Der NABU ist aktiv, um unser Naturerbe zu erhalten. Damit Sie auch weiterhin heimische Tiere und Pflanzen erleben können, braucht der NABU Ihre Unterstützung - am Besten noch heute!
Jetzt Mitglied werden!Kritik an Änderungsentwurf der Landesverordnung über jagdbare Tierarten und Jagdzeiten
Fehlende Berücksichtigung des Naturschutzes
Der NABU Schleswig-Holstein hat eine umfangreiche Stellungnahme zu den geplanten Änderungen der Jagdzeitenverordnung in Schleswig-Holstein abgegeben. Diese Änderungen betreffen an erster Stelle die Verlängerung der Jagdzeiten für mehrere Vogelarten. Laut NABU werfen die geplanten Maßnahmen erhebliche naturschutzfachliche und ethische Fragen auf.
(Die Original-Stellungnahme aus der Feder des Landesvorstandsmitglieds Fritz Heydemann finden Sie am Ende des Textes zum Download.)
Verlängerung der Jagdzeiten für die Ringeltaube unnötig und fragwürdig
Ein Kritikpunkt des NABU ist die geplante Verlängerung der Jagdzeiten für die Ringeltaube. Der Verordnungsentwurf sieht vor, die Jagdzeit vom 20. August bis 31. Oktober und vom 1. Februar bis 31. März zu erweitern. Diese Maßnahme wird mit dem Schutz landwirtschaftlicher Flächen begründet, auf denen sich Taubenschwärme niederlassen und Schäden verursachen könnten. Der NABU hält diese Begründung jedoch für unzureichend und verweist auf den Experten Bernd Koop, der für die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein (OAGSH) betont, dass Ringeltauben im Winter hauptsächlich auf Maisstoppelfeldern nach Nahrung suchen und somit kaum Schäden anrichten. Der Ornithologe erklärt, dass ein Großteil der Ringeltaubenpaare im Winter in ihren Brutrevieren verbleiben. Die Schwärme suchen vor allem auf Maisstoppelfeldern nach Nahrung, wo sie keine nennenswerten Schäden anrichten. Auch auf Getreide- oder Rapsstoppeln verursachen sie keine erheblichen Schäden. Nahrung suchende Schwärme auf Rapssaaten, wie sie in der Vergangenheit häufiger vorkamen, treten fast gar nicht mehr auf. Dementsprechend dürfte der Schadensumfang durch Ringeltauben deutlich gesunken sein.
Kollision mit der Brutzeit
Eine weitere Kritik des NABU bezieht sich auf die zeitliche Ausdehnung der Jagdzeiten, die mit der Brutzeit der Ringeltaube kollidiert. Laut Bernd Koop führt die Ausweitung der Jagdzeit zu einer Bejagung in der Hauptbrutzeit, was gegen Artikel 7 der EU-Vogelschutzrichtlinie verstößt. Diese Richtlinie verbietet die Jagd während der Nist-, Brut- und Aufzuchtzeiten. Besonders problematisch ist die Jagdzeit vom 20. August bis 31. Oktober, da die Ringeltauben zu dieser Zeit ihre Jungen mit Kropfmilch aus Getreide von den Stoppelfeldern versorgen. Auch die Verlängerung der Jagdzeit bis in den März hinein stellt eine Bejagung in der Brutzeit dar, da die Brutzeit bereits im Februar beginnt.
Der NABU weist zudem auf die tierschutzethischen Probleme hin, die durch den Beschuss von Vogelschwärmen entstehen. Beim Beschuss von Schwärmen werden häufig nicht nur das Zielobjekt, sondern mehrere Vögel getroffen und verletzt, was zu einem qualvollen Tod führen kann. Da Tauben im Schwarm dicht zusammen auffliegen oder auf dem Feld sitzen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mehrere Vögel getroffen werden. Überdies sind oft Hohltauben mit Ringeltauben in deren Schwärmen vergesellschaftet und können leicht verwechselt werden. Hohltauben sind deutlich seltener und zählen nicht zu den jagdbaren Arten. Der NABU betont, dass es bei der Vergrämung von Tauben keine Notwendigkeit für letalen Beschuss gibt. Schreckschüsse genügen, um die Tiere zu vertreiben.
Aus diesen Gründen lehnt der NABU eine Verlängerung der bestehenden Jagdzeit (1. November bis 31. Januar) auf Ringeltauben ab. Der Schutz der Ringeltaube während ihrer Brut- und Aufzuchtzeit muss gegeben sein, um die Bestände der Art zu erhalten.
Jagdzeiten für Graugänse und Kanadagänse
Der NABU kritisiert auch die geplante Vorverlegung der Jagdzeiten für Graugänse und Kanadagänse auf den 16. Juli. Diese Maßnahme würde zu einer erhöhten Sensibilität und Fluchtbereitschaft der Gänse führen, was wiederum andere Wasservögel aufscheuchen und deren Lebensräume beeinträchtigen könnte. Besonders problematisch sind diese Störeffekte im Sommer und Frühherbst, wenn viele Wasservögel mausern oder auf dem Herbstzug rasten. Der NABU fordert daher, die Jagdzeiten auf den Herbst zu verschieben, um diese Störungen zu minimieren.
Graugänse als besonders lernfähige Vögel zeigen mit Beginn der Jagdzeit eine erhöhte Sensibilität bei der Annäherung von Menschen. Durch ihr Fluchtverhalten reißen sie andere, nicht oder noch nicht zu bejagende Wasservögel mit hoch bzw. verlängern deren Fluchtdistanzen erheblich. Daraus entstehen letztendlich viele Konflikte zwischen Wassersport und Naturschutz, die häufig in Auseinandersetzungen um Befahrensverbote münden. Diese erhöhten Störeffekte sind besonders problematisch im Sommer und Frühherbst, wenn auf den Seen und Teichen viele Wasservögel mausern oder auf dem Herbstzug rasten oder sogar noch Junge führen.
Die beabsichtigte Vorverlegung der Graugansjagdzeit auf den 16. Juli ist außerdem deswegen kritisch zu sehen, weil dann viele Graugänse bevorzugt auf den (Gersten-)Stoppeläckern fressen. Auf Stoppel fressende Gänse richten aber keinen Schaden an. In diesem Zusammenhang möchte der NABU darauf hinweisen, dass zu einem auch für die Landwirtschaft effektiven Gänsemanagement unbedingt deren konsequente Duldung auf Stoppelfeldern gehört. Deshalb empfiehlt der NABU eindringlich, die Gänsejagd auf Stoppeläckern kategorisch zu verbieten.
Auch in Bezug auf die Kanadagans lehnt der NABU die sommerliche Jagd und damit das Vorziehen des Jagdzeitbeginns auf den 16. Juli aus den bereits zur Graugans genannten Gründen ab. Überdies sind viele Kanadagänse aufgrund der Großgefiedermauser im Juli noch nicht flugfähig. Die Aggressivität zur Brutzeit, hier für Kanada- und Nilgans als Begründung für eine Jagdzeitenverlängerung herangezogen, tritt bei vielen Vogelarten auf. Selbst Kraniche vertreiben andere Vögel, wenn sie Junge führen. Von Wasservögeln ist dieses Verhalten besonders von Höckerschwänen und Blässhühnern bekannt. Eine Bestandsbeeinträchtigung anderer Vogelarten geht damit jedoch nicht einher.
Nil- und Nonnengänse
Obgleich die Nilgans als invasive Art geführt wird, sollte weder daraus noch aus ihrem ausgeprägten Territorialverhalten ein Vorziehen der Jagdzeit auf den 16. Juli abgeleitet werden. Die in der Begründung erwähnte Absicht zur Vereinheitlichung des „jagdlichen Gänsemanagements“ sollte in ihrem Zeitrahmen gegenteilig erfolgen, nämlich mit einer Konzentration des Jagdzeitenbeginns auf den Herbst (1. Oktober).
Die Nonnengans darf als 'Anhang I-Art' der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht als jagdbare Art geführt werden. Zwar ist bei der Nonnengans gemäß Artikel 9 der EU-Vogelschutzrichtlinie die Bejagung über eine Ausnahmeregelung zur „Abwendung erheblicher Schäden von Kulturen“ möglich und diese Regelung von Schleswig-Holstein auch in Anspruch genommen worden, doch hat sich diese im Laufe der Jahre quasi zu einer regulären und ständig weiter ausgedehnten Jagdzeit in den Hauptrastregionen an der Westküste und der Unterelbe entwickelt. Einem zielgerichteten Gänsemanagement, das sowohl einem angemessenen Schutz der Rastpopulation wie auch der Vermeidung von nachgewiesen als erheblich einzustufenden landwirtschaftlichen Schäden dient, entspricht dieses einseitig auf Abschuss ausgerichtete Vorgehen nicht.
Rechtliche und naturschutzfachliche Bedenken
Hinzu kommt, dass die Verpflichtung zum flächenspezifischen Nachweis einer erheblichen Schadwirkung verwässert wird, indem nach dem Verordnungsentwurf zukünftig eine entsprechende, auf die Vorjahre bezogene Bestätigung des betroffenen Landwirts bzw. Jagdausübungsberechtigten ausreichen soll. Zudem soll nach dem vorliegenden Entwurf die bisherige jagdliche Beschränkung auf die Westküsten- und Unterelbekreise entfallen, das heißt, der Abschuss von Nonnengänsen soll auch auf an der Ostküste gelegenen Feldern gestattet werden. Schließlich soll die Jagdzeit noch vom 15. Januar auf den 28. Februar verlängert werden.
Dieses Vorgehen – Festsetzung einer langen und gewissermaßen allgemeinen Jagdzeit – hält der NABU für rechtlich bedenklich. Außerdem ist es hinsichtlich einer Vermeidung von tatsächlich in erheblichem Umfang entstehenden Fraßschäden nicht zielgerichtet. Der NABU betont, dass eine effektive Vergrämung der Gänse von landwirtschaftlich besonders sensiblen Ackerflächen und eine Lenkung auf umfangreiche Gänseäsungsflächen (wie im Vertragsnaturschutz) notwendig ist. Zudem möchte der NABU darauf hinweisen, dass eine Verlängerung der Jagdzeit bis zum 28. Februar mit dem Wiesenbrüterschutz kollidieren würde. Da infolge des Klimawandels die Brutzeit und damit die Ansiedlungsphase von Kiebitz, Uferschnepfe und anderen Arten zeitlich deutlich nach vorne verschoben hat, würde eine Jagdzeit im Februar die Ansiedlung dieser Wiesenbrüter stören bzw. verhindern.
