alu-Ring der Vogelwarte. Von der Größe her wohl ein Weibchen, die die Männchen deutlich überragen. Plötzlich wendet er den Kopf nach hinten und dann stockt mir erneut der Atem: Ein zweiter, gelber Adlerschnabel stößt von rechts ins Bild hinein und geht dem ersten Adler fast von hinten ans Gefieder! Der zweite Greif ist unberingt, wie ich sofort per Kamerasteuerung kontrolliere. Offensichtlich ein kleineres, ebenfalls altes Männchen. In der Folge hält er dann einen etwa Drei-Meter-Abstand zu seinem Artgenossen ein und ich muss sehen, welchen Adler von beiden ich denn nun ins Visier nehmen und beobachten soll – wo hat man schon einmal eine solche Qual der Wahl - und nur Sekunden der Entscheidung! Unterdessen landen auch noch zwei Rabenkrähen auf dem Strauch direkt über dem Geschehen, dabei 'lüsternd' auf abfallende Beutereste spekulierend – Hitchcocks 'Die Vögel' lassen grüßen!
Dann geht es mit der Beute noch einmal zehn Meter weiter auf die verlassenen Bodennester der Kormoran-Kolonie – der zweite Adler und eine der Krähen hinterher, aber beide mit sorgfältigem Abstand zur ‚Chefin‘ der Szene. Dann ist plötzlich alles vorbei auf dem 'Schlachtfeld' und es kehrt auf der Kormoraninsel wieder Ruhe ein - und auch bei mir am Webcam-Bildschirm“, beendet Dr. Lille seinen Bericht.
Mehrmals konnte in den folgenden Tagen dann das unberingte Seeadler-Männchen via Kamera auf der Insel beobachtet werden, so am 29. und 31. Juli sowie am 1. August 2011. Am letztgenannten Tag verzehrt es seine noch übrig gebliebene Beute einer Kormoran-Jagd vom Vortag, dabei sich auch auf den für die Kormorane aufgestellten Pfählen ausruhend. Rabenkrähen und Silbermöwen fressen zwischen den Adler-Mahlzeiten am liegen gebliebenen Kadaver, zu dem der Adler immer wieder zurückkehrt. Zahlreiche schnell per E-Mail alarmierte Beobachter können das Geschehen live mit verfolgen. Wirkung zeigt in der Folge die Aktivität der Adler auf den anwesenden Kormoran-Bestand: Immer weniger Tiere nutzen das Inselufer zur Rast, es wird merklich leerer auf dem Teich. Kein Wunder, denn per Kamera sind schließlich vier Adler nachzuweisen: Neben den Altadlern auch zwei Jungvögel. Einer davon trägt links einen rot-schwarzen Ring mit einem individuellen Code: Er wurde nach Auskunft der AG Seeadlerschutz am 17. Mai 2011 beim Gut Siggen / Heringsdorf (Kr. OH / rd. 20 km südlich von Wallnau) im Nest beringt.
Rosapelikan und Co.
Dass der Vogelzug bereits wieder begonnen hat, zeigen erste Gäste im Wasservogelreservat – ebenfalls über die Webcam. So gelangen nun auch Kampfläufer, Flussuferläufer, Alpenstrandläufer und Dunkler Wasserläufer – Watvögel aus Brutgebieten im Norden – vor die Linse. Zum Glück haben die Seeadler aber nicht den Rosapelikan erwischt, der einige Tage als Irrgast und Ausnahmeerscheinung direkt vor der Kormoran-Webcam fischte und auf der Insel auch die Nacht verbrachte. Erstmals wurde er am 9. Juli 2011 beobachtet, zuletzt am 25. Juli festgestellt. Seine eigentliche Herkunft – bekannte Brutgebiete liegen u.a. im Donaudelta und in Griechenland - bleibt ungewiss, denn der riesengroße Fischfresser, ein Alttier, ist unberingt.
Große Spannung
Es steht zu erwarten, dass auch in den kommenden Wochen Seeadler zu beobachten sein werden – doch Geduld muss man schon mitbringen, denn bislang waren die Greife zu unterschiedlichen Zeitpunkten präsent. Auch weitere Vogelarten werden die Liste der Nachweise füllen, wie schon Mittelsäger, Brandgans und Silberreiher. Es bleibt also weiterhin spannend und lohnenswert, immer wieder vorbei zu schauen. Alle bisherigen Beobachtungen sind im Archiv und der Galerie abrufbar.
