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Jetzt Mitglied werden!Verstörende Jagdpraxis
Töten von ausgesetzten Enten und Fasanen
In einem Landschaftsschutzgebiet begann 2014 der Verkauf von Waldbeständen, Wiesen und einer großen Anzahl von Teichen. Die neue Eigentümerin richtete künstliche, nicht genehmigte Teiche ein, brach Wiesen um und schuf ein langes, weit verzweigtes Rohrleitungssystem, das die Teiche mit Wasser versorgt. Ziel war es, ein Angebot für derartige Jagdgäste zu schaffen, die auf einfache Weise halbzahme, an Futterstellen gewöhnte Enten und Fasane schießen wollten.
Als 2016 zum ersten Mal für eine halbe Stunde das ununterbrochene Schießen in beiden Dörfern in einer Entfernung von je einem Kilometer vernommen wurde, dachten noch viele an eine große Wildschweinjagd. Doch schon damals starben Enten, die ausschließlich für jenes Schießen angelockt worden waren.
Am 26. September 2018 wurden die Bewohner von Gokels am späten Vormittag erneut von einem 40minütigen Knallen von Jagdwaffen aufgeschreckt. Weder Spaziergänger, noch Radfahrer wagten sich in der Folge in das Gebiet - aus Angst vor Querschlägern und anderen Unwägbarkeiten. Ein Anwohner schoss Bilder eines „Leiterwagens“, auf dem wohl hundert getötete Enten hingen. Daraufhin versammelten sich drei Tage später ca. 20 Gegner einer solch abstoßenden Form der Jagd, um die Möglichkeiten des Einschreitens zu diskutieren. In der Landeszeitung vom 1. Oktober 2018 erschien der Artikel “Entenjagd schreckt Anwohner auf“, in dem sich die Gruppe einig darin war, alle gangbaren Wege zu beschreiten, um die Rechtswidrigkeit des gesamten Treibens prüfen zu lassen.
Schon am 2. Oktober 2016 hatten einige Anwohner sowohl der unteren Naturschutzbehörde in Rendsburg, sowie der Redaktion der sh:z, als auch dem Deutschen Tierschutzbund geschrieben: „Ca. 150 m Luftlinie ist eine private Jagd neu verkauft worden. Nun wurden vor drei bis vier Wochen ca. 200 bis 300 Wildenten in der eingezäunten Teichanlage innerhalb des Jagdgebietes ausgesetzt und gefüttert, damit sie am Standort bleiben. Am 29. September 2016 wurden sie durch mehrere Jäger salvenartig in mehreren Etappen abgeschossen, meiner Meinung nach ermordet. Dies hat nichts mit normaler Jagd zu tun, sondern nur mit der Befriedigung einiger gelangweilter Menschen. Ist so etwas erlaubt und entspricht es dem Jagdgesetz?“
Am 1. Oktober 2016 schrieb eine weitere Anwohnerin an die Redaktion: „Am Donnerstag, den 29. September 2016 nachmittags wurde in der Gemarkung Gokels-Grenzweg auf hunderte Enten geschossen. Am Grenzweg befinden sich Teiche. … Die Enten wurden außerdem angefüttert, um sie an den Teichen zu halten. Jetzt wurden sie aus Lust am Schießen einfach abgeschossen. Es war in Abständen eine stundenlange Schießerei. Bei mir wurden Erinnerungen an die erlebte Kriegszeit wieder lebendig. Es war kaum auszuhalten. Mein Sohn fuhr zum Grenzweg und konnte sich ein Bild von der Schießerei und dem Ententöten machen. … Diese Art der Jagd steht doch in keinem Zusammenhang zum Tierschutz und ist so eine Jagd überhaupt erlaubt?“
Verstoß gegen Jagdrecht
In ihrer Antwort bestätigt die untere Jagdbehörde einen Verstoß gegen das Schleswig-Holsteinische Jagdgesetz und forderte einen Beschwerdeschreiber auf, die Polizei einzuschalten und Namen der Jäger zu ermitteln. Erst dann werde es ein Einschreiten geben. Wie heute klar ist, geben beteiligte Jäger jedoch freiwillig niemals ihre Identität preis. Die Polizei, die nach einem Anruf während eines Schießens im November 2018 vor Ort war, erklärte, keine Handhabe für ein Einschreiten zu haben. Stattdessen sollten die Anwohner sich an die untere Jagdbehörde wenden. Ob es damals eine Anhörung gegeben hat, ist dem Anwohnerehepaar unbekannt.
