Panikmache auf breiter Front
Irrationale Debatte um das Jakobskreuzkraut
Jedes Jahr im Juli, wenn seine leuchtend gelben Blüten manche Brachen, Straßenränder und Extensivweiden prägen, ist die Aufregung über seine angebliche Gefährlichkeit groß. Dabei sind gemessen an der seit Jahrzehnten hohen Zahl an Weidetieren, die auf auch mit Jakobskreuzkraut bestandenen Flächen gehalten wurden und werden, selbst die Verdachtsfälle einer Vergiftung mit in der Pflanze enthaltenen Pyrrolizidinalkaloiden (PA) verschwindend gering. Gesicherte toxikologische Nachweise von Pferd, Rind oder Schaf liegen derzeit für Schleswig-Holstein nicht vor. Auch Menschen sind durch angeblich verseuchten Honig nicht zu Schaden gekommen.
Bereits 2008 hat der NABU über das Jakobskreuzkraut berichtet (Betrifft: NATUR 4 / 2008). Doch es erscheint an der Zeit, neue Fakten nachzulegen und über den derzeitigen Stand der zunehmend irrationalen Kontroverse mit ihrer erheblichen politischen Komponente zu berichten.
Biologische Vielfalt rund ums Jakobskreuzkraut - alles für den Mulcher?
Die Fakten
Unbestritten ist Jakobskreuzkraut giftig und kann, in größeren Mengen gefressen, auch zum Tod führen. Dabei ist die Empfindlichkeit von Pferden am höchsten, von Schafen und Ziegen am geringsten. Doch Weidetiere verschmähen das Kreuzkraut weitgehend. Wer selbst einmal ein Blatt der Pflanze durchkaut, versteht den Grund: Die enthaltenen Bitterstoffe schmecken abscheulich. Insgesamt gibt es in Mitteleuropa aber etwa 50 giftige Pflanzenfamilien mit zahlreichen Vertretern, die allgemein Mensch und Tier in unterschiedlichem Maße mit ihren Inhaltsstoffen beeinträchtigen können. Auf Weideflächen können neben dem Kreuzkraut noch Gefleckter Schierling und Taumel-Kälberkropf als Gifte tragende Pflanzen auftreten, zudem ggf. Schachtelhalme. Das Vorhandensein von Giftstoffen ist also im Pflanzen- wie auch Tierreich allgemein nicht ungewöhlich. Die jeweilige Reaktion eines Organismus auf giftige Substanzen hängt dabei immer von der Menge des Giftstoffes, der Konstitution des Individuums und teilweise auch von seiner genetischen Veranlagung ab. Allgemein warnen Pflanzen und Tiere jedoch öfter durch auffällige Färbung oder unangenehmen Geschmack vor den vor allem zur Fraßvermeidung eingesetzten giftigen Substanzen.
Vor gut 20 Jahren, als die rasante Ausbreitung des Jakobskreuzkrautes begann, hat sich kaum ein Nutztierhalter dafür interessiert. Als sich Mitte der 1990er Jahre etwa auf einer Extensivweide der Marius-Böger-Stiftung im Kreis Plön einer der ersten Dominanzbestände einstellte, hat sich der Rinderhalter über das kontrastreiche Bild - schwarze Galloways im gelben Blütenmeer - sogar gefreut. Weder damals, noch in späteren Jahren, kam es bei ihm oder seinem Nachfolger zu Schadensfällen. Auch bei der Stiftung Naturschutz oder dem Weideverband Bunde Wischen, die über mehrere Tausend Hektar Extensivweiden verfügen, gehören potentielle Vergiftungsfälle durch Jakobskreuzkraut bis heute zu den absoluten Ausnahmefällen. So schien sich zumindest bei den Landwirten die Empörung über das gelbe Kraut und "die Naturschützer, die damit das Land verderben" zwischenzeitlich wieder gelegt zu haben.
Wertvolle Pflanzenart
Hohe ökologische Bedeutung
In Schleswig-Holstein sind u.a. vier Flohkäferarten der Gattung Longitarsus am Jacobskreuzkraut nachgewiesen. L. jacobaeae ist allerorten anzutreffen, L. suturellus nur an besonderen Stellen wie lehmigen Hängen. Letztere Art ist nicht ausschließlich an Jacobskreuzkraut gebunden; deshalb taucht sie auch nicht in der Roten Liste Schleswig-Holsteins auf. An wärmebegünstigten Stellen kommen L. gracilis (sehr selten, Rote Liste 3, auch an anderen Pflanzenarten auftretend) und L. dorsalis (extrem selten, Rote Liste R) vor. Wenn Jacobskreuzkraut tatsächlich radikal bekämpft werden sollte, fehlen die für die Verbreitung der Arten wichtigen "Trittsteine" zwischen den von diesen Arten genutzten Sonderstandorten, falls diese nicht gar selbst betroffen sind.
Aktionismus mit ungewollten Konsequenzen
Bürgerinnen und Bürger werden offensichtlich durch die Berichterstattung in den Medien zu Aktionen animiert, bei denen wahrscheinlich wie in Haffkrug an der Ostsee nicht das Jakobskreuzkraut, sondern andere, ähnliche Pflanzenarten in einem gesetzlich geschützten Biotop säckeweise ausgerissen wurden ('Haffkrug – Kreuzkraut-Pflücken in den Urlaubsorten' - LN v. 15. Juni 2015). Senecio vernalis als nach den veröffentlichten Photos wahrscheinliches Opfer der dortigen Aktion ist eine wichtige Pflanze für Blüten besuchende Insekten. In den Nordseedünen wird die Pflanze von dem hochgradig gefährdeten Käfer Psilothrix cyaneus (viridicoeruleus) angeflogen. Dieses Beispiel zeigt, dass schwer wiegende ökologische Schäden in der Natur heraufbeschworen werden, wenn zur Treibjagd auf das Jakobskreuzkraut aufgerufen und ohne Sachverstand in die Natur eingegriffen wird.
Alle Angaben: R. Suikat, Preetz
Gift im Honig?
Bis ein paar Imker Alarm schlugen, ihr Honig würde durch den Nektar vergiftet. Diese Meldung elektrisierte Medien und Politik - schließlich ging es um ein als Inbegriff von Gesundheit und Naturreinheit geltendes Nahrungsmittel. Bei einer aktuellen Analyse von 126 Honigproben aus verschiedenen Gebieten Schleswig-Holsteins lagen allerdings nur sieben Proben, d.h. 6 %, über dem vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlenen PA-Grenzwert von 140 Mikrogramm pro kg Honig. Einen behördlich festgesetzten und damit rechtsverbindlichen Grenzwert für PA gibt es jedoch bislang weder auf nationaler noch internationaler Ebene. 53 % der Proben befanden sich meist deutlich unter dem Empfehlungswert, bei weiteren 41 % war ein PA-Nachweis technisch sogar nicht möglich. Selbst bei einer weiteren Untersuchungsreihe, gezielt mit Honig aus Gegenden mit besonders reichen Jakobskreuzkraut-Beständen, lagen die Ergebnisse zu 85 % unterhalb des Empfehlungswertes. Beide Reihen griffen ausschließlich auf Honig der Sommertracht zu, um die Blütezeit des Jakobskreuzkraut mit einzubeziehen. Eine deutlich stärkere PA-Belastung kann sich nach Mitteilung des Bundeslandwirtschaftsministeriums allerdings durch die Beimischung von Rohhonig aus Amerika oder Asien ergeben, mit dem der im Discounter erhältliche Honig aufbereitet wird. Einen Anlass zur Bekämpfung des Jakobskreuzkrauts sieht das Ministerium übrigens bis heute nicht.