ILu, akt. 9. August 2011
Tatort-Krimi auf der Kormoran-Insel
NABU-Webcam: Fuchs erbeutet mehrere Jungvögel
23. Juni 2011: Der 21. Juni 2011 wird für einige Jungvögel in der Kormoran-Kolonie zu einem schicksalhaften Tag. Vormittags erreicht ein Fuchs die Niststätten dieser Vögel, in denen die Jungen nahezu flügge sind, sich aber noch in der Nähe ihrer Nester am Boden oder in mannshohen Sträuchern aufhalten. Innerhalb von zwanzig Minuten finden mindestens fünfzehn Jungvögel den Tod. Der NABU kann mit Hilfe seiner Webcam den Vorfall dokumentarisch festhalten. Eine kriminalistische Chronologie.
Schon Mitte Juni hatte sich an wenigen Tagen ein einzelner Fuchs kurzfristig auf den Weg zur Kormoran-Insel gemacht, dabei augenscheinlich aber nur wenige Jungvögel gefangen und getötet. Viele der jungen Kormorane sind zu diesem Zeitpunkt fast flügge, einige auch schon flugfähig. Die in Bodennestern aufgewachsenen Jungvögel fliehen daher kurz entschlossen vor dem Fuchs ins Wasser - wohl auch zuvor gewarnt durch die anwesenden Silbermöwen. Hier sind sie für den Fuchs unerreichbar. Die Kormorankolonie bleibt in den folgenden Stunden verwaist. Mehr als einen Jungvogel bekommt der Fuchs mit dieser Überfall-Taktik jedoch nicht zu fassen. Nach einiger Zeit rücken die Jungtiere in alter Gewohnheit wieder aus dem Wasser zurück in die Kolonie.
Strauchbrüter in Sicherheit?
Die nur wenige Tage dauernden Übergriffe des Fuchses auf die jungen Kormorane erscheinen dann schnell vergessen, zumal der Fuchs vermutlich danach nicht auf der Insel bleibt, sondern sich wieder aufs Festland zurückzieht. Die in den über mannshohen, durch den Kormorankot abgestorbenen Strauchruinen in bis zu drei Metern Höhe aufgewachsenen Jungvögel scheinen dagegen sicher, sie harren dort trotz Anwesenheit des Fuchses aus und bleiben in diesen Tagen unbehelligt - zunächst.
Am 21. Juni 2011 um 11 Uhr aber ändert sich dies: Ein Fuchs erreicht erneut die Insel und beginnt kurze Zeit später - in Ermangelung anderer Beute, die zuvor rechtzeitig fliehen konnte? - sich nun auch für die "Strauch-Kormorane" zu interessieren. Der Busch im Blickfeld der Webcam ist dabei als Niststätte zu weit von der Wasserkante entfernt, als dass die Jungvögel - im Fliegen noch ungeübt - flatternd direkt das Wasser erreichen könnten. Zunächst umstreift das größte Landraubtier Schleswig-Holsteins - unter den Augen der aufgeregt das Geschehen live per steuerbarer Webcam verfolgenden Internet-Besucher - um 11.05 Uhr den Busch, wohl um seine Chancen auszuloten.
Fuchs erklimmt Niststrauch
Dann springt er ab 11.10 Uhr plötzlich auf die unteren Nester. In Panik fliehen die ersten Kormorane - direkt in die Pfoten des Fuchses, der sie sofort tötet. Bekannt ist, dass das Raubtier in der Lage ist, Höhen von bis zu 1.50 Metern aus dem Stand zu erreichen. Andere Jungvögel klettern immer höher in die höchsten Äste hinauf. Doch auch dort sind sie nicht sicher. Denn 'Fuchs' kann ebenfalls klettern! Etappenweise geht es immer weiter von Nest zu Nest den Baum hinauf - sein Treiben wird ängstlich verfolgt von den weiter oben sitzenden Tieren, die jedoch, wenn sich der Fuchs nähert, ebenfalls in Panik abspringen. Der flatternde Sturz nutzt jedoch wenig - der Fuchs springt hinterher und ist in aller Regel der Schnellere ... Bis 11.38 Uhr geht die Jagd - dann ist der Busch leer. Noch einmal erklimmt Reineke Fuchs ruhig den Strauch - ist noch jemand da? - und überzeugt sich, dass alles 'geerntet' wurde.
