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Beeindruckende Schar | Schäden lassen sich vermindern
Nicht jeder freut sich, wenn die Wildgänse im Herbst bei uns zu Hunderten einfallen. Wenn sich gar Tausende von ihnen auf frisch eingesätem Wintergetreide niederlassen, reagieren manche Landwirte verärgert. Doch wenn man ihnen einen ausreichend großen Ruheraum gönnt, bleibt der Schaden zumeist begrenzt. Wildgänse ziehen inzwischen Grünland oder Getreidefelder den natürlichen Feuchtwiesen oder den Salzwiesen an der Küste vor, denn das sprießende Grün auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ist zumeist eiweißreicher und nahrhafter als andere Pflanzen.
Wildgänse sind keine Flugkünstler wie die Schwalben, segeln nicht majestätisch wie Adler. Ihr Flug beeindruckt durch etwas anderes: Wer den Keil der Gänse am Himmel sieht oder ihre Rufe hört, der fühlt, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben und einen ebenso langen hinter sich.
Von den weltweit 15 Gänsearten können sieben regelmäßig in Europa beobachtet werden. Sie verbringen den Winter hier in großen Gemeinschaften bis zu mehreren 100 Individuen. Zu den sogenannten Meeresgänsen, die vorwiegend im Watt oder auf Salzwiesen an der Nordseeküste anzutreffen sind, gehören die Ringelgänse, Nonnengänse und Kanadagänse. Im Binnenland auf Äckern und Wiesen sieht man hauptsächlich Graugänse, Saatgänse, Kurzschnabelgänse und Blässgänse weiden. Die meisten Gänsearten brüten in der Arktis und kommen zum Überwintern zu uns nach West- und Mitteleuropa. Hier herrschen milde Winter, es gibt wenig Feinde, aber dafür die ganze kühle Jahreszeit über reichlich Grünes zu fressen.
Die Wildgänse orientieren sich an auffälligen Leitmarken wie Flüssen oder Küstenlinien. Wenn nachts der Mond hell genug scheint, können die Gänse auch dann fliegen. Sie suchen ihre alten Brut- oder Überwinterungsgebiete wieder auf. Solange es ihnen dort gut geht werden sie jedes Jahr zurückkehren. Aber es gibt aus unserem Jahrhundert viele Beispiele, dass sich die Gänse bei Veränderungen wie Trockenlegung, neuen Anbaumethoden, zu vielen Jägern oder ähnlichem einen anderen Platz aussuchen.
Brut- und Überwinterungsgebiete der Weißwangengänse
In dem kurzen arktischen Sommer Nordsibiriens ziehen die Weißwangengänse ihre Jungen groß. Die müssen mit auf den herbstlichen Zug, wenn sie noch keine drei Monate alt sind. Junge und Alte brauchen eiweißreiche Nahrung, um schnell zu wachsen beziehungsweise Fettreserven für den Flug in die Überwinterungsgebiete anzulegen.
In der Arktis können sie Tag und Nacht durch die Mitternachtssonne fressen, weil es hell genug ist. Dazu kommt die weite offene Landschaft, in der es für Feinde schwierig ist, sich unbemerkt zu nähern, und in der genug Wasserflächen vorhanden sind, um vor ihnen zu flüchten.
Die jungen Weißwangengänse brauchen aber noch die Führung der Eltern! Wildgänsen ist der Zugweg nicht angeboren wie den kleineren Singvögeln.
Nils Holgerssons Gänse werden von der alten, erfahrenen Akka von Kebnekajse angeführt. Die Gänse wechseln sich im Flug regelmäßig bei der Führung ab, denn die Spitzenposition strengt am meisten an. Die nachfolgenden Gänse profitieren jeweils vom Flügelschlag der vor ihnen fliegenden Gans, der ihnen Auftrieb verleiht.
Die Nonnengans, wegen ihres schwarzweißen Kopfes auch Weißwangengans genannt, überwintert in den Küstengebieten der Nordsee. Sie kommt auch immer häufiger auf Äcker und Wiesen im Binnenland, u.a. auch in der Haseldorfer Marsch, vor. Die gesamte Zahl der Nonnengänse wird zur Zeit auf 330.000 geschätzt.
Im Frühjahr ziehen die Nonnengänse nach Nordsibirien. Sie brüten dort an den großen Flüssen bis weit ins Binnenland, wo sie ihre Nester auf kahlen felsigen Inseln und Felsklippen bauen.
Graugänse brüten inzwischen in der Haseldorfer Marsch
Die skandinavische Population der Graugänse, deren weltweiter Bestand auf 521.000 geschätzt wird, rastet auf dem Weg in die Überwinterungsgebiete in Spanien oder auf ihrem Rückflug in die skandinavischen Brutgebiete unter anderem in der Haseldorfer Marsch.