Viele Imker haben inzwischen verstanden, dass sie sich ihren Honigmarkt mit der Diskussion um die angebliche PA-Belastung selbst ruinieren. Zumal die Verbraucher über kurz oder lang berechtigterweise die Frage nach anderen gesundheitsgefährdenden Verbindungen im Honig, wie die aus der Landwirtschaft stammenden Pestizide, stellen könnten. So versuchen auch Funktionäre des Imkerverbandes, die Debatte schon aus eigenem Interesse heraus wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
In der Tat wirkt die Aufregung um PA-Gehalte im Honig künstlich aufgebauscht: Jakobskreuzkraut ist bei Bienen nicht sonderlich beliebt. Es wird zwar gerne von Weichkäfern, Fliegen, Schwebfliegen und Faltern diverser Arten angeflogen, von Bienen aber hauptsächlich dann besucht, wenn dazu keine Alternativen bestehen. Da sich für Bienen attraktive Blüten in unserer Agrarlandschaft über den Sommer immer weniger zeigen, müssen sie sich aber mit einer Nektarquelle 'zweiter Wahl' begnügen, zumal ihnen die knallgelben Massenbestände des Jakobskreuzkrautes aus der Ferne reichlich Honig signalisieren. Mitte Juli, wenn des Jakobskreuzkraut in voller Blüte steht, geht für den Imker die Zeit der Honigernte eigentlich zu Ende. So raten Imker, den Honig vor der Jakobskreuzkrautblütezeit abzuschleudern - und den Rest der Sommertracht den Bienen selbst zu überlassen. Für Bienen und ihre Larven sind die PA-Gehalte in Nektar und Pollen des Jakobskreuzkrautes unproblematisch. Im übrigen gilt: Wer auf den Sommerhonig nicht verzichten will, sollte seine Bienenstöcke nicht gerade in die Nähe eines Jakobskreuzkraut-Dominanzbestandes stellen.
Pflanze mit interessantem Populationszyklus
Das Jakobskreuzkraut Senecio jacobaea, auch als Jakobsgreiskraut bezeichnet, ist in der Regel zweijährig, d.h. nach der Blüte im zweiten Lebensjahr stirbt die Pflanze ab. Wie viele seiner Verwandten aus der Familie der Korbblütler produziert sie Tausende von Samen. Mit Hilfe eines Schirms aus feinen Haaren lassen sie sich vom Wind verdriften. Zum Keimen benötigen sie offene Bodenstellen - die lichtbedürftigen Jungpflanzen vertragen kein Überwachsen durch andere Pflanzen. Günstige Standorte sind Brachen, Straßenrandböschungen, Bahndämme und oft auch Extensivweiden, vor allem dann, wenn sie auf sandigeren Böden fußen und damit die Vegetationsdecke längere Zeit schütter bleibt. Besonders geeignet für eine Ansiedlung sind überbesetzte Pferdekoppeln, auf denen die Tiere die Grasnarbe durch Verbiss und Vertritt stark geschädigt haben. Auf herkömmlich gepflegten Viehweiden hat das Jakobskreuzkraut jedoch kaum Entwicklungschancen.
Historisches
Das Jakobskreuzkraut ist nicht etwa aus fernen Breiten eingeschleppt, sondern gehört zur ursprünglich heimischen Flora. Die 'Neue kritische Flora von Schleswig-Holstein' bezeichnet 1953 die Pflanze als 'verbreitet, doch keineswegs allgemein", in der 'Flora der Provinz Schleswig-Holstein' findet sich 1903 der Hinweis, dass die Pflanze auf 'Wiesen und Wegrändern gemein' vorkommt, in der 'Flora der Provinz Schleswig-Holstein, des Fürstentums Lübeck ... ' findet sich 1887 die Angabe, dass die Art sogar 'sehr häufig' sei. Für seine in den 1990er Jahren einsetzende, erneute rapide Verbreitung über ganz Schleswig-Holstein mit stellenweise sehr hohen Bestandsdichten konnte noch keine schlüssige Erklärung gefunden werden. Man geht aber davon aus, dass es auch zu früheren Zeiten Massenverbreitungen gab, wie es die obige Zeitreihe andeutet. So ist auch für England ein vergleichbarer Verbreitungshöhepunkt aus den 1950er Jahren bekannt. Danach brach der Bestand fast vollständig zusammen, um in den 1980er / 1990er Jahren erneut aufzuflammen.