Mordlust und Blutrausch?
Entgegen der vielfach verbreiteten Ansicht, dass Füchse in 'Mordlust und Blutrausch' verfallen, geht der Webcam-überführte Täter überraschend ruhig und überlegt vor. Einzeln pflückt er sich die jungen Kormorane wie reifes Obst vom Baum - nur wenige entkommen, wenn mehrere Jungvögel gleichzeitig springen, der Fuchs sich aber nur einem der Flüchtigen widmen kann. Getötete Tiere werden zunächst an einer Stelle unter dem Baum deponiert, dann aber weggeschleppt. Bekannt ist, dass Füchse bei einem Überangebot an Nahrung für schlechte Zeiten Depots anlegen können, denn auch Aas wird von ihnen nicht verschmäht! Bei einer Nachsuche wenige Tage später zeigt sich, dass bis auf zwei Jungvögel alle Tiere abtransportiert wurden. Vermutlich dienen sie Reineke zur Aufzucht der eigenen Jungen.
Kormorane haben Feinde ...
Gelegentlich wird bestritten, dass Kormorane überhaupt natürliche Feinde haben. Der NABU dokumentiert hier das Gegenteil. Aber nicht nur Füchse können Einfluss auf den Erfolg einer Kolonie nehmen. In Bäumen brütende Kormorane sind in ihren Nestern auch vor anderen Beutegreifern nicht sicher. Dokumentiert ist etwa, dass Waschbären, aber auch Seeadler den Vögeln in den Kolonien nachstellen können. Über den Einfluss von Silbermöwen und Krankheiten auf Kormorane in Wallnau hat der NABU bereits am 7. Juni 2011 hier berichtet (s. u.).
Problematisches 'Management'
Von Seiten der Fischerei und mancher Politiker wird heute gefordert, zur Bestandsreduktion in das Brutgeschehen in Kormoran- Kolonien einzugreifen. Mit ggf. fatalen Folgen: Im für Kormorane und Naturschutz besten Fall werden nur die Nester der Paare zerstört, bei denen auf Grund unterschiedlicher Faktoren sowieso kein Bruterfolg zu erwarten war.
Ist aber der erfolgreiche Teil des Brutbestandes betroffen, kann dies auf Grund fehlenden Nachwuchses binnen kurzer Zeit zum vollständigen Erlöschen der Kolonie führen. Zwar nicht als gewünschtes Ergebnis propagiert, aber trotzdem wohl nicht ungern gesehen ...
Doch wer kann beurteilen, welches die erfolgreichen Paare sein werden? Wie fügen sich solche Eingriffe in das natürliche, komplexe Geschehen ein? Ungeklärte Fragen. Ein schlichtes 'Kormoran-Management' mit Eingriffen in die Kolonien ist daher immer problematisch und wird vom NABU deshalb konsequent abgelehnt.
Forscher werden!
Der NABU wird auch weiterhin die Insel per Webcam überwachen. Wer mit Ausdauer dabei bleibt, wird sicher auch selbst interessante Beobachtungen machen können!
ILu akt. 27. Juni 2011
Hartes Leben in der Kormoran-Kolonie
NABU-Webcam: Silbermöwe, Fuchs und Krankheiten beeinflussen Bruterfolg
7. Juni 2011: Die Kormoran-Webcam brachte es an den Tag - für die schwarzen Fischfresser ist das Leben in einer Kolonie in enger Nachbarschaft zu Silbermöwen sicherlich nicht immer ein Zuckerschlecken. In den Tagen nach der Installation der Webcam konnten die NABU- Forscher beobachten, wie Silbermöwen Schritt für Schritt die besetzten Nester der noch Eier bebrütenden Kormorane plünderten - um vermutlich den steigenden Nahrungsbedarf ihrer eigenen Jungen zu decken.
Sie nutzen geschickt Brutablösungen am Nest aus, um sich ein Ei nach dem anderen überfallartig herauszuklauben - trotz der Anwesenheit der Eltern. Zuvor patrouillierten sie auffallend oft am Rande oder auch mitten in der Kolonie, um auf eine geeignete Gelegenheit zu warten. Mittlerweile sind alle Nester, die zuvor noch Eier enthielten, leer und verlassen. Der zunächst vom NABU-Team erwartete späte Nachwuchs der Kormorane ist so ausgeblieben. Zuletzt wurden auch die vier Nester direkt unter dem Kamerastativ ihres Inhalts beraubt.
Krankheitsgeschehen in der Kolonie
Bei der Beringung der 109 Jungvögel am 2. Juni machten die NABU-Mitarbeiter zudem eine weitere Entdeckung: In einer Teilkolonie in der Mitte der Insel waren alle rd. 20 Jungvögel tot - nach in Augenscheinnahme ohne erkennbare Verletzungen und daher möglicherweise auf Grund einer Krankheit verendet. Auch in der Teil-Kolonie, die von der Web-Kamera überwacht wird, fielen in den letzten Tagen verstärkt einige tote Jungvögel auf, derer sich die Silbermöwen annahmen und damit ihrer Funktion als schnelle Beseitiger von Aas gerecht wurden. Als eigentliche Ursache für den Tod der Jungvögel sind Aggressionen der Möwen jedoch unwahrscheinlich, da die jungen Kormorane mittlerweile zu groß sind und sich gegen Attacken der Möwen zur Wehr setzen können.
Frühbrüter im Vorteil
Die Beobachtungen macht erklärlich, warum es für Vögel vorteilhaft ist, früh im Jahr zu brüten, noch bevor sich potentielle Fressfeinde auf die neue Nahrungsquelle eingestellt haben. Allgemein bekannt ist, dass Frühbrüter einen deutlich höheren Bruterfolg haben als späte Paare, und dass im Zentrum einer Kolonie es sicherer ist, zu brüten, als an der Peripherie. Es sind im allgemeinen vor allem alte Paare, die ersteres bevorzugen.
Silbermöwen sind in der Zeit der Bebrütung ihrer eigenen Gelege und der Betreuung kleiner Jungvögel zunächst viel stärker an ihre Nester gebunden, als wenn sie den Nahrungsbedarf größerer Jungvögel decken müssen und dann auf Beute aus sind.
Deutlich wird auch, dass allgemeine Bestandsangaben über Koloniegrößen wenig darüber aussagen, wie viele Jungvögel hier in der Folge groß werden. Trotz der Verluste an Jungvögeln dürfte aber der Bestand der Kolonie kaum gefährdet sein, da trotz Prädation und Krankheiten immer noch eine größere Zahl an Jungvögeln die Flugfähigkeit erreichen dürfte.
In diesem Jahr konnte das Team zudem feststellen, dass ein Fuchs Mitte Juni die Kolonie erreichte. An mehreren Tagen gelang es ihm, einzelne Jungvögel zu erbeuten. Der größte Teil war aber zu diesem Zeitpunkt fast flugfähig – und konnte vor dem Beutegreifer immer wieder aus der Kolonie ins Wasser fliehen. So wurden insgesamt nur wenige Tiere getötet. Stärker traf es da dann schon die jungen Silbermöwen …
Problematisches 'Management'
Problematisch wird es aber, wenn - wie von Seiten der Fischerei und mancher Politiker gefordert - von außen in die Kolonie eingegriffen wird: Im für die Kormorane und den Naturschutz besten Fall werden nur die Nester zerstört, bei denen auf Grund unterschiedlicher Faktoren sowieso kein Bruterfolg zu erwarten war. Wird aber Einfluss auf den erfolgreichen Teil des Brutbestandes genommen, kann dies auf Grund fehlenden Nachwuchses binnen kurzer Zeit zum Erlöschen der Kolonie führen. Die Verhältnisse in einer Brutkolonie gestalten sich also sehr komplex. Ein schlichtes 'Kormoran-Management' mit Nesteingriffen ist daher immer problematisch und wird vom NABU deshalb abgelehnt.
