Rückgang: Wie ein Bestand des Jacobs-Kreuzkrauts von einem aufs andere Jahr natürlich zusammenbricht. Im NSG Heidkoppelmoor bei Ammersbek liegt eine kleine Moränenkuppe, die bis vor 25 Jahren Acker war und dann teilweise aufgeforstet wurde. In einem breiten Streifen um die Aufforstung verblieb der offene Acker. Hier konnte sich seit Jahren eine Ruderalflora trocken-magerer Standorte ansiedeln. Die benachbarten Ackerflächen werden biol.-dynamisch bewirtschaftet, die eine Eutrophierung der Kuppe ausschließt. Die allmähliche Aushagerung zeigt sich an dem häufigen Vorkommen von Hasenklee, Rundblättriger Glockenblume und einigen Hundert Pflanzen der seltenen Golddistel. Schon lange hat sich hier aber auch ein Bestand des Jacobs-Greiskrauts Senecio jacobaea eingestellt, heutzutage auch Jacobs-Kreuzkraut genannt (JKK). Der breite Streifen wird nur unregelmäßig alle paar Jahre von Jägern gemäht, weitere menschliche Nutzungseinflüsse gibt es nicht. Im letzten Jahr leuchtete das Gelb der Blüten von der Kuppe weit in die Landschaft. Das Kreuzkraut war 2014 sehr vital. Raupen des Blutbären Tyria jacobaeae waren nur in kleinerer Zahl vorhanden --> - Foto: Petra Ludwig-Sidow
Jakobskreuzkraut auf Naturschutzflächen
Positionspapier des NABU Schleswig-Holstein zu ‚Bekämpfungsmaßnahmen’
Vorbemerkung
Das Jakobskreuzkraut (JKK) wird zur Zeit in einer Weise problematisiert, die nicht mehr rational erfassbar ist. Entsprechend unbedacht werden Bekämpfungsmaßnahmen gerade auf Naturschutzflächen gefordert und auch umgesetzt. Der NABU Schleswig-Holstein lehnt diese grundsätzlich ab.
Diese kritische Position des NABU beruht nicht zuletzt auf dem Umstand, dass die Bekämpfungsmaßnahmen / -methoden fast immer als beeinträchtigende Eingriffe in die betroffenen Ökosysteme zu werten sind. Auf Naturschutzflächen sind derartige Eingriffe grundsätzlich jedoch nur dann zulässig, wenn sie dem Schutz gefährdeter Arten und Lebensräume oder der Pflege und Entwicklung im Sinne des Naturschutzes dienen bzw. zur Vermeidung einer konkreten Gefährdung von Menschen unumgänglich sind. Diese Situationen sind auf von JKK besiedelten Naturschutzflächen nicht gegeben. Diffuse Verdachtsmomente und irrationale Risikobeschwörungen, wie sie die Forderung nach JKK-Bekämpfung bestimmen, sind demgegenüber nicht tragfähig.
Dennoch muss sich der NABU mit den auch von Teilen des Naturschutzes, hier v.a. das MELUR und die Stiftung Naturschutz, anberaumten und durchgeführten Bekämpfungsmaßnahmen pragmatisch auseinandersetzen. Die nachfolgenden Punkte sollen dafür eine Orientierungshilfe geben. Maßstab hierbei ist, die mit den Bekämpfungsmaßnahmen einhergehenden ökologischen 'Kollateralschäden' möglichst gering zu halten.
Die kritische Haltung des NABU beruht auf folgenden Aspekten:
- Mit allen Bekämpfungsmethoden gehen Eingriffe in die Biozönose einher.
- Die Erfolgsaussichten der Bekämpfungsmethoden sind mangelhaft bis fehlend.
- Die tatsächliche Schadwirkung des JKK auf Weidetierhaltung und Imkerei ist (unter Beachtung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen) insgesamt gering.
- Vom JKK geht kein gravierend negativer Einfluss auf die Strukturentwicklung der Halboffenen Weidelandschaften aus.
- JKK ist als Nahrungspflanze für etliche Insektenarten von Bedeutung.
- JKK ist eine heimische Art und damit anders als invasive Neophyten (z.B. Spätblühende Traubenkirsche, Herkulesstaude) zu betrachten.