Ursache unbekannt
Eine Vermutung zum Grund dieses eigenartigen Populationszyklus geht dahin, dass das Jakobskreuzkraut mit dieser zeitlich weit gespannten Häufigkeitsamplitude seinen Fressfeinden 'ein Schnippchen schlägt'. So war der Blutbär, ein Schmetterling, dessen Raupen Jakobskreuzkrautbestände massiv schädigen können, infolge des jahrzehntelangen weitgehenden Fehlens seiner Nahrungspflanze fast ausgestorben. Erst nach der neuerlichen Ausbreitung des Jakobskreuzkrautes ist er wieder häufig anzutreffen. Das mag auch für weitere spezialisierte Gegenspieler gelten, die mit dieser merkwürdigen Ausbreitungsperiodik ebenfalls ausgetrickst würden. Sollte sich dies bewahrheiten, wäre die Strategie ein höchst interessanter Fall von evolutionärer Anpassung. Danach ist es aber wahrscheinlich, dass die Pflanze wieder von selbst deutlich zurückgehen wird. Auch der starke, 30 bis 45-jährige Wechsel des extremen Massen-Auftretens von Maikäfern wird von Biologen u. a. mit Feindvermeidung begründet.
Giftigkeit
Das Jakobskreuzkraut enthält - wie die anderen Vertreter der Kreuzkraut-Gattung und etliche weitere Pflanzenarten - Pyrrolizidinalkaloide (PA). Nach dem Fressen der Pflanze werden diese in der Leber zu Pyrrolen abgebaut. Das sind die eigentlichen Giftstoffe, welche die Leber schädigen (Weitere Infos zu PAs beim -> Bundesamt für Risikoforschung und bei -> Wikipedia). Den Pflanzenfressern wird die Giftigkeit jedoch durch Bitterstoffe signalisiert, so dass das Jakobskreuzkraut konsequent gemieden wird. Allerdings verlieren abgestorbene Pflanzenteile den bitteren Geschmack, nicht aber die PA. Deshalb wird Jakobskreuzkraut erst dann gefährlich, wenn es in Heu oder Silage enthalten ist - oder aber nach der Mahd auf der Viehweide liegen bleibt. Möglicherweise gehen einige Vergiftungsfälle bei Rindern auf Bekämpfungsmaßnahmen zurück, bei denen nach dem Schnitt die dann abtrocknenden Reste von JKK auf der Fläche verblieben.
Profiteur
Der Blutbär als Fressfeind kommt unbeschadet davon. Er profitiert sogar von der Giftigkeit seiner Futterpflanze, indem er die PA in hoher Konzentration speichert und damit für Vögel einen höchst ungenießbaren Happen bildet. Doch wer gar nicht erst gefressen werden will, warnt seine Feinde: Die Raupe ist schwarz-gelborange geringelt, der Falter signalisiert seine Toxizität mit kontrastreicher schwarz-roter Färbung.
Blick hinter die Kulisse
Vom Medien-Hype um den Honig inspiriert, sind der Bauernverband und seine politische Lobby auf den Zug aufgesprungen. Öffentlichkeitswirksam fordern sie Maßnahmen zur Bekämpfung bis hin zur Ausrottung der gelben Pflanze. Dabei sind die wenigsten Landwirte selbst betroffen: Mit den in der konventionellen Landwirtschaft üblichen Mitteln der Grünlandbewirtschaftung hat das Jakobskreuzkraut auf herkömmlich genutzten Dauerweiden und Mähwiesen keine Chance. Den Bauernverband ficht das aber nicht an. Er weiß, dass er mit seiner Kampagne den Naturschutz, hier insbesondere die Stiftung Naturschutz, vermeintlich in die Ecke drängen kann: In vielen halboffenen Weidelandschaften gedeiht das Jakobskreuzkraut prächtig, insbesondere dann, wenn sich das Weideland aus aufgelassenen Äckern entwickelt hat und damit zeitweilig eine schüttere Vegetationsdecke aufweist. In Naturschutzkreisen bestreitet das niemand - wozu auch? Schließlich ist das Jakobskreuzkraut in unserer an Blüten immer ärmer werdenden Landschaft ein wertvoller Beitrag zur Biodiversität. Der Bauernverband sieht in der Stiftung und anderen naturschutzbezogenen Landeigentümern jedoch nicht etwa Organisationen, die seine eigenen Defizite im Umgang mit der Natur zumindest etwas wettzumachen versuchen, sondern schlicht Konkurrenten um die knapp gewordene Ressource Land. Nicht ohne solche Hintergedanken spricht der Bauernverband der extensiven, naturschutzorientierten Weidenutzung den Status einer ordnungsgemäßen Landwirtschaft ab. Da kommt ihm das Jakobskreuzkraut als vorgebliches 'Zeichen der Verlodderung' und 'Unmöglichkeit des Managements solcher Flächen durch den Naturschutz' gerade recht.
