Abwärtstrend: Seen in schlechtem Zustand
Gewässerqualität in Schleswig-Holstein besorgniserregend
Ein warmer Sommertag im Juli: Urlauber, Familien und Kinder strömen ins Freibad am Lanker See in Preetz im Kreis Plön. Auch Gruppen von Fahrradfahrern besuchen an diesem schönen Sommertag das Bad. Kein Wind, angenehme Temperaturen, doch ins Wasser geht freiwillig niemand. Der Grund schwappt blaugrün am Ufer: dicke Blaualgenmatten überziehen wie ausgegossene Farbe das Wasser mit einem dichten Film. Wenige Vögel suchen in der Brühe nach Nahrung – doch sie finden kaum etwas.
Carsten Pusch, Leiter der Landesstelle Wasser des NABU Schleswig-Holstein, analysiert die Lage: „Schuld an dieser Misere ist vor allem die problematische Nährstoffsituation des Sees. Sie hat negative Auswirkungen auf dessen Ökologie. Die Wasserqualität verschlechtert sich, dokumentiert sind dadurch Rückgänge bei Tier- und Pflanzenarten - und jetzt im Sommer kommen zusätzlich noch negative Auswirkungen auf den Tourismus hinzu."
Der NABU schlägt Alarm – die Daten zur Wasserqualität in Schleswig-Holstein sind eindeutig: Die Seen im Land sind in einem schlechten Zustand - der ungebrochener Abwärtstrend setzt sich fort. Vor Ort am Lanker See hängt noch ein Hinweisschild über die angeblich gute Badewasserqualität, attestiert im Jahr 2012. Baden im See ist danach erlaubt und gesundheitlich unbedenklich. Doch bewertet wird von der EU nur das Auftreten bestimmter krankheitserregender Keime, nicht die abstoßende Algenschwemme. Denn auch in diesem Jahr ist das Wasser bei längeren Sonnenperioden und größerer Hitze zum wiederholten Male blaugrün gefärbt - voller unansehlicher Blaualgen.
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Blaualgenblüte wegen Eutrophierung an einem Badestrand am Lanker See / PLÖ - Foto: Thomas Behrends
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Blaualgenblüte wegen Eutrophierung - Foto: Thomas Behrends
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Die absterbenden Blaualgen verfärben sich und bilden einen an Farblack erinnernden Belag auf der Wasseroberfläche - Foto: Carsten Pusch
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Blaualgenblüte - Foto: Carsten Pusch
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Eintrag von Düngemitteln über die Drainage in die entwässernde Vorflut - Foto: Thomas Behrends
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Bodenerosion und Nährstoffausschwemmung auf einer Ackerfläche. So gelangen Düngemittel direkt in angrenzende Gewässer. - Foto: Ingo Ludwichowski
Windstille, ein paar Tage Sonnenschein – und das Wasser des 'polytrophen', d.h. mit Nährstoffen überfrachteten Sees „blüht“. „Was für den Laien positiv klingt, ist im Gegenteil höchst bedenklich“, so Pusch. „Blaualgen sind gerade für Kinder und Menschen mit empfindlicher Haut gefährlich durch ihre Allergien auslösenden Reizungen. Die Algen selber produzieren Giftstoffe, also sollten Kinder Wasser nicht schlucken“. Der Lanker See bekommt dabei seine Nährstoffe, die Ursache für die Algenblüte, diffus vor allem aus angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, durch Abschwemmung von Dünger aus der intensiv bis teils an den Gewässerrand genutzten Agrarlandschaft sowie durch einige punktuelle Einleitungen. Aber auch die Lage des Sees im unteren Bereich der Schwentine-Seen-Kette - ein enorm großes Einzugsgebiet aus den oberhalb liegenden Seen und wiederum deren angekoppelten Einzugsgebieten - trägt dazu bei.
Auch Wasservögel betroffen
Wiederholt hat der NABU auf die Bedeutung des Lanker Sees für die Wasservogelfauna hingewiesen. Doch ging es in den Diskussionen um den Schutz bedrohter Schwarzhalstaucher, Drosselrohrsänger oder vieler Entenarten vor allem um Störungen durch Badebetrieb im Freibad, dem Verhindern von wilden Badestellen und der Regulierung anderer Freizeitaktivitäten wie dem Wassersport. Diese Diskussionen der Vergangenheit werden nun von den Folgen der verfehlten Landwirtschaftspolitik eingeholt - und jetzt will auch keiner mehr baden! Aber auch die Vögel sind lange nicht mehr so zahlreich wie früher - in der trüben Brühe finden sie nichts mehr zu fressen. Früher prägten wertvolle Pflanzenarten wie Wasserhahnenfuß, Tausendblatt und Kamm-Laichkraut etwa die Wasserfläche zwischen Freibad und Möweninsel im Lanker See. Diese Wasserpflanzen sind durch die Eutrophierung des Sees praktisch verschwunden - und mit ihnen viele Wasservögel.