Nach dem Zeitungsartikel erschien von dem Hademarscher Jäger Lars-Ole Eichelberg am 3. Oktober 2018 der Leserbrief „Wo bleibt der Respekt?“, der das barbarische Jagdgebaren verurteilte und die Auffassung vieler Gokeler Bürger und Jäger teilte, dass kein waidgerechtes Verhalten vorgelegen hat. Mitte Oktober kam es zu einem Gespräch mit der Eigentümerin, Vertretern der unteren Jagdbehörde und den Anwohnern. Es wurde zwar zugesagt, dass mit Weizen gefüllte Futterkästen direkt an den Teichen abgebaut würden. Doch die Zusage erwies sich als Farce: Die Kästen wurden lediglich versetzt, so dass sie nicht mehr direkt von einem angrenzenden Weg einzusehen waren. Ferner wurde das gesetzeswidrige Füttern mit Hilfe der Kästen nach kurzer Zeit direkt am Wasser wieder aufgenommen. Das Gesprächs-Ergebnis war also mehr als dürftig. Der eigentliche Zweck der Zusammenkunft bestand offenbar darin, herauszufinden, mit welcher Personengruppe es die Eigentümerin zu tun hatte. Nur kurze Zeit später fand das nächste Schießen statt. Mehrere Anwohner beobachteten und erlebten vor Ort ein unwürdiges Gemetzel an Enten. Vögel, die es schafften, den ersten Gewehrsalven zu entkommen, kehrten nach einer Flugrunde zum Ort ihrer Futterstelle zurück. Das war das endgültige Ende der Vögel, jedoch in vielen Fällen noch nicht ihr Tod. Angeschossene, noch lebende Enten wurden von Hunden aus den Teichen geholt, um anschließend auch durch die Hand der Eigentümerin durch Umdrehen des Halses zu sterben. Bei einem anschließenden Gang um die Teiche wurden bleihaltige Schrotpatronen des Typs SAGA HIGH SPEED 36 3,0 mm und ROTTWEIL SPEZIAL 36 3,0 mm gefunden, deren Einsatz nach dem Landesjagdgesetz verboten ist. Vor Ort zählten Anwohner im Zeitraum Oktober 2018 bis November 2018 insgesamt zwölf Schießaktionen, in einem Zeitraum von bis zu 40 Minuten. Fotos und Videoaufnahmen mit unzähligen Gewehrsalven im Hintergrund belegen beklemmend ein unwürdiges und mit dem Tierschutz nicht vereinbares Verhalten.
Sollte es aus dem Jahr 2016 Auflagen bezüglich der Futterstellen direkt an den Teichen gegeben haben, so hat die Eigentümerin 2018 erneut dagegen verstoßen.
Politik und Jagdpraxis
Nach der Kontaktaufnahme zu den umweltpolitischen Sprechern von CDU und Grünen im Kieler Landtag antwortete die Vertreterin der Grünen, Frau Fritzen, mit Ratschlägen und Tipps für ein weiteres Vorgehen. Der Vertreter der CDU hingegen ließ sich zu keiner Stellungnahme bewegen. Zahlreiche Telefongespräche mit zwei Jagdgegnern aus Niedersachen und dem Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde ließen die Erkenntnis wachsen, dass den Anwohnern ein langer Weg bevorstand.
Wasserproben mit Krankheitserregern
Eigens veranlasste Wasserproben wiesen nach, dass mehrere Teiche stark mit Krankheitserregern belastet waren. Dr. Th. Warscheid, Lehrbeauftragter für Mikrobiologie an der TU München und FH Erfurt, wies nach, dass „eine beträchtliche Belastung der betreffenden Gewässer mit fäkalen Verunreinigungen bzw. Fäkalbakterien vorliegt.“ Weiter heißt es: „Eine erneute Überprüfung und abschließende Bewertung der mikrobiell-hygienischen Situation in dem betreffenden Landschaftsschutzgebiet durch die zuständigen Behörden des Landes Schleswig-Holstein erscheint dringend geboten.“ Die Ergebnisse der Wasseruntersuchung vom 28. November 2018 wurden mit Postbrief am 13. Januar 2019 an die untere Naturschutzbehörde des Kreises Rendsburg-Eckernförde geschickt. Von einer weiteren Wasserprobenuntersuchung ist allerdings nichts bekannt.
Eine Tierschützerin aus Niedersachen, die um Hilfe gebeten wurde, gab wertvolle Hinweise zum weiteren Vorgehen. Sie erstellte nach der Ortsbegehung zusammen mit den Gegnern der Entenjagd einen umfangreichen Fragenkatalog, der von der Fraktion ‚Die Linke‘ in den Umweltausschuss des Kreistages des Kreises Rendsburg-Eckernförde eingebracht wurde. Nach der Beantwortung der Fragen wurde deutlich, dass hier gegen mehrere Bestimmungen des Landesjagdgesetzes sowie der Landschaftsschutzgebietsverordnung verstoßen wurde.
Vor Ort werden die Gegner der Entenjagd zukünftig sehr genau aufpassen, ob Gesetze und Auflagen nun eingehalten werden. Sollten in Schleswig-Holstein ähnliche Ereignisse bekannt sein, würden wir eine Kontaktaufnahme sehr begrüßen.
Klaus Saß, 7. Juni 2019