ILu, akt. 18. Juni 2011
Kormoran-Webcam nimmt Betrieb wieder auf
Nach einer Reihe von Problemen sind Wallnaus Kormorane wieder online
20. Mai 2011: Mit der Lösung einer Reihe von technischen und logistischen Problemen ist es nun gelungen, die Kormoran-Webcam im NABU-Wasservogelreservat Wallnau wieder in Betrieb zu nehmen. Am Abend des 20. Mai 2011 konnte zunächst das NABU-Team bei bestem Wetter die Kamera erneut am alten Standort positionieren. Nach einigen technischen Nacharbeiten liefert die Kamera nun stabile Bilder. In den nächsten Tagen soll noch einmal die Bildqualität weiter verbessert werden. Dann kann die neue SDSL-Leitung noch mehr Daten ins Netz liefern. Der NABU verband die übliche Zählung der Nester zur Bestandsermittlung der Brutvögel auf der Insel im Wasservogelreservat mit den Installationsarbeiten der Kamera, um die Störung des Brutgeschehens in der Kolonie so gering wie möglich zu halten.
Auffallend bei der Ankunft der NABU-Aktiven auf der Insel: Die Kormorane sind trotz des strengen Winters teilweise im Brutgeschäft gut vorangekommen. Die ersten zehn Jungvögel waren bereits im markierungsfähigen Alter und wurden anlässlich des Besuches des NABU-Teams mit einem Ring der Vogelwarte Helgoland versehen, um Wissenswertes über ihren weiteren Lebensweg zu erfahren. In anderen Nestern, insbesondere am Rande der rd. 90 Paare großen Teilkolonie, fanden sich aber noch Gelege. So wird sich in diesem Jahr die Brutsaison sicher länger hinziehen und genügend Gelegenheit bieten, attraktive Bilder aus der Zeit der Brut und Jungenaufzucht per livestream ins Internet einzuspeisen. Insgesamt brüten derzeit 185 Paare der zu unrecht verfolgten Art im Schutzgebiet. Daneben fanden sich bei der Kontrolle auf der Insel Nester von Grau- und Kanadagans, Säbelschnäbler, Stock-, Schnatter- und Tafelente sowie mehrere Silbermöwengelege.
Auch sonst hat sich einiges auf der Insel seit dem letzten Besuch im Winter getan: Vier Kormoran-Paare haben sich das Kamerastativ als neuen Brutplatz auserkoren - als Technik scheu kann man Kormorane daher sicher nicht bezeichnen. Selbst die große Metallkiste, in der Batterien und Reglertechnik untergebracht sind, wird nun von einem Paar als Brutplatz genutzt. Die im letzten Jahr rund um die Kolonie platzierten Pfähle werden - wie beabsichtigt - derzeit gerne als Rastplätze angenommen. Sie erlauben es, bei Kormoranen angebrachte Fußringe besser abzulesen. Gleich am ersten Tag gelang so mit Hilfe der Kamera der Nachweis eines Tieres, das im Vorjahr 2010 als Jungvogel in der Kolonie beringt worden war. Junge Kormorane kehren also teilweise schon als nicht geschlechtsreife Vögel an ihren Geburtsort zurück. Belegt ist allerdings auch das Umsiedeln in andere Kolonien. Einige der alten, beringt beobachteten Kormorane scheinen nach Teilablesungen ebenfalls in Wallnau geschüpft zu sein.
Ringfunde aufgearbeitet
In den vergangenen Monaten sind weitere Ringfunde von in Wallnau markierten Tieren beim NABU eingegangen. Auf einer gesonderten Internetseite werden die Funde aus der näheren und weiteren Umgebung - einschließlich von Nachweisen aus Spanien, Frankreich und der Schweiz - aktuell aufgelistet und in einer Karte dargestellt.
Der NABU wird nunmehr regelmäßig im Internet über die Geschehnisse auf der Insel berichten. Es ist dabei beabsichtigt, sofern genügend Solarenergie zur Verfügung steht, die Kamera ganzjährig laufen zu lassen.
ILu 25. Mai 2011