Ursprüngliche Lebewelt am Lanker See heute stark bedroht
Lange bekannt
Dem Land Schleswig-Holstein ist der zunehmend schlechte ökologische Zustand des Sees bekannt. Seit Jahren verschlechtert sich die Gewässerqualität. „Das Monitoring im Rahmen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) und auch der Flora-Fauna-Habitat Richtlinie (FFH) hat mehrmals den sich verschlechternden Zustand offengelegt", so der NABU-Vertreter. Geschehen ist aber wenig, Konsequenzen aus der signifikanten Verschlechterung wurden kaum gezogen. Das Ziel der EG-WRRL, die natürlichen Gewässer wie der Lanker See - aber auch alle anderen Seen im Land - in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und damit auch eine gute Wasserqualität zu erreichen, wird derzeit vollständig verfehlt. Das Land hat dafür zwar Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme aufgestellt. Wie es aber damit dem Verbesserungsgebot auch bei der Reduzierung der Nährstoffeinträge nachkommen will, erschließt sich dem NABU nicht. Drohende Konsequenz daraus: Die Zeit läuft ab, enorme Strafzahlungen an die EU drohen, wenn das Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und die Ziele der EG-WRRL verfehlt.
Aber auch eine andere europäische Naturschutzrichtlinie, die FFH-RL, basiert auf einem Verschlechterungsverbot. Viele Tier- und Pflanzenarten und ihre Lebensräume dürfen sich danach in ihrer ökologischen Qualität nicht negativ entwickeln. Dazu wird derzeit zwar für den Lanker See der FFH-Managementplan erstellt. Doch auch hier das gleiche Bild: im aktuell sich in Abstimmung befindlichen Entwurf finden sich kaum Maßnahmen, um dem Anstieg der Nährstoffeinträge durch geeignete Maßnahmen ernsthaft zu begegnen.
Verschlechterung der Gewässerqualität am Beispiel des Lanker Sees
- 2002: mäßiger ökologischer Zustand, eutropher, nährstoffreicher See, mäßige Artenzahl bis artenreich
- 2008: deutliche Verschlechterung, unzureichender ökologischer Zustand, hocheutropher See
- 2011: weitere Verschlechterung, deutlicher Rückgang der Sichttiefe, vielfach Ausfall wertgebender Wasserpflanzen, unzureichend bis schlechter ökologischer Zustand
Land muss endlich handeln!
Der NABU fordert von Seiten des Landes schnellstens die Einführung und Umsetzung zielführender Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässersituation, sowohl für die Oberflächengewässer des Binnenlandes, das Grundwasser, aber auch die Küstengewässer, in die die 'Nährstoffbrühe' schließlich fließt. Dazu gehört konkret die Minimierung diffuser Einträge durch ausreichend dimensionierte Pufferstreifen und die Anlage von Uferrandstreifen sowie Nährstoffrückhaltebecken (sog. „constructed wetlands“). Identifizierte Nährstoffeintrittstellen müssen angegangen werden, seien sie punktuell zu beseitigen oder mit Vorrang flächig aus der Nutzung zu nehmen. Vordringlich ist auch die Ausstattung der Düngeverordnung des Bundes mit anspruchsvolleren Zielen zur Nährstoffreduktion, schärfere Kontrollen und striktere Sanktionen zu ihrer Einhaltung sowie eine verpflichtende, flächendeckende Gundwasserschutzberatung. Vor allem erwartet der NABU von der Landesregierung, den klaren politischen Willen zu artikulieren, sich energisch und konsequent für die Erreichung der Ziele der EG-WRRL sowie der FFH-RL einzusetzen und dabei nicht allein das Prinzip 'Freiwilligkeit und Konfliktminimierung' zu verfolgen, sondern sich strenge, ehrgeizige Ziele zu setzen. Notfalls auch gegen den Bauernverband, aber für den Tourismus im "Echten Norden" als Urlaubsland Schleswig-Holstein! Für unsere Seen, aber auch die Fließ- und Küstengewässer sowie das Grundwasser in Schleswig-Holstein ist es längst '5 nach 12'", begründet Pusch die drastischen Forderungen.
CPu, akt. 25. August 2015
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