Dem hintersinnigen Drängen nach intensiver Bekämpfung des Jakobskreuzkrautes hat sich Umweltminister Habeck gebeugt. So wird die Stiftung Naturschutz vom Ministerium zum großflächigem Mähen bzw. Mulchen gedrängt. Wurden bereits 2014 über 500 ha an mit Jakobskreuzkraut bestandenen Weiden gemäht, sollen es in 2015 etwa 1.000 ha werden - eine riesige, wertvolle Grünland-Fläche, auf der die Biodiversität den Zielen der Stiftung Naturschutz zuwiderlaufend erheblich geschädigt werden wird: Die Mahd beseitigt höhere Strukturelemente wie Hochstauden und aufkommende Gehölze. Das Mulchen, bei dem das Schnittgut fein zerhäckselt wird, tötet die an den Pflanzen sitzenden Tiere. Die mit einer halboffenen Weidelandschaft verbundenen Entwicklungsziele - ein Mosaik aus hohen und niedrigen Vegetationsbereichen und damit eine Vielfalt an Lebensräumen für Tiere und Pflanzen - werden mit derartigen Eingriffen ad absurdum geführt.
Kleine Tiere - große Wirkung - maximaler Schaden
Bekämpfung weitgehend sinnlos
Wie alle Experten wissen, sind solche Maßnahmen sinnlos: Wird die Pflanze vor ihrer Blüte gemäht, wird ihr späteres Absterben unterbunden. Entweder schiebt sie im selben Jahr einen neuen, kleineren Blütenstand nach, oder sie überdauert ein weiteres, drittes Jahr, um dann zur Blüte zu gelangen. Durch alljährliche Mahd kann das eigentlich zweijährige Jakobskreuzkraut also zur ausdauernden Staude werden, wenn der übliche Absterbeprozess nach der Samenbildung unterbrochen wird. Die deshalb gegebene Empfehlung, erst gegen Ende der Blütezeit zu mähen, hilft so auch nicht weiter. Abgemähte Blütenköpfe entwickeln ihre Samen über eine Notreife.
Dementsprechend sind auch die an das Straßenbauamt sowie die Landesforsten ergangenen Aufforderungen, Jakobskreuzkraut an Straßenrändern bzw. auf Aufforstungsflächen zu mähen, unsinnig. Und wer für derartige Bereiche oder sogar für Naturschutzflächen einen flächenhaften Einsatz von Herbiziden erwägt, sollte außer den fatalen Auswirkungen auf die Flora und Fauna bedenken, dass die Keimfähigkeit der Samen vermutlich trotzdem über viele Jahre erhalten bleibt.
Nachweis von PA
Die Stiftung Naturschutz hat umfangreich Honig und Fleisch untersuchen lassen - -> mit zumeist negativen Ergebnissen (externer link). Diese Untersuchungen werden von interessierter Seite immer wieder angegriffen. Im Folgenden stellt der NABU Antworten zu den wichtigsten Fragen dar:
Es gibt keine standardisierten Verfahren zur Bestimmung von PA-Gehalten
Entgegen der Behauptung gibt es standardisierte Analyseverfahren für PAs in verschiedenen Lebensmitteln, auch und insbesondere für Honig: BfR (2013): Bestimmung von Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Honig mittels SPE-LC-MS/MS- -> Prüfvorschrift BfR-PA-Honig-1.0/2013 (externer pdf-download). Mit diesem vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) entwickelten Verfahren untersuchen die von der Stiftung Naturschutz beauftragten Labore die Honige. Die Labore (Intertek bzw. QSI) sind für diese Art der Untersuchung akkreditiert und führen PA-Analysen seit Jahren für den Deutschen Honighandel (also große kommerziellen Unternehmen) durch.