Dort haben sich inzwischen auch rund 20 Brutpaare niedergelassen, die im Schilf und in den Binsen im binnendeichs gelegenen Teil des NSG "Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland" ein gutes Versteck für das Nest aus Zweigen, Schilf und Blättern gefunden haben.
Die Blässgans ist unser häufigster Wintergast
In Europa überwintern die Blässgänse, unser häufigster Wintergast (in Europa gibt es insgesamt 1,5 Millionen), von Westpolen bis zur Normandie. Feuchte, teilweise überflutete Gebiete mögen sie am liebsten. In Südosteuropa wurden viele Feuchtgebiete trockengelegt und kultiviert. Deshalb überwintern viele Blässgänse nicht mehr in Südosteuropa, sondern in Mittel- und Westeuropa, wo ihre Zahl dadurch stark zugenommen hat. Sie finden ihre Nahrung auf Wiesen und Weiden, aber auch auf Äckern, wo sie Wintergetreide, Raps und Klee zupfen.
Beim Frühjahrszug in die Brutgebiete in der arktischen Tundra fliegen die Blässgänse innerhalb von zwei Monaten bis zu 5.000 Kilometer. Dabei machen sie mehrere Zwischenrasten, zum Beispiel im Überschwemmungsgebiet der mittleren Oka, östlich von Moskau, wo 200.000 durchziehende Gänse zu beobachten sind.
Verursachen Gänse Ernteschäden?
Nicht jeder freut sich über das Kommen der Wildgänse im Herbst. Wenn sich Tausende von ihnen auf frisch eingesätem Wintergetreide niederlassen, kann man den Ärger des Landwirts verstehen, um dessen Feld es sich handelt. Die Wildgänse ziehen inzwischen Grünland oder Getreidefelder den natürlichen Feuchtwiesen oder den Salzwiesen an der Küste vor, denn das sprießende Grün ist sehr viel eiweißreicher und nahrhafter als andere Pflanzen.
Durch verstärkte Schutzmaßnahmen, Jagdeinschränkungen vor allem in den Brutgebieten, aber auch veränderte Zugwege, ist es bei uns in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Zahl der Wildgänse gekommen, während sie in anderen Gebieten abgenommen haben. Landwirte und Jäger fordern nun den Staat auf, entweder Entschädigungen zu zahlen oder die Wildgänse wieder zum Schuss freizugeben bzw. bestehende Jagdzeiten auszuweiten.
Untersuchungen zeigen, dass ein Acker voller weidender Gänse noch lange nicht gleichbedeutend mit einem völligen Ausfall der Ernte ist. Kommen sie auf ein frisch eingesätes Feld, ist womöglich eine neue Einsaat nötig. Wenn sie dagegen die Blätter des Wintergetreides abzupfen, das schon fest verwurzelt ist, dann erholen sich die Pflanzen wieder so gut, dass der Besuch der Gänse bei der Ernte nicht mehr zu bemerken ist. Manchmal wird sogar die Ernte nach der Beweidung besser, weil durch den Gänseverbiss mehrere Halme mit Ähren entstehen.
Immer wieder hört man auch Klagen über den "ätzenden Gänsedreck, der die Pflanzen verbrennt". Immerhin lassen die Gänse 18 Mal in der Stunde ein Kotwürstchen fallen. Diese Kotwürstchen bestehen vor allem aus Zellulose, einem Bestandteil der pflanzlichen Zellwände. Der Gänsekot enthält weder Säuren noch Laugen, sein pH-Wert liegt im neutralen Bereich. Ein einfacher Versuch zeigt, dass auf Flächen, die mit Gänsekot gedüngt wurden, die Pflanzen nicht etwa eingehen, sondern im Gegenteil größer und üppiger wachsen.
Wie kann das Gänseproblem gelöst werden? Aus Sicht der Projektgruppe Gänseökologie der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft wäre es am besten, die Gänse in Ruhe zu lassen, den angerichteten Schaden realistisch zu schätzen und den Landwirten Ausgleichszahlungen zu geben. Das Verscheuchen und Stören führt eher dazu, dass sie durch den Stress wieder mehr Energie verbrauchen, d.h. mehr fressen müssen. Irgendwann reicht die Zeit nicht mehr - die Tage sind kurz im Winter. Die Gänse magern ab. Gerade im Frühjahr ist das schlimm, denn eine magere Gans wird den Flug ins Brutgebiet kaum schaffen. Und falls sie doch dort ankommt, ist sie sicher nicht kräftig genug, um zu brüten und Junge großzuziehen.
Text: Uwe Helbing
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