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Jetzt Mitglied werden!Sind Jagd und Naturschutz vereinbar?
Eine funktionelle Betrachtung
Die ursprüngliche Bedeutung der Jagd, wildlebende Tiere für die Ernährung des Menschen zu erbeuten, besteht nicht mehr, seit die Nahrungsmittel von Landwirten erzeugt werden. Die Erbeutung von Wildtieren ist seitdem zu einem Privileg von Einzelnen geworden und wird zum Vergnügen oder als Sport betrieben. Hier setzt ein Teil der Kritik an, weil die Freude über das Töten von hochentwickelten Tieren als Barbarei empfunden wird. Jagd ist immer eine Form der Naturnutzung gewesen und geblieben, und da jede Nutzung zu den ökologischen Belastungen der Natur und zur Gefährdung unseres eigenen Lebensraumes beiträgt, ist es legitim, wenn überprüft wird, welchen Einfluss sie hat, ob sie aus ökologischer Sicht nachteilig, tolerierbar, notwendig oder vorteilhaft für den Naturhaushalt ist.
Die Landschaft hat als Erholungsraum für alle Bürger Bedeutung
Der Erholungswert einer Region für uns Menschen steigt, wenn die biologische Vielfalt hoch ist, d.h. wenn jeder in der Natur möglichst viele wild lebende Pflanzen und Tiere beobachten kann. Erholung suchende Spaziergänger können Wildtiere jedoch heute nur selten und nur in großer Entfernung sehen, weil die bejagten Tiere ihr Verhalten in Anpassung an die jagdlichen Aktivitäten ändern. Sie werden durch die Nachstellungen sehr scheu, ändern ihren Aufenthaltsraum, vergrößern die Fluchtdistanz oder werden nachtaktiv. Rotwild und Rehe ziehen sich in die Wälder zurück, der Fuchs jagt nur noch in der Dämmerung und nachts.
Einfluss auf die biologische Vielfalt
Die Jagd hat einen weiteren Einfluss auf die biologische Vielfalt, die eine entscheidende Voraussetzung für die volle Funktionsfähigkeit des gesamten ökologischen Systems ist, von dem auch die Menschen abhängig sind.
Ohne die Vielfalt sind Funktionen wie die Bereitstellung von sauberem Wasser und sauberer Luft sowie von dauerhaft nutzbaren Böden nicht möglich. Durch die Jagd wird die natürliche Zusammensetzung der Fauna verändert: Denn jagdlich interessante Wildtiere wie Rehe werden gefördert, wenn sie etwa gefüttert werden. Ihre Zahl nimmt zu, während ihre Feinde, also Beutegreifer, die von den Jägern als Konkurrenten empfunden werden, verfolgt und getötet werden. Die Folge ist, dass die biologische Vielfalt abnimmt.
Artenvielfalt nimmt ab
Wenn von Jägern fremde jagdbare Arten ausgesetzt oder verschwundene Arten wieder eingeführt werden, nimmt die Artenvielfalt nicht wirklich zu. Die Neulinge in unserer Fauna (Neozoen) sollen die Liste jagdbarer Arten verlängern, und auch die von Jagdkreisen wieder eingeführten Tiere wie das Birkwild sollen schließlich bei einer Bestandserholung geschossen werden. Sie können sich im allgemeinen in der freien Natur nur halten, wenn sie intensiv gehegt werden oder wenn Beutegreifer, die diese Arten fangen würden, massiv dezimiert oder ausgerottet werden. Insgesamt wird die Artenvielfalt klein gehalten. Die Entnahme von Tieren zu Nahrungszwecken ist in Mitteleuropa nicht mehr notwendig, wäre aber bei manchen häufigen Arten möglich, wenn dabei Kriterien für eine nachhaltige Nutzung beachtet werden. Man kann dann einen Teil des bei der Reproduktion entstandenen Überschusses abschöpfen. Das gilt zur Zeit für Rehe.
Bei Zugvögeln ist es nicht möglich festzustellen, ob ein entnehmbarer Überschuss vorhanden ist. Dazu wären jährliche, länderübergreifende Bestandserhebungen notwendig. Sie sollten daher auch bei uns nicht geschossen werden. Durch die Jagdpraxis, besonders durch Maßnahmen der sogenannten "Hege", dürfen die nicht jagdbaren Arten und deren Lebensräume nicht beeinträchtigt werden.
Trophäen sind kein Grund, ein Tier zu töten
Weitere wichtige Voraussetzungen für eine nachhaltige Nutzung von Wildtieren sind: Das Tier muss sinnvoll verwertet werden, wobei der Gewinn einer Trophäe kein sinnvoller Grund ist, ein Tier zu töten. Die bejagte Art darf nicht gefährdet sein. Wenn alle gefährdeten Arten aus der Liste der jagdbaren Arten genommen werden, bleiben immer noch genügend übrig, um Jagd ausüben zu können. Und es darf nicht in den wenigen Naturschutzgebieten gejagt werden, wenn das den Schutzzielen des Gebietes widerspricht.
