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Jetzt Mitglied werden!Schachbrettblume, Kiebitz und Storch
Vögel und Pflanzen in der Haseldorfer Marsch
Immer mehr Feuchtgebiete und Feuchtwiesen werden trockengelegt, und damit schwindet der Lebensraum dieser wunderhübschen Blume. Doch nicht nur sie, auch Kiebitze, Störche und andere Wiesenvögel verlieren dadurch ihre Lebensgrundlagen.
Schachbrettblume
Die Tulpe an der Elbe
Es ist kaum zu glauben, dass zur Zeit des 1. Weltkrieges, also vor ca. 80 Jahren, die Schachblume Körbe weise nach Hamburg auf die Wochenmärkte geliefert wurde. Diese Blume blühte in großen Massen auf den Außendeichwiesen der Elbe und ihrer Nebenflüsse.
Es wurden sogar "Tulpenschlachten" ausgetragen, wie meine 95jährige Mutter zu berichten weiß, und zwar zwischen den Bewohnern der Elbinseln Altenwerder und Finkenwerder. Damals trennte die "Lütt-Elv" die beiden Inseln, und die damalige Jugend wachte eifersüchtig über die Massenvorkommen der Wildtulpenart auf den Feuchtwiesen in diesem Gebiet. Meine Mutter hatte einen Arm voller Schachtulpen für ihre Mutter gepflückt und musste erleben, wie plötzlich eine Bande Finkwarder Jungs sich auf sie stürzte, ihr die Blumen entriss und davon stürmte.
Wäre sie ein Junge gewesen, hätte sie bestimmt auch noch eine Tracht Prügel bezogen. Schade eigentlich, dass solche "Tulpenkämpfe" heute nicht mehr stattfinden können, denn schon 1936 wurde die Schachbrettblume unter Naturschutz gestellt. Die Bestände waren in sehr kurzer Zeit dramatisch zurückgegangen, weil Feuchtwiesen trockengelegt oder mit Sand aufgespült wurden, um das Land anders und intensiv, zum Teil auch industriell, zu nutzen.
Im Volksmund hat die Schachbrettblume Fritillária meleágris viele Namen:
- "Schachbretttulpe" wegen der Andeutung der Schachbrettmusterung.
- "Schachblume" wegen des Schachbrettmusters.
- "Perlhuhnblume", das ist die wörtliche Übersetzung des wissenschaftlichen Namens.
- "Kiebitzblume", die Knospe und die Blüte wurden mit einem Kiebitzei verglichen.
- "Hadbarsei", damit war das Adebars- oder Storchenei gemeint.
- "Eierbloom", Vergleich mit einem kleinen Ei.
- An der Elbe wird oft von den "wilden Tulpen" oder der "Reettulp" gesprochen.
Tatsächlich hat die Schachbrettblume Ähnlichkeit mit der Tulpe. Beide gehören zur Familie der Liliengewächse. Die sechs Blütenblätter sind schachbrettartig gemustert und purpur farben oder weißlich. Hummeln und Bienen holen sich den Nektar aus den glockig-nickenden Blüten. Die Vermehrung geschieht durch Teilung der Zwiebeln oder durch Samen, die Mitte Juni reif sind und vom Wind verweht werden. Deshalb sollten Schachblumenwiesen nicht vorher gemäht werden. Die Samen sind außerdem schwimmfähig und könnten bei Überflutungen weit verdriftet werden. Durch den Bau des neuen Elbdeiches vor ca. 20 Jahren treten solche Überflutungen leider nicht mehr auf.
Der Typus "Überschwemmungsnasswiese" und "Nasswiese" ist bei uns weitgehend verloren gegangen. Geblieben sind einige sog. frisch-feuchte Wirtschaftswiesen, die der Schachbrettblume noch einen letzten Lebensraum bieten. Solche Wiesen liegen in der Wedeler Marsch um die Idenburg herum und sind noch eines der bedeutendsten Vorkommen dieser stark gefährdeten Pflanze in der Bundesrepublik.
Die Vegetation auf einer Nasswiese entwickelt sich im Frühjahr etwas später als auf "normalen" Weiden und Wiesen. Dadurch kann sich die Schachblume frei entfalten und ohne große Konkurrenz durch andere Pflanzen und Gräser aufwachsen. Sie hat ihre Wachstumsperiode schon beendet, wenn sich die anderen Wiesengewächse auszubreiten beginnen. Zur Schachbrettblumengesellschaft gehören die Sumpfdotterblume und das Wiesenschaumkraut. Die Sumpfdotterblume, die unter Naturschutz steht, hat sich an die Grabenränder zurückgezogen, und auch das Wiesenschaumkraut ist rückläufig.
Kiebitz
Auf feuchte Wiesen angewiesen
Nicht nur für gefährdete Pflanzenarten bilden Nass- und Feuchtwiesen lebensnotwendige Grundlagen, sondern auch für Bodenbrüter, wie z. B. Kiebitze und andere Wiesenvögel: Das hier späte Wachstum der Flora gestattet den Bodenbrütern freie Sicht nach allen Seiten. Während der Brutzeit und der Aufzucht der Jungen ist das für sie lebenswichtig. Außerdem ist feuchter Boden weich und nahrungsreich; die Wiesenvögel können mit dem Schnabel leicht in das Erdreich eindringen und Beute ertasten.
Aufgrund des Deichbaues, der Trockenlegung von Nasswiesen, der Umwandlung von Grünland und der sehr intensiven Landwirtschaft wurde der Lebensraum von "Kiebitz & Co." (Uferschnepfe, Bekassine, Rotschenkel, Storch u. a. m.) stark eingeschränkt.
Einige Kiebitze versuchen immerhin, auf trockene Standorte auszuweichen, z. B. auf Felder, Äcker oder in Kiesgruben. Untersuchungen ergaben jedoch einen wesentlich geringeren Bruterfolg in diesen Ersatzbiotopen. Die großen Trupps (überwiegend skandinavische und osteuropäische Vögel), die während der Zugzeit an der Elbe zu beobachten sind, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bestandsentwicklung des Kiebitzes in allen Bundesländern stark rückläufig ist und die geringen Bruterfolge in Deutschland fast nirgendwo zum Überleben dieser Vogelart ausreichen.
Wir können es uns heutzutage nicht mehr vorstellen, dass es Zeiten gab, da Kiebitz-Eier in großen Mengen gesammelt und auf Märkten und in Geschäften zum Verkauf angeboten wurden. Der Eiserne Kanzler Otto v. Bismarck verzehrte allein 12 Kiebitz-Eier zum Frühstück! Das entspricht drei Gelegen!
Es ist nun nicht so, dass wir uns die "guten alten Zeiten" wieder herbeiwünschen, aber überlegen sollten wir uns wirklich, ob es nicht eine Lebensbereicherung für uns alle, besonders aber für unsere Kinder, wäre, feuchte Grünlandflächen zu schützen und durch extensive Bewirtschaftung zu erhalten. Es sind immerhin 3.500 Tierarten und eine Vielzahl verschiedener Pflanzen, die im Lebensraum Nass- und Feuchtwiese zu finden sind.
Der Weißstorch
Unterwegs auf langen Beinen
Es gibt kaum ein Kind, das den Storch nicht schon früh in Bilderbüchern kennenlernt. Aber wie viele Kinder sehen ihn denn tatsächlich draußen in der freien Landschaft? Es ist auch für uns Erwachsenen fast schon eine kleine Sensation, wenn wir ihn am Himmel kreisend oder auf einer Wiese nach Nahrung suchend stolzieren sehen. Vor gut 50 Jahren gab es in der Wedeler- / Haseldorfer Marsch noch etwa 40 Brutpaare. Im vergangenen Jahr, 1999, brütete gerade noch ein einziges Storchenpaar bei uns, und das konnte durch einen Unglücksfall noch nicht einmal seinen Nachwuchs aufziehen. Wird dieser herrliche Großvogel bald ganz ausgestorben sein in Deutschland? Dafür wären wir Menschen durch intensive Nutzung und Ausnutzung der Landschaft dann Hauptverursacher.
Text: Christa Bosch