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Jetzt Mitglied werden!Nationalpark Ostsee – für einen effizienten, zukunftsorientierten Meeresschutz!
Editorial Betrifft: Natur 3 / 2023
Fast täglich liest man in den Medien neue Negativmeldungen aus aktuellen Studien der Wissenschaft, die weitere Teile dem desaströsen Zustand-Puzzle der Ostsee hinzufügen. Spätestens wenn es die eigene Person tangiert – in Form von Blaualgengefahr am Badestrand oder aber als Gewissheit, dass der beliebte Dorsch den Kipp-Punkt seiner Regenerationsfähigkeit überschritten hat und mittelfristig von der Speisekarte verschwindet – entwickelt der Mensch ein neues Verhältnis zum Meer und er erkennt, dass unter der Wasseroberfläche etwas in eine fatale Richtung steuert.
Der Umweltschaden unter Wasser und dessen Folgen sind mittlerweile so überdeutlich, dass ein Leugnen des Handlungsbedarfs nicht glaubhaft wäre. So verwundert es nicht, dass selbst Nationalparkgegner*innen es für strategisch klug halten, dem „Nationalpark - Nein“ ein „Schutz für die Ostsee – Ja“ voranzustellen. Zuweilen wird sogar auf zu erfüllende Verträge wie die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) hingewiesen und auf das Vertragsverletzungsverfahren der EU, das den fehlenden Schutz der Natura 2000-Schutzgebiete kritisiert und mit Strafzahlungen droht. Im Fokus steht auch - wie zuletzt von den CDU-Abgeordneten Jepsen und Nicolaisen als Problem benannt - die Düngeverordnung, für deren Verschärfung ihre Partei sich bislang allerdings eher weniger engagierte.
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der Slogan gegen den Nationalpark (NP) als ein Paradoxon, denn der Nationalpark bietet ja genau das: die Einführung von effektiven Schutzmaßnahmen in Meeresschutzgebieten und die vertragsgemäße Umsetzung der MSRL- Ziele und -Handlungsfelder, hier: „Meere ohne Beeinträchtigung der marinen Arten und Lebensräume durch die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten“ sowie Meere ohne Beeinträchtigung durch Lärm. Dass diese Ziele ohne Einschränkungen nicht erreichbar sind, liest man bei den Protesten entweder gar nicht, oder sie werden nur von jeweils anderen ‚Betroffenen‘ eingefordert. Glaubwürdig ist das nicht!
'Ängste schüren' als Verhinderungsstrategie
Wie schon bei der Einrichtung anderer Nationalparke in Deutschland werden massiv Ängste vor möglichen Veränderungen geschürt und ein Verschwörungsszenario aufgebaut, das tatsächlich bei manchen verfängt. Anders ist nicht erklärbar, dass der Minister etwa deutlich erklärt, dass das Segeln auch in Zukunft wie bisher grundsätzlich möglich sein wird, aber zugleich Segler*innen Protestaktionen starten, um gegen angebliche Segelverbote zu demonstrieren. Sogar Vertreter*innen von Tourismus und Gemeinden, die in allen NP-Regionen von der neuen ‚Marke Nationalpark‘ immens profitieren würden, sprechen sich in Teilen gegen einen NP Ostsee aus – obgleich die meisten Tourist*innen mit einem Nationalpark zumeist nur Positives verbinden. Sie übernehmen unreflektiert die absurden Fake-News der Ängste-Schürer – wie die Behauptung, Badestrände würde geschlossen, obwohl die nicht einmal Teil der Potenzialkulisse sind. Positive Wirtschafts- und Besucherzahlen und die Zufriedenheit der Bevölkerung im Nationalpark Wattenmeer, den heute nur noch 3 % ablehnen, will man als Signal an der Ostsee offenbar nicht verstehen.
Wenn der Nationalpark umgesetzt und es dann darum gehen wird, wo etwa ein „Multimar Ostseeforum“ gebaut wird, darf man gespannt sein, ob dann nur die NP-Befürwortenden „hier“ rufen werden. Es ist zu hoffen, dass die Desinformation bald ein Ende findet und bei den Nein-Sager*innen die irrationale Verweigerungshaltung einem konstruktiven, gemeinsamen Prozess der Gestaltung weicht. Dann kann auch die Politik in eine Abwägung eintreten, die nicht nur die Lautstärke eines fehllaufenden Protestes als Entscheidungsgrundlage sieht. Denn „Gegen die Menschen“ liefe nur eine Entscheidung, die unter Wasser den Schutz und die Wiederherstellung wichtiger Lebensgrundlagen von Mensch und Tier erschwert.
Aktuell erfüllen die Meeresschutzgebiete diese Funktionen nicht, denn alle das Ökosystem schädigenden Nutzungen werden fortgeführt. Selbst die Fischerei ist fast überall erlaubt und gefährdet so durch mangelnde Rückzugs- und Regenerationsräume ihre eigene Grundlage. Große, nutzungsfreie Schutzgebiete bieten aber die Chance für eine Erholung der Fischbestände und eine Anpassung der biologischen Systeme an den Klimawandel, wie neuere europäische Studien bestätigen.
Die wichtigsten Maßnahmen sind:
- die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (z.B. Verschärfung der Düngeverordnung)
- die Bergung von Munitionsaltlasten (startet jetzt, muss aber langfristig durch Bund und Länder finanziert werden)
- Maßnahmen zur Umsetzung der MSRL (Ausweisung von Ruhezonen und Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme)
- Umsetzung von natürlichen Klimaschutzmaßnahmen (Regeneration von Riffen und Seegraswiesen).
Ein Nationalpark schafft die besten Voraussetzungen für diesen effektiven Schutz: wichtige Schutzgebiete werden zusammengeführt, effiziente Managementpläne betrachten das gesamte Gebiet und sorgen so für eine konsequentere Umsetzung des Schutzes. In einem Nationalparkkuratorium erfolgt die Abstimmung der Maßnahmen im Dialog mit den Interessen von Tourismus, Fischerei, Wassersport und Naturschutz.
Kurzum: Nur ein Nationalpark bietet eine ganzheitliche Lösung für einen effizienten, zukunftsorientierten Meeresschutz, für den ich mich nachdrücklich einsetze. Helfen auch Sie dabei mit!
Dagmar Struß
Stellv. NABU-Landesvorsitzende
DS, 8. August 2023