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Windenergie und Artenschutz
Die für die Landesplanung und damit auch für die Ausweisung zukünftiger Windenergie-Vorranggebiete zuständige Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein sorgte im Konfliktfeld Windenergie versus Artenschutz in den letzten Monaten für - aus Sicht des Naturschutzes sehr unangenehme - Überraschungen. In Heft 2 / 16 von ‚Betrifft: Natur’ stand noch ein "aktueller Hinweis" auf eine für den Artenschutz positive Änderung der Abstandskriterien. Doch diese war bereits kurz nach Erscheinen des Heftes wieder Makulatur. Denn die Staatskanzlei bestand gegenüber dem Umweltministerium kurzfristig auf Rückabwicklung dieses ursprünglich gemeinsam gefassten Beschlusses. Wohl wissend, dass diese 'Rolle rückwärts' den Naturschutzverbänden gar nicht schmecken würde, versuchte sie, die Angelegenheit stillschweigend zu übergehen.
Zur Erinnerung der bisherige Sachstand: In der Diskussion um künftige Windkraftstandorte spielt für den Naturschutz ein angemessener Abstand zu den Brutplätzen von durch die Windenergieanlagen gefährdeten Großvogelarten wie Seeadler, Rotmilan, Schwarz- und Weißstorch eine besondere Rolle. In Anlehnung an eine Empfehlung der Länderarbeitsgemeinschaft der Staatlichen Vogelschutzwarten, das sogenannte Helgoländer Papier, hat das Landesamt für Natur und Umwelt (heute: Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume - LLUR) "potenzielle Beeinträchtigungsbereiche" für den näheren Abstand zum Nistplatz dieser Arten festgelegt. Diese betragen z.B. für Seeadler und Schwarzstorch 3.000 m. Während das Helgoländer Papier diese Radien als Mindestabstände, d.h. als generelle Windkraft-Ausschlusszonen, ansieht, macht Schleswig-Holstein, ähnlich wie andere Bundesländer auch, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Windkraftanlagen von einer artenschutzrechtlichen Prüfung abhängig. Grundlage für die Genehmigung bildet ein ornithologisches Fachgutachten, in dem hauptsächlich die Nutzung des Luftraumes im Bereich des geplanten Windparks durch die Brutvögel und ihre Jungen jener Arten dargelegt wird. Da diese Gutachten im Auftrag der Windkraftinvestoren erfolgen, ist deren Objektivität stark in Zweifel zu ziehen, wie es der NABU an etlichen Beispielen hat belegen können. Unter dem Titel "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" ist diese ungute Situation in ‚Betrifft: Natur’, Heft 2 / 16, ausführlich erläutert worden.
Wonach richtet sich die Auswahl möglicher Windenergiegebiete?
Zum Bau von Windenergieanlagen vorgeschlagene Flächen werden seitens der Landesplanung anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs auf ihre tatsächliche Eignung abgeprüft, um dann als „Vorranggebiete für Windenergie“ in die Regionalpläne aufgenommen zu werden. Bevor deren Entwürfe rechtskräftig werden, erfolgt noch das vorgeschriebene öffentliche Beteiligungsverfahren. Die Auswahlkriterien unterscheiden Tabukriterien, nach denen der Bau von Windkraftanlagen pauschal auszuschließen ist, und Abwägungskriterien, anhand deren jeweiliger Bedeutung von Fall zu Fall über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen entschieden wird.
Die Tabukriterien teilen sich in „harte“ und „weiche“ auf. Die „harten Tabukriterien“ beziehen sich auf Flächen, auf denen die Errichtung von Windkraftanlagen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen generell ausgeschlossen ist. Beispiele sind Ortschaften einschließlich einer Abstandszone on 250 m, Randbereiche von Straßen, gesetzlich geschützte Biotope, Wälder einschließlich eines Abstands von 30 m und Naturschutzgebiete. Unter die „weichen Tabukriterien“ fallen Gebietskategorien, denen zwar keine Rechtsvorschriften der Windenergienutzung direkt entgegen stehen, für die das Land aber eine Überplanung als Windkraftgebiete aus übergeordneten Gründen generell ablehnt. Dazu gehören die Erweiterung der Abstände zu Ortschaften über den baurechtlich vorgeschriebenen Rahmen (hartes Tabukriterium) hinaus auf insgesamt 800 m, EU-Vogelschutz- und FFH-Gebiete oder die Umgebungsbereiche von Naturschutzgebieten in einer Breite von 300 m. Unter die Abwägungskriterien fallen Belange des Denkmalschutzes, Naturparke, Hauptachsen des überregionalen Vogelzugs oder die Umgebung von Brutplätzen bestimmter Vogelarten.
Die Kriterienliste hat in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits mehrere Änderungen erfahren. Die Beispiele beziehen sich auf den Stand vom 8. Juni 2016. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. Denn für die Landesregierung steht über allem das Ziel, als Windenergiestandorte zwei Prozent der Landesfläche ausweisen zu lassen. Wenn es dafür in bestimmten Regionen wie in den Westküstenkreisen räumlich zu eng werden und dem Protest von durch Windkraft genervten Anliegern nachgegeben werden sollte, können sich schnell Verschiebungen zu Lasten der weichen Tabuzonen ergeben, da deren Definition im Ermessen des Landes liegt.
Billiges Täuschungsmanöver
Nicht zuletzt aufgrund der starken Kritik des NABU an diesem Verfahren konnte das Umweltministerium gegenüber der Staatskanzlei im März 2016 durchsetzen, dass die "potenziellen Beeinträchtigungsbereiche", wie diese Zonen akuter Gefährdung durch Rotorschlag bezeichnet werden, nicht länger unter den "Abwägungskriterien", sondern nun als "weiche Tabukriterien" für die Windkraftplanung geführt werden. Damit schien eine permanent erhobene Forderung der Naturschutzverbände erfüllt worden zu sein: Die nähere Umgebung der Brutplätze von Seeadler, Rotmilan usw. wäre für Windkraft pauschal tabu gewesen, die unseligