Zwei Exemplare des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers im Bereich von Niströhren der Pelzbienen - Foto: NABU / Carsten Pusch
Schmalflügeliger Pelzbienen-Ölkäfer
Neue Art in Schleswig-Holstein
Im Rahmen der Vorbereitung einer Gewässerexkursion an der rund 60 km langen Schwentine in der Holsteinischen Schweiz bei Plön untersuchte der Autor auch einen Bereich an einer Straßenbrücke über dem Gewässer und machte dabei einen bemerkenswerten Fund: In einer kleinen, staubigen, etwas „anrüchigen“ Ecke am Fuß des Bauwerks krabbelten träge eine ganze Anzahl von Käfern herum, die sich nach kurzer Überprüfung als faunistische Überraschung herausstellten. Mindestens 80 bis 100 Exemplare des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers Sitaris muralis fanden sich dort. Bislang sind nur wenige Nachweise dieser Art in Schleswig-Holstein bekannt.
Im Gegensatz zu seinen auffälligen Verwandten, den auch als Maiwürmer bezeichneten Vertretern der Gattung Meloe (s. Betrifft: Natur 16(2), 2012), ist diese mit 7 bis 15 mm relativ kleine Art recht unauffällig und eine wenig bekannte Ölkäferart. Aktuell ist einer der Maiwürmer, der Schwarzblaue Ölkäfer Meloe proscarabaeus, Insekt des Jahres 2020. Maiwürmer sind, wie der Name ausweist, vor allem im Frühjahr zu beobachten, während der Schmalflügelige Pelzbienen-Ölkäfer erst ab Anfang August zu finden ist. Die Käfer haben einen schwarzen Kopf mit gelblicher Flügelwurzel. Die Deckflügel sind kürzer als der Hinterleib und klaffen am Ende stark auseinander.
Komplizierte Fortpflanzung
Ölkäfer und damit auch der Schmalflügelige Pelzbienen-Ölkäfer zeichnen sich durch eine hoch komplexe Fortpflanzungsweise aus. Die Larven entwickeln sich parasitisch in den Nestern von mauer- und erdnistenden Pelzbienen vor allem der Gattung Anthophora, gelegentlich aber auch in denen von Mauerbienen der Gattung Osmia.
Die Weibchen der Ölkäfer legen ab Mitte August ihre Eipakete an die Ausfluglöcher der Niströhren der Pelzbienen oder in der Nähe ab. Die Larven schlüpfen Ende September bis Anfang Oktober, verbleiben aber zunächst regungslos am Geburtsort im Schutze der klebrigen Eihüllen und überwintern. Im April des darauffolgenden Jahres werden die Larven dann aktiv, sie verteilen sich an den Wänden der Ausflugslöcher, lassen sich auf die schlüpfenden Bienen fallen, wenn diese den etwas zurückversetzten Nestverschluss durchbrechen – und klammern sich an ihnen fest. Da zuerst die Drohnen, die männlichen Bienen, schlüpfen, müssen die Larven unbedingt bei der Kopula der Pelzbienen auf die Weibchen überwechseln und werden dann von diesen in das Nest eingeschleppt. Dort ernähren sich die Käferlarven von den eingetragenen Vorräten ihrer Wirte und überwintern als Pseudopuppe in den Nestkammern. Erst im Juli durchlaufen sie dann das eigentliche Puppenstadium und schlüpfen im August als fertige Käfer.
Unauffällige Lebensweise
Geeignete Nistmöglichkeiten finden die Pelzbienen – und damit auch die Ölkäfer – offenbar vor allem im urbanen Bereich an regengeschützten, spärlich oder unbewachsenen, sonnenexponierten Stellen an Hauswänden oder unter Balkonen. Auch in alten, unverputzten Fachwerk- und Ziegelwänden finden sich die Wirte sowie die Käfer. Eine Anzahl von Nachweisen gelang in Schleswig-Holstein aber auch in Kleinstbiotopen wie Wildbienennisthilfen. Viele dieser Hilfen bieten häufig Lehmfächer an, in die die Pelzbienen ihre Nester anlegen sollen. In den allermeisten Fällen ist der Lehm dort aber zu hart und als Angebot für die Bienen ungeeignet, aber in einzelnen Fällen können die Bienen dort auch Nester anlegen. Hier finden sich dann auch gelegentlich die Pelzbienen-Ölkäfer. Da diese Hilfen von Naturfreunden häufiger beobachtet und kontrolliert werden, fallen die Käfer hier schneller auf.
Auf dem Weg nach Norden
Sitaris muralis war bis vor wenigen Jahren ausschließlich aus dem Rheintal bzw. der Rheinebene Baden-Württembergs, Rheinland-Pfalz und Hessens bekannt. Zudem liegen historische Funde aus Hamburg und Sachsen-Anhalt vor. Zu Beginn der 90er Jahre wurde sie in Nordrhein-Westfalen sowie anschließend weiteren Stellen am Niederrhein gemeldet. 2001 wurde die Art dann an der Mosel sowie 2002 und 2004 im Neckartal nachgewiesen. Neue Nachweise gelangen in den letzten Jahren auch aus Niedersachsen bei Celle und einzelnen weiteren, nördlich gelegenen Orten. Diese Funde legen nahe, dass sich S. muralis nach und nach, wahrscheinlich auch begünstigt durch klimatische Veränderungen, weiter in Richtung Norden ausbreitet. Möglicherweise ist diese unauffällige, recht immobile Art in vielen Fällen aber auch schlichtweg übersehen worden. Die Vorkommen und Ausbreitung dieser spannenden und interessanten Art soll daher weiter beobachtet werden.
Aufruf zur Meldung von Funden
Der NABU bittet alle Naturfreunde, Funde des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers Sitaris muralis zu melden. Besonders die von den meisten Insektenkundlern kaum im Focus stehenden Bereiche im Wohnumfeld – unter Balkonen, an Hauswänden oder auch an Wildbienenhilfen – sollten vor allem im August in Augenschein genommen und auf Käfer überprüft werden. Funde bitte per E-Mail an den Autor oder an Thomas.Behrends@NABU-SH.de melden. Dabei Angaben zum Fundort, Fundzeitpunkt und den Fundumständen nicht vergessen. Idealerweise werden diese Meldung mit einem Fotobeleg, der nicht perfekt sein muss, versehen. Die sehr träge Fortbewegung der Käfer macht diese aber zu einem vergleichsweise leichten Fotomotiv. Viel Erfolg!
CP, 12. August 2020