In Naturschutzgebieten soll in wohl überlegter Weise allen interessierten Bürgern Natur gezeigt werden können Das ist jedoch nicht möglich, wenn die Wildtiere durch Bejagung vertrieben werden oder so scheu sind, dass sie nicht aus der Nähe beobachtet werden können. Zudem gilt in vielen Schutzgebieten das Prinzip des "Natur Natur sein lassens". Hier soll die Natur entscheiden, in welche Richtung sich ein Gebiet entwickelt.
Notwendige Bejagung
Es gibt Situationen, in denen die Bejagung einer bestimmten Art notwendig erscheinen mag. So ist z.B. in vielen Wäldern eine natürliche Verjüngung des Bestandes nicht mehr möglich, weil das durch Hege stark vermehrte Wild alle jungen Bäume frisst. Die Wirkung des Wildes auf den Wald ist zu erkennen, wenn Flächen eingezäunt werden, so dass das Wild hinter dem Zaun nichts fressen kann. Es entsteht ein artenreicher junger Wald.
Ohne Zaun müsste im gesamten Wald der Wildbestand so dezimiert werden, dass trotz Verbiss durch das Wild dennoch einige junge Bäume eine Chance haben, zu großen Bäumen der nächsten Generation heranzuwachsen. Hier ist die Dezimierung des Wildes aus forstwirtschaftlichen Gründen nur momentan notwendig, wenn gleichzeitig die Hege so eingeschränkt wird, dass keine unnatürlichen Überpopulationen der jagdbaren Arten entstehen.
Naturschutzgebiete bieten Ruhezonen
Der Abschuss von Wildtieren, die auf Äckern Schäden verursachen, muss gut überlegt sein. Die nicht geschossenen, aber aufgescheuchten Individuen brauchen erheblich mehr Nahrung als ungestörte Artgenossen, so dass die Bejagung schließlich letztendlich mehr Schäden verursacht.
Bei Wildgänsen, die häufig in großen Schwärmen auftreten, ist die Wirkung besonders deutlich und die Vertreibung von Äckern nur sinnvoll, wenn den Tieren in der Umgebung völlig ungestörte Flächen in Schutzgebieten zur Verfügung stehen, auf denen sie fressen und rasten können. In den Elbmarschen des Kreises Pinneberg, wo sehr viele Gänse als Zugvögel rasten, bieten sich die Naturschutzgebiete an der Elbe als solche Ruhezonen an. Der Wunsch der Jäger, sogar hier Gänse jagen zu können, ist da wenig hilfreich und läuft der Zielsetzung entgegen.
Ist Jagd erforderlich?
Auf die Frage, ob Jagd zum Schutz der Natur erforderlich ist, gibt es keine plausible, positive Antwort. Weder das Abschießen von Tieren noch die Hege, die zumeist einseitig nur jagdbare Tiere fördert, ist notwendig, um die Natur in unserem Lebensraum zu schützen und zu erhalten.
Die von Jägern häufig geäußerte Behauptung, sie könnten durch den Abschuss von Tieren deren Populationen regulieren, ist aus ökologischer Sicht falsch. Jäger dezimieren nur die Zahl der Tiere. Die Regulation einer Population ist dagegen ein komplizierter, natürlicher Prozess, bei dem Reaktionen der Individuen einer Art und viele äußere, ökologische Faktoren eine viel entscheidendere Rolle spielen als nur die Reduktion einer Bestandsgröße. Der Jäger ist - so zeigt die Praxis - nur ein schlechter Ersatz für ausgestorbene Raubtiere, weil er nicht zuvorderst kranke und schwache Individuen schießt (deren Überlebensfähigkeit er draußen kaum selbst erkennen kann), sondern wahllos eingreift oder im Falle des Schalenwildes nur Männchen erlegt, um eine möglichst stattliche Trophäe zu erhalten. Wenn Jäger wirklich Naturschutz betreiben, tun sie es unabhängig von ihren jagdlichen Aktivitäten.
Ist Jagd angewandter Naturschutz?
Jagd ist eine Nutzung und hat einen Einfluss auf die Natur in unserer Umwelt. Das bedeutet für einzelne Freude und Spaß. Für die Mehrheit jedoch schränkt sie die Möglichkeiten bei der Naturbeobachtung ein. Für andere ist das Töten von hochentwickelten Tieren eine Barbarei. So ist es verständlich, dass die Jagd zunehmend kritisch gesehen wird. Dabei wird Jagd von einigen mit vielen Emotionen verteidigt, von anderen ebenso vehement abgelehnt. Die Argumente der Jägerschaft sind - wie bei der Regulation gezeigt - nicht immer richtig. Andere Argumente sind nicht verständlich, sie wirken wie eine Ausrede, z.B. "Jagd ist angewandter Naturschutz".
Tatsächlich war Jagd immer nur eine Nutzung von Teilen der Natur. Deren Schutz kommt weitgehend ohne jagdliche Aktivitäten aus.
Abr, ILu akt. 15. Februar 2015