Volle Fahrt voraus beim Schutz der Ostsee!
Die "Patientin Ostsee" braucht mehr als halbherzige Vereinbarungen



Eutrophierung der Ostee vor Heiligenhafen, erkennbar durch riesige Algenteppiche. - Foto: Roland Mattern
Algenteppiche durch zu viele Nährstoffe, zusammengebrochene Fischbestände und rapide abnehmende Populationen von Schweinswal und Meeresenten: Der Ostsee geht es schlecht. Dabei ist das Binnenmeer nicht nur ein einzigartiges Ökosystem, sondern auch Grundlage der Tourismuswirtschaft in Schleswig-Holstein.
Die Naturschutzverbände fordern seit Jahren einen Ostsee-Nationalpark nach dem Vorbild des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, der vor 40 Jahren in einem mutigen Schritt der damaligen CDU-Landesregierung eingerichtet wurde.
Die aktuelle schwarz-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein hat am 19. März 2024 den „Aktionsplan Ostseeschutz 2030“ (APOS) vorgelegt. Seitdem ist fast ein Jahr vergangen und nach Ansicht der Naturschutzverbände höchste Zeit, den Ostseeschutz beschleunigt auf Kurs zu bringen.
Die Naturschutzverbände fordern in erster Linie:
- Die Ausweisung der im APOS geplanten drei neuen, fischereifreien Ostsee-Schutzgebiete bis Ende des laufenden Jahres.
- Verbindliche Maßnahmen, die einen tatsächlich „strengen Schutz“ in den Schutzgebieten nach Definition der EU-Biodiversitätsstrategie garantieren. Das bedeutet, dass schädliche Eingriffe in den Lebensraum von Meeressäugern und sensiblen Seevogelarten, etwa durch Unterwasserlärm von Motorbooten und Jetskis, in diesen Gebieten komplett ausgeschlossen werden müssen.
- Die im Maßnahmenprogramm der Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) vorgegebene Reduktion der Nährstoff-Zufuhr in die Ostsee um jährlich rund 2000 Tonnen Stickstoff und 65 Tonnen Phosphor sowie verpflichtende Maßnahmen zu deren Durchsetzung. Die aktuelle Zielvereinbarung mit den landwirtschaftlichen Verbänden, die im Dezember 2024 geschlossen wurde, sieht nur eine Reduktion um jährlich 400 Tonnen Stickstoff und 13 Tonnen Phosphor vor und ist damit absolut unzureichend. Ihre Freiwilligkeit macht die Vereinbarung vollends zahnlos.

Die Schweinswal-Population in der Ostsee ist dramatisch zurückgegangen, obwohl er in Deutschland offiziell streng geschützt ist: In den bestehenden Meeresschutzgebieten besteht der Schutz nur auf dem Papier. Selbst dort setzen Unterwasserlärm durch Schifffahrt, Nahrungsknappheit durch Überfischung und Meeresverschmutzung der bedrohten Walart empfindlich zu.- Foto: Florian Graner
Die Naturschutzverbände erkennen an, dass Fischerei-freie Zonen einen großen Einschnitt für die Fischereibetriebe an der Ostsee bedeuten. Doch nur mit einem wirkungsvollen Meeresschutz durch spürbar weniger wirtschaftliche Nutzung haben die Fischbestände überhaupt eine Chance, sich zu erholen. Das ist zwingend notwendig, um mittelfristig überhaupt noch Fischerei in der Ostsee betreiben zu können. Zudem umfasst der künftig fischereifreie Bereich lediglich 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostsee.
Die Landesregierung hat auf Nachfrage der Naturschutzverbände versichert, dass sie an den Schutzgebietsverordnungen und an anderen Punkten des APOS arbeitet, zum Beispiel an der Einrichtung eines wissenschaftlichen Beirats und einer zentralen Ostsee-Meeresschutz-Station. Die Naturschutzverbände mahnen an, dass alle Punkte des Aktionsplans noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden, um einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu vollziehen. Eine tragfähige Grundlage, die es ermöglicht, dem rasanten Artenschwund entgegenzutreten und echte Regeneration zu ermöglichen, ist mit der Umsetzung des Aktionsplans noch nicht geschaffen.
Dabei ist Schleswig-Holstein wie alle Bundesländer und EU-Mitgliedsländer durch das EU-Natur-Wiederherstellungsgesetz verpflichtet, einen verbindlichen Zeitplan für die Renaturierung bedrohter Ökosysteme vorzulegen. Die Ausweisung neuer Meeresschutzgebiete mit wirksamen Schutzmaßnahmen dient also der Umsetzung der EU-Vorgaben.
Das Bündnis der Ostsee-Naturschutzverbände besteht aus der Arbeitsgemeinschaft Integrierter Ostseeschutz (AGIO), dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Schleswig-Holstein (BUND SH), der Heinrich-Böll-Stiftung, Landesnaturschutzverband Schleswig-Holstein e.V. (LNV SH), dem NABU Schleswig-Holstein, dem Verein Jordsand und dem WWF Deutschland.
EK 13.03.2025