Landraub am Straßenrand
Bedeutung von begrünten Streifen für die Natur
Nach Beobachtungen des NABU scheint es bei den Landwirten allgemein immer stärker um sich zu greifen, die eigene Ackerfläche bis unmittelbar an die Straßen- oder Wegebankette zu erweitern. Grundstückseinmessungen in Niedersachsen haben gezeigt, dass dabei sehr häufig Eigentum der Gemeinden, des Kreises oder des Landes als Eigentümer der Grenzflächen okkupiert wird. Meist sind gemeindeeigene Wege und Straßen betroffen, zumal die Gemeinden sich, auf gutes Einvernehmen mit den Bauern bedacht oder ohne Interesse an der Sache, kaum darum kümmern. Wenn sie dies jedoch in Angriff nehmen, ist diese "Rückeroberung" der illegal bewirtschafteten Flächen oftmals aufwendig und mit der erneuten Vermessung der Wegeränder verbunden. Bei Bundesstraßen sind die Landwirte offensichtlich wegen der höheren Kontrolldichte, aber auch wegen des stärkeren Verkehrs, zumeist vorsichtiger.
Keine Rücksicht auf Natur
Durch die Mit-Nutzung geht ein typischer, prägender Aspekt der Kulturlandschaft verloren. Für die Natur ist die illegale Bewirtschaftung der Randstreifen nachteilig, da wichtige Lebensräume und Korridore für Tiere und Pflanzen verloren gehen. Blüten besuchende Insekten wie die Wildbienen verlieren ihre Nahrungsquelle.
Problematisch und teuer wird es zudem für Gemeinden, wenn durch die randliche Feldbestellung der Boden an der Straße oder dem Weg so gelockert ist, dass sich der Straßenbelag seitlich absenkt, weil die stützende Bankette fehlt. Dieses wird durch den zunehmend schwereren Landmaschinenverkehr, v.a. auf schmalen Feldwegen, noch verstärkt. In Schleswig-Holstein sind die Straßen des überörtlichen Verkehrs (ohne Autobahnen) rd. 9.300 km lang, das Netz der Landesstraßen umfasst dabei rd. 3.700 km, das der Kreisstraßen rd. 4.100 km (Verkehrsministeriums Kiel, Stand März 2016). Das ländliche Wegenetz in Schleswig-Holstein im Aufgabenbereich der Gemeinden weist nach Schätzungen demgegenüber eine Gesamtlänge von ca. 27.500 km auf.
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Rainfarn - Foto: Helge May
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Beifußblätter - Foto: Helge May
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Weiße Taubnessel - Foto: Helge May
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Gewöhnliche Ochsenzunge - Foto: Helge May
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Flohknöterich - Foto: Helge May
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Wildes Stiefmütterchen - Foto: Helge May
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Huflattich - Foto: Helge May
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Spitzwegerich - Foto: Helge May
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Purpur-Taubnessel - Foto: Helge May
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Ackerkratzdistel - Foto: Helge May
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Tüpfel-Johanniskraut - Foto: Helge May
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Große Königskerze - Foto: Helge May
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Wegwarte - Foto: Helge May
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Wilde Möhre - Foto: Helge May
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Jakobs-Greiskraut (= Jakobs-Kreuzkraut) - Foto: Helge May
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Guter Heinrich - Foto: Helge May
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Natternkopf - Foto: Helge May
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Klatschmohn an Wegrain - Foto: Helge May
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Taubnessel und Scharbockskraut - Foto: Helge May
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Wegmalve mit Feuerwanze - Foto: Helge May
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Seifenkraut - Foto: Helge May
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Habichtkraut - Foto: Christoph Kasulke
Typische Pflanzenarten von Wegrändern
Naturnahe Entwicklung rechtlich festgeschrieben
Im Straßen- und Wegegesetz Schleswig-Holsteins (StrWG) findet sich eine rechtliche Bestimmung, nach der sich die sich im öffentlichen Eigentum befindlichen Straßen- und Wegränder naturnah entwickeln sollen. Nach § 18 a des StrWG Schleswig-Holstein "... (sollen) Straßen- und Wegeränder sowie Lärmschutzwälle so erhalten und gestaltet werden, dass sie sich naturnah entwickeln können. Ihre Unterhaltung soll auf die Bedeutung als Teil der Biotopverbundsysteme ausgerichtet werden. Die Straßenanliegerinnen und -anlieger haben alle hierfür erforderlichen Maßnahmen zu dulden, soweit hiervon keine enteignende Wirkung ausgeht." Die Verkehrssicherung muss dabei gewährleistet sein.