Unverständlicherweise soll die bisherige Bestimmung entfallen, nach der „die erlegten Nonnengänse in den Wildnachweisen gesondert zu erfassen sind“; jedenfalls ist diese Bestimmung im neuen Verordnungstext zu Artikel 1 Nr. 1 d) nicht mehr enthalten. Damit würde eine fachliche Bearbeitung u. a. der Fragen, ob bzw. inwieweit die Bejagung überhaupt zur Schadensvermeidung auf bestimmten Landwirtschaftskulturen beitragen kann und wie sie sich auf die Rastpopulation allgemein und regionalbezogen auswirkt, erheblich erschwert werden. Auch wäre es für die Berichtspflicht des Landes zur Bestandsentwicklung der Nonnengans als Anhang I-Art nicht förderlich, wenn einerseits der verordnungsrechtliche Rahmen für die Bejagung erleichtert werden soll (wodurch erhöhte Abschusszahlen zu erwarten sind) und andererseits keine Daten zur Strecke erhoben werden. Zudem ist für den Fortfall der Vorgabe zur artspezifischen Streckenerfassung kein triftiger Grund zu erkennen - schließlich sollte doch wohl jeder Jäger Nonnengänse von anderen Gänsearten unterscheiden können.
Rabenkrähen sollten keine jagdbare Art sein
Die Jagd auf Rabenkrähen ist aus Sicht des NABU sinnlos. Die in Jägerkreisen gehegte Behauptung, Rabenkrähen würden den Niederwildbestand entscheidend dezimieren, ist bereits vor Jahrzehnten ebenso widerlegt wie die in Teilen der Öffentlichkeit bestehende Annahme, Rabenkrähen und andere Rabenvögel würden einen maßgeblich negativen Einfluss auf Singvogelpopulationen ausüben. Studien und langfristige Bestanderfassungen zeigen, dass eine große Dichte an Rabenkrähenrevieren häufig mit einer hohen Abundanz an Kleinvögeln korreliert. Zudem gibt es keine Hinweise auf eine Zunahme der Rabenkrähe in Landkreisen mit geringer Rabenvogelstrecke oder in jagdfreien Gebieten.
Die erlegten Krähen werden nicht verwertet, sondern weggeworfen. Damit liegt für das Töten von Rabenkrähen kein vernünftiger Grund vor, was nach den Grundsätzen einer ethisch fundierten Jagd nicht akzeptabel ist. Der NABU fordert daher, die Rabenkrähe aus der Liste der jagdbaren Tierarten zu streichen oder zumindest wieder eine Vollschonzeit einzuführen, anstatt ihre Jagdzeit noch bis in den Beginn der Brutzeit zu verlängern.
Weitere betroffene Arten
Der NABU weist zudem erneut darauf hin, dass Arten wie das Mauswiesel, die Waldschnepfe oder die Reiherente mit Jagdzeiten versehen sind, deren Bejagung keinen naturschutzfachlichen Sinn ergibt. Das Mauswiesel ernährt sich weitestgehend von Mäusen und trägt somit zur natürlichen Schädlingsbekämpfung bei. Waldschnepfen und Reiherenten sind Zugvögel, die hauptsächlich bei uns rasten und nicht zur menschlichen Ernährung beitragen.
Sehr kritisch sieht der NABU auch die Jagd auf Iltis und Hermelin. Zwar könnte in ausgewiesenen Wiesenvogelbrutgebieten ein gezieltes jagdliches Management sinnvoll sein, jedoch besteht für eine flächendeckende Verfolgung dieser Arten kein Anlass. Zudem gibt es nur geringe Kenntnisse über die Bestandsentwicklung dieser Kleinraubtiere, was eine umfassende Bejagung weiter in Frage stellt. Auch die Jagd auf Silbermöwen sollte aus naturschutzfachlicher Sicht hinterfragt werden.
Fazit
Der NABU fordert eine stärkere Berücksichtigung naturschutzfachlicher Aspekte bei der Festlegung der Jagdzeiten, um der Biodiversität und dem Artenschutz in Schleswig-Holstein angemessen Rechnung zu tragen.
Der Schutz von Vögeln während ihrer Nist-, Brut- und Aufzuchtzeiten muss Priorität haben. Es bedarf einer differenzierten Betrachtung und einer zielgerichteten Regulation der Jagdzeiten, die sich an den Bedürfnissen der Natur orientiert und nicht einseitig den Interessen von Landwirtschaft und Jägerschaft nachkommt. Nur so kann ein nachhaltiger und ethisch vertretbarer Umgang mit den jagdbaren Arten sichergestellt werden.
hey, DSt 7. Juni 2024