Die Analytik liefert widersprüchliche Ergebnisse
Dass ein und dieselbe Honigprobe unterschiedliche Ergebnisse liefern kann (wie es beobachtet wurde), liegt in der Natur der Sache: Zum einen wird ein Teil der PAs (nämlich der, der in oxidierter Form, also als N-Oxid oder "PANO" vorliegt) binnen weniger Wochen vollständig zu etwas abgebaut, das durch die Standardanalytik bislang nicht erfaßt wird. Läßt man also einen Honig nach einigen Wochen ein zweites Mal beproben, erhält man in aller Regel deutlich niedrigere Werte, da die PANOs einen erheblichen Anteil am Gesamt-PA-Gehalt haben können. Diesem Phänomen wird seitens der Stiftung Naturschutz weiter nachgegangen.
Zum anderen ist es in der Spurenanalytik nicht ungewöhnlich, dass die Messwerte unterschiedlicher Labore voneinander abweichen: Bei Gehalten, die nur knapp oberhalb der Bestimmungsgrenze liegen, sind die Messunsicherheiten eben relativ groß. Die bei den Honiguntersuchungen beobachteten Unterschiede lagen jedoch in einem akzeptablen Rahmen, von widersprüchlichen Ergebnissen kann also nicht die Rede sein. Das gilt jedoch sowohl für Pestizidrückstände oder Dioxine wie auch für PAs.
Erhebliche Kollateralschäden beim Mulchen und Umbrechen
Erheblich sind die Schäden für die Natur beim nun beabsichtigten Mulchen und Umbrechen von Naturschutzflächen mit Jakobskreuzkraut. Dabei wird nicht nur massiv in die natürliche Entwicklung eingegriffen und Myriaden von Wirbellosen getötet. In manchen Fällen wird auch eine über Jahrzehnte etwa durch Wiesenameisen entstandene natürliche Struktur zerstört sowie Nester von Bodenbrütern wie Braunkehlchen, Wachtel oder Dorngrasmücken beseitigt. Auch Rehe nutzen Bracheflächen oder extensiv genutzte Wiesen und Weiden, um für ihre Kitze Deckung zu finden.
Das bislang einzig positive Ergebnis der intensiven Diskussion ist der Aufbau eines 'Kompetenzzentrums Jakobskreuzkraut' bei der Stiftung Naturschutz. Geleitet vom Chemiker und Umweltwissenschaftler Dr. Aiko Huckauf werden besorgte Imker und Tierhalter beraten (Tel. 0431 / 21090-799), aber auch wissenschaftliche Untersuchungen u.a. zur Phänologie des Jakobskreuzkrauts initiiert.
Fazit: Die Debatte um das Jakobskreuzkraut wird von irrealen Ängsten bis hin zu hysterischen Bezichtigungen, angeheizt durch fachlich nicht haltbare Behauptungen aus Lobbyistenkreisen, und plakativem Aktionismus bestimmt. Die Erkenntnis, dass eine effiziente Bekämpfung des Jakobskreuzkrautes auf dessen bevorzugten Wuchsorten mit vertretbaren Mitteln weder möglich noch notwendig ist, hat sich zwar in Fachkreisen durchgesetzt, wird aber weiterhin ausgeblendet. Ähnlich wie bei der Debatte um die angeblichen Gefahren, die Schleswig-Holsteinern von einwandernden Wölfen drohen sollen, ist auch bei der Auseinandersetzung um das Jakobskreuzkraut die Bodenhaftung verloren gegangen.
Hey, ILu, akt. 14. Juli 2016
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