Farb- und Mustervarianten des Augenfleck-Marienkäfers aus dem Spülsaum am Ostseestrand (Alle Fotos: Reinhard Bülte, Eutin)
Marienkäfer am Ostseestrand
Beobachtung eines Massenauftretens am 10., 13. und 14. April 2009 bei Grömitz-Kellenhusen
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Überwiegend mit toten Käfern bzw. Käferresten besetzter Spülsaum nahe Kellerseeschleuse (links) und auf Kellenhusen zu (rechts). Landeinwärts erkennbare ältere Absätze stellten sich als käferfrei heraus; der ursprüngliche Fundstreifen vom 10. April 2009 hingegen ist von der Brandung restlos aufgearbeitet worden.
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Marienkäferansammlung im Spülsaum der Ostsee
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Marien- sowie Begleitkäfer auf einem Strandgeröll in Wassernähe. Elfpunkt-Marienkäfer bodenständig an einem Holzpflock.
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Vierzehnpunkt-Marienkäfer, Längsfleckiger Marienkäfer und Achtzehnfleckiger Marienkäfer aus den Funden am Ostseestrand
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Farb- und Mustervarianten des Vierfleck-Marienkäfers an der Fundstelle
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Farb- und Mustervarianten des Zehnpunkt-Marienkäfers am selben Ort
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Farb- und Mustervarianten des Zweipunkt-Marienkäfers vom Strand
Überraschende Entdeckung am Ostseestrand
Bei einer Begehung der Ostseeküste zwischen Grömitz und Kellenhusen fielen Reinhard Bülte am 10. April 2009 in einem frischen Spülsaum zahlreiche Marienkäfer auf. Im folgenden berichtet er über den ungewöhnlichen Fund und stellt Vermutungen über die Herkunft der Tiere an.
Eine Millionen Marienkäfer
Eine genauere Untersuchung des hauptsächlich betroffenen, rd. 2,5 km langen Strandabschnittes nordwestlich des Zuganges Klostersee erbrachte eine beachtliche Konzentration an zumeist noch lebenden Tieren: Bis zu zehn Exemplare wurden hier auf einem Quadratdezimeter gezählt. Eingestreut fanden sich einzelne, kleine Stellen im rund 40 cm breiten Anspülicht, die praktisch käferfrei blieben. Diesen „Leerflecken“ fehlten zudem Tang und sonstige Schwemmpartikel, was sie bereits aus einiger Entfernung kenntlich machte. Ebenso konnten in älteren, während frischer (Süd-) Ostwinde noch vor den Ostertagen mehr landeinwärts abgesetzten Spülsäumen keine Marienkäfer nachgewiesen werden.
Breite, Länge und Besatz des mit Käfern durchsetzten Spülstreifens führen – selbst in Unkenntnis jener Zahl von Käfern, die sich nach dem Transport im Wasser sowie der Anlandung möglicherweise rasch erholt haben und aufgeflogen sind – zu der Vermutung, es könne sich nahezu um eine Million Individuen gehandelt haben. Gestützt wird diese Annahme durch Folgebeobachtungen am 13. und 14. April 2009. Der Wind hatte sich inzwischen weitgehend gelegt. Die Temperaturen stiegen auf Höchstwerte um 20° C. Die Sonnenscheindauer betrug täglich rund 13 Stunden. Die unter diesen Verhältnissen angespülten Tiere lagen zahlenmäßig weit unter jenen Auszählergebnissen vom 10. April 2009, ihre Zahl blieb jedoch noch immer auffällig hoch. Zu bemerken war indessen eine starke Abnahme lebender bei gleichzeitiger Zunahme verendeter Käfer in frischen Absätzen nahe der nun beruhigten See.
Wanderzüge selten
In der Literatur wird herausgestellt, dass „ausgesprochene Wanderzüge von Coccinelliden“ in Mitteleuropa lediglich selten und vorwiegend an den Meeresküsten auffallen. Vielleicht registriert man sie dort auch nur häufiger, weil jene Unmengen von Käfern, die der Wind gelegentlich verdriftet und aufs Wasser drückt oder die bei Massenflügen übers Meer entkräftet hineingeraten, von der Brandung auf engem Raum schillartig angehäufelt werden.
Insbesondere die Fundtiere vom 10. April 2009 am Strand zwischen Grömitz und Kellenhusen erwiesen sich mehrheitlich als krabbelrege und – nach einer gewissen Trocknungs- und Erholungsphase – vielfach noch als flugtüchtig; völlig entkräftete oder sogar verendete Tiere stellten zunächst noch Einzelfälle dar. Strandwanderer sind an diesem Tage wiederholt, doch hier und dort auch noch am 13. April 2009, von abhebenden Käfern angeflogen worden. Das lässt auf einen relativ kurzen, wenn auch unfreiwilligen Transport im Ostseewasser schließen. Bei weiteren Kontrollgängen im fraglichen Zeitraum konnten Marienkäfer weder südwestlich der beschriebenen Fundstelle (d.h. von Grömitz in Richtung Neustadt), noch weiter nordöstlich (d.h. hinter Kellenhusen auf Dahmeshöved und Dahme zu) im Angespül der Ostsee ausgemacht werden. Ein lokal begrenzter Ausgangspunkt im westlichen Mecklenburg-Vorpommern darf deshalb sowie wegen vorherrschender Winde aus östlichen Richtungen vermutet werden. Kurzzeitig wechselnder ab- und auflandiger Küstenwind einmal vorausgesetzt, wie er vor Ort durchaus denkbar ist, macht diese Annahme jedoch nicht zwingend. In einem solchen Falle könnten die Tiere auch aus Holstein stammen.
