'Jamaika'-Koalition in Kiel
Natur- und Umweltschutzpolitik in den Jahren 2017 bis 2022
aktuelles
Der NABU begleitet konstruktiv-kritisch die Arbeit der neuen Landesregierung sowie des Kieler Ministeriums für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur MEKUN und des Ministeriums für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz, bewertet zudem die umweltpolitische Arbeit der Opposition von SPD, FDP und SSW. Mehr →
Am 16. Juni 2017 war es soweit: Daniel Günther (CDU), Monika Heinold (Grüne) und Heiner Garg (FDP) unterschreiben den 114 Seiten starken Koalitionsvertrag der Jamaika -Koalition. Damit ist der Weg frei für eine Landesregierung, die sich vorgenommen hat, in einem Bündnis aus CDU, Grünen und FDP die nächsten fünf Jahre (von 2017 bis 2022) Schleswig- Holstein gemeinsam zu regieren. Das Wappentier dieser Koalition ist ein Morpho-Falter, deren Larven sich kannibalisieren (also gegenseitig auffressen). Wenn sie dieses Stadium überleben, entwickeln sie sich nach der Verpuppung zu wunderschönen – allerdings blauflügeligen – Schmetterlingen. Warum die Jamaika - Koalition sich trotzdem für diesen Schmetterling, der in Wirklichkeit gar nicht ihre Farben trägt, als Wappentier entschieden hat, bleibt ihr Geheimnis.
Kein Geheimnis sind die Inhalte des Koalitionsvertrages. Das Ziel – so die Autoren – verbindet. Dieser Koalitionsvertrag sei weltoffen, wirtschaftlich wie ökologisch stark und menschlich. Einige Punkte aus den Bereichen Natur, Umwelt, Landbewirtschaftung, Energiewende und Verkehr:
- Das Landesnaturschutzgesetz soll nicht geändert werden, es sei denn, wenn durch das im Gesetz geregelte Vorkaufsrecht der Landesregierung für mehr als 100 ha pro Jahr ausgeübt wird. Dies wird jedoch nach den Erfahrungen der letzten Jahre nicht eintreten.
- Meeresschutz: Die Vertragspartner verpflichten sich, den Eintrag von Nährstoffen zu verringern und ein europäisches Verbot der Anwendung von Mikroplastik auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus sollen Fischereinullnutzungszonen auch zum Schutz der Schweinswale eingerichtet werden - auf der Basis einer Einigung mit Naturschützern und Nutzern.
- Im Weltnaturerbe und Nationalpark Nordfriesisches Wattenmeer soll – analog zu dem „Muschelvertrag“, der zwischen Muschelfischern, Nationalparkverwaltung und Naturschutzverbänden ausgehandelt wurde – mit den Krabbenfischern die bereits begonnenen Verhandlungen mit dem Ziel fortgesetzt werden, hier einen ähnlich einvernehmlichen Vertragsabschluss zu erzielen.
- Die Verbringung von Hamburger Elbeschlick am Rande des Nationalparks Wattenmeer wird kritisch gesehen. Allerdings kann der NABU der vorgeschlagenen Alternative, nämlich den Elbeschlick in der AWZ (ausschließliche Wirtschaftszone) zu verklappen, überhaupt nicht zustimmen.
- Der „Flächenverbrauch“ soll insbesondere durch verstärkte Inanspruchnahme von Brachflächen und Baulücken im Innenbereich erfolgen. Dies steht allerdings in deutlichem Widerspruch zu der auch in diesem Koalitionsvertrag erhobenen Forderung, im Bereich der Kommunen das Blühangebot zu erhöhen.
- In der Landwirtschaft soll es - und das ist eine der bemerkenswertesten Aussagen - zukünftig kein Ziel mehr sein, schon jetzt höchste Erträge noch weiter zu steigern, sondern Bewirtschaftungsmethoden zu entwickeln, die nur minimale Umweltbelastungen verursachen. Die Agrar- und Umweltpolitik in Schleswig-Holstein soll zukünftig den Anspruch haben, dass Gemeinwohlleistungen stärker gewürdigt werden als mit dem derzeitigen ineffizienten Greening. Nur durch das Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ können zukünftig noch Transferleistungen überzeugend begründet werden.
- Die Erzeugung von Strom durch die Nutzung von Windenergie ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sieht es der NABU sehr kritisch, wenn von vornherein auf einer planerisch festgelegten Fläche eine bestimmte vorgegebene Windkraftleistung erzielt werden soll – ohne eine umfassende Kenntnis über mögliche Naturbeeinträchtigungen auf einigen dieser Flächen zu haben. Darüber hinaus vermisst der NABU den deutlichen Willen, durch Förderung von Energieeinsparungsmaßnahmen zur – auch vom NABU stark unterstützten – Substituierung der Stromerzeugung durch Atomkraftwerke beizutragen.
- Mit dem Satz: „Nachhaltige Angelfischerei in den Vereinen ist gelebter, praktischer Naturschutz und entsprechend anzuerkennen.“ kann sich der NABU nun allerdings nicht einverstanden erklären. Wer einerseits von Tierwohl spricht und dies auch verwirklicht sehen möchte und darüber hinaus die Einrichtung eines/einer Tierschutzbeauftragten ankündigt, kann andererseits die Angelfischerei nicht als praktischen Naturschutz definieren, da einerseits den Fischen durch die Widerhaken im Maulbereich unendliche Schmerzen zugefügt werden und andererseits die ungesteuerte Entnahme bzw. der Besatz von bestimmten Fischarten aus limnischen und marinen Ökosystemen ganz bestimmt nicht dem Schutz dieser Ökosysteme dienen.
- Dass die Regelung, dass juristische Personen ihre Flächen von der Jagdausübung befreien lassen können, kurzfristig jetzt auch in Schleswig-Holstein möglich werden soll, begrüßt der NABU sehr.
Dies erkannt und den politischen Willen geäußert zu haben, dies in den kommenden Jahren ernsthaft ändern zu wollen haben die KoalitionärInnen in diesem Koalitionsvertrag, den der Ministerpräsident Daniel Günther zum verbindlichen Handlungsleitfaden der Landesregierung erklärt hat, glaubhaft versichert. Wie sagte doch der bisherige und neue stellvertretende Ministerpräsident und der bisherige und neue Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck: „Ein Wort ist ein Wort!“
Der NABU wird ihn beim Wort nehmen und die Natur- und Umweltschutzpoltik der Landesregierung aus CDU, B90 / Die Grünen und FDP in den Jahren 2017 bis 2022 kritisch-konstruktiv begleiten.
HS, ILu, akt. 2. August 2017