Vielfalt am Wegesrand schwindet
Bunte Wegraine mit Wildstauden wie Rainfarn, Johanniskraut, Wegwarte, Wiesenmargerite oder Flockenblume findet man bei uns aber immer seltener. Ursachen für den Verlust sind neben den nur noch schmal verlaufenden Wegrainen und Straßensäumen aber auch die mancherorts sehr häufig stattfindende, unnötige Mahd sowie der Stickstoffeintrag - über das in die Luft emittierte Ammoniak sehr intensiv aus gegüllten Flächen in der Nähe -, der vor allem Brombeeren, Brennnesseln und Quecke einseitig fördert, die dann aber die vielfach lichtbedürftigen Stauden nicht mehr aufwachsen lassen.
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Hier geht die landwirtschaftliche Nutzung bis unmittelbar an die Gemeindestraße heran. Beikräuter werden aber im Randbereich gefördert. - Foto: Thomas Behrends
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Fehlender bzw. zu schmal gestalteter Ackerrandstreifen am Knickfuß, ein offensichtlicher Verstoß auch gegen den Knickerlass. - Foto: Thomas Behrends
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Es geht auch anders: breiter Ackerrandstreifen mit Begleitflora im Randbereich eines Knicks auf einer Fläche des ökologischen Landbaus. - Foto: Thomas Behrends
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Breiterer Ackerrandstreifen an einem wassergebundenen Weg. Leider wurde der Randstreifen gehäxelt. - Foto: Thomas Behrends
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Fehlender Ackerrandstreifen - der wassergebundene Weg geht unmittelbar in den Acker über: Kein Lebensraum mehr für Flora und Fauna. - Foto: Thomas Behrends
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Auch der Ausbau hat seinen ökologischen Preis: Überdimensioniert eingekürzte Eichen beim Straßenausbau. - Foto: Thomas Behrends
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Beeinträchtigungen des Randstreifens sind eine Begleiterscheinung auch des Straßenausbaus. - Foto: Thomas Behrends
Randstreifen an Wegen und Straßen: Die Praxis
Ackerrandstreifen
Auch Ackerrandstreifen, eingesät als sogenannte Blühstreifen, gibt es heute kaum noch. Das liegt v.a. an den hohen Bodenpreisen, d.h. an dem in den vergangenen Jahren drastisch gestiegenem Wert des Ackerlandes. Dies gilt inzwischen auch für ärmere Böden, da sie durch den Biogasboom lukrativ als Maisanbauflächen genutzt werden. Zwar werden solche Randstreifenprogramme von der EU und dem Land stark subventioniert. Die Prämien dafür reichen den Bauern jedoch nicht aus.
Rechtlich besteht keine Verpflichtung zur Anlage von Randstreifen. Wie und wo der Landwirt seine Greeningverpflichtungen nachkommt, ist seine Entscheidung. Ab und an sieht man jetzt breitere, mit Gras eingesäte Randstreifen entlang von Knicks, die dann zusammen mit der Grundfläche der Wallhecke als Greening zählen. Sonst ist derzeit in der Landschaft keine spürbare Änderung zugunsten von naturnahen Flächen infolge des Greenings zu erkennen.
Hey, ILu akt 26. Oktober 2016