Im Umland selten
Trotz der registrierten großen Anzahl angespülter Tiere waren im unmittelbaren Hinterland kaum Marienkäfer festzustellen. Nur vereinzelt saßen Tiere an Zaunpfählen und Mauerresten oder – dann oft gemeinsam mit weiteren Käfern (u.a. Neogalerucella sp., Weidenblattkäfer Galerucella sp., Kiefernbastkäfer Hylastes sp., Enochrus sp., Hypera sp.), Wanzen sowie Hautflüglern - auf größeren Steinen in Wassernähe. Eine Ausnahme bildete lediglich der Elfpunkt-Marienkäfer (Coccinella undecimpunctata), der zwischen Ostsee und Deich bodenständig und individuenstark v.a. an hölzernen, ritzen- und bohrlochreichen Begrenzungspfosten der Dünen- und Weidelandschaft auftrat.
Schwierige Deutung
Eine Deutung der Marienkäfer - Beobachtungen solchen Ausmaßes zu Beginn der zweiten Aprildekade erweist sich als schwierig. Festzustehen scheint, dass das Auftreten der Marienkäfer in den Beginn einer Wetterberuhigung fiel, die im fraglichen Küstenbereich zunächst noch mit auflandigem Wind einherging. Das passt durchaus zu Erkenntnissen, wonach viele Marienkäfer - Arten gelegentlich in Schwarmflügen zur Suche nach neuen Nahrungsquellen aufbrechen. Dabei korrespondiert ein solches gleichzeitiges, gemeinsames Ausschwärmen vieler Tiere in der Regel mit begünstigenden Witterungsbedingungen. Außerdem fallen die Flüge zeitlich zumeist mit dem Abschluss der Individualentwicklung im Früh- und Hochsommer zusammen. Jedenfalls sind Massenerscheinungen von Marienkäfern v.a. immer wieder aus den Sommermonaten Juni und Juli dokumentiert worden.
Im vorliegenden Falle passt die jahreszeitlich frühe Flugzeit zwar durchaus zur Nahrungssuche; sie kann indessen mitnichten dem Abschluss der Individualentwicklung (= Schlupf der Käfer) zugeordnet werden. Wohl aber fällt sie mit dem Ende der Überwinterung von im Vorjahr geschlüpften Marienkäfern zusammen. Denn während Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung im zumeist geselligen Winterquartier (z.B. in Mauerspalten, in Baumritzen, unter Rindenschuppen, im Bodenmulm) ausgeschlossen sowie die Stoffwechselvorgänge reduziert sind, drängt nun die Käfer alles zu neuer Lebensaktivität. Offen bleibt allerdings die Frage, wie die nachgewiesenen Käfer, die sich überwiegend artspezifisch verhalten und nicht gemeinschaftlich zu mehreren Arten in Massenansammlungen (sog. Aggregationen) überwintern, zu einem lokalen Wanderzug zusammenfanden.
Hohe Artenzahl
Insgesamt sind unter den angeschwemmten „Marienkäfern“ elf verschiedene Arten aufgefunden worden. Mehrere Arten traten an den drei Fundtagen entlang des abgesuchten Strandabschnittes geradezu massenhaft in Erscheinung (Augenmarienkäfer Anatis ocellata, Ostasiatischer Marienkäfer Harmonia axyridis, Siebenpunkt-Marienkäfer Coccinella septempunctata, Zweipunkt-Marienkäfer Adalia bipunctata, Zehnpunkt-Marienkäfer Adalia decempunctata). Zwei Arten fielen anfangs nur lokal häufiger, doch am 13. / 14. April 2009 allenthalben zahlreich auf (Längsfleckiger Marienkäfer Myzia oblongoguttata, Vierpunkt-Marienkäfer Harmonia quadripunctata). Vier Arten schließlich konnten lediglich in wenigen Exemplaren belegt werden (Vierzehnpunkt - Marienkäfer Calvia quatuordecimguttata, Achtzehnfleckiger Marienkäfer Myrrha octodecimguttata, Nadelbaum - Marienkäfer Aphidecta obliterata, Elfpunkt-Marienkäfer).
Varietäten zahlreich vertreten
Von Arten, deren Farb- und/oder Mustervariabilität bekannt sind, wurden verschiedene Varietäten aufgesammelt. Das betrifft insbesondere Augenmarienkäfer, Vierpunkt-Marienkäfer und Ostasiatischer Marienkäfer sowie Zehnpunkt-Marienkäfer. Beim Zweipunkt-Marienkäfer fielen regelmäßig rote und schwarze Formen nebeneinander auf.
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