-
-
Ein Jahr später, im Hochsommer 2015 waren aus den wenigen Raupen viele geworden: der Bestand vom Greiskraut bot keinen leuchtend gelben Blühaspekt. Vergleicht man Fotos von 2014 und 2015 so fällt der Unterschied auf. Floristisch ist die Fläche weitgehend unverändert, nur die Dominanz und die Blühaspekte haben sich verschoben. In diesem Jahr sind die Golddisteln, der Hasenklee, die Schafgarbe, auch die Ackerkratzdistel und die Glockenblume diejenigen Pflanzen mit reichem Blütenangebot. Das Jacobs-Greiskraut ist zwar überall auf der Fläche vorhanden, aber der weit überwiegende Teil der Pflanzen ist bis auf Strunke vom Blutbären abgefressen. Diese natürliche Dynamik zeigt, wie viel Bewegung in Pflanzenbeständen steckt. Populationsentwicklungen sind im Wechselspiel zwischen Pflanzen und den herbivoren Insekten immer für Überraschungen gut. Eine derartige, natürliche Populationsdynamik ist bei steten Eingriffen, wie bei JKK Bekämpfungen, nicht vorhanden. Gerade vergleichbare, trocken-warme und nährstoffarme Ruderalflächen, sind artenreiche Fläche. Die Förderung der Artenvielfalt durch möglichst wenige Eingriffe erhält natürliche Zyklen. Solche Lebensräume und die hier heimischen Arten sind schon alleine deshalb schützenswert. - Foto: Petra Ludwig-Sidow
Mahd: Möglich unter folgenden Bedingungen:
- Das Entwicklungsziel (z. B. Vegetationsstrukturmosaik bei Halboffenen Weidelandschaften) darf nicht beeinträchtigt werden.
- Faunistische Schutzaspekte (Insekten, Spinnen, Vögel) stehen nicht entgegen.
- Hohe JKK-Dominanz gegeben (> 20 % Deckung über mind. 3 Jahre in Folge, ansonsten > 40% Deckung).
- Zur Einschränkung von Kollateralschäden an der Natur flächenpräzise Mahd, d.h. ausschl. auf JKK-Bestände bezogen; kleine JKK-Bestände gezielt mit Freischneider mähen.
- Als maschinelles Mähgerät zur Schonung der Wirbellosen- und Amphibienfauna nur Mähbalken verwenden (kein Schlegelmäher).
- Weitgehende Mähgutbeseitigung, um eine Überlagerung (Abdeckung) niedrig wüchsiger Vegetation zu verhindern und um Nährstoffe auszutragen.
- Mulchen: Wegen weitgehender Vernichtung der Wirbellosenfauna, zudem wegen des Eutrophierungsschubs und der Überlagerung niedrigwüchsiger Pflanzen wird das Mulchen generell abgelehnt.
Flächenumbruch
- Wegen Vernichtung der gesamten Flora und Fauna wird der Flächenumbruch zur JKK-Bekämpfung grundsätzlich abgelehnt.
- Ausnahmen sind nur unter folgenden Bedingungen für Flächen zuzulassen:
- Sehr geringe Biodiversität, keine faunistische und floristische Bedeutung der Fläche.
- Kein Dauergrünland, keine feuchten Flächen.
- Keine Sukzession als Entwicklungsziel
- Kein kompletter Umbruch, sondern nur auf mit JKK-bestandenen Flächenanteilen (siehe Mahd)
- Anschließend sind Maßnahmen zur deutlichen Aufwertung der Fläche durchzuführen (z.B. nachfolgende Einsaat als arten- und blütenreiches Grünland mit regionalheimisch gewonnenem Saatgut).
- Herbizideinsatz: Wegen Vernichtung auch großer Anteile der Begleitflora und der Wirbellosenfauna sowie eventueller sonstiger negativer Auswirkungen auf das Ökosystem wird ein Herbizideinsatz zur JKK-Bekämpfung auf Naturschutzflächen generell abgelehnt.
Differenzierung nach Flächenschutzkategorien
- Naturschutzgebiete: Keinerlei Eingriffe, d.h. auch keine Mahd. Ausnahmen können sein:
- Ausstechen von (einzelnen) JKK-Pflanzen.
- Punktuelle Mahd (Handmahd, d.h. Sense oder Freischneider), nur in Bereichen ohne hohe Biodiversitätsqualität, nach Möglichkeit Mähgutbeseitigung.
- Maßnahme dient explizit auch dem Schutzweck bzw. speziellen Biotop- oder Artenschutzvorgaben (in der Praxis nur für wertvolle Magerrasen denkbar).
- Kompensationsflächen, sonstige Projektflächen des Naturschutzes: Siehe Maßnahmenkatalog, dabei generell nur bei Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck.
Hey 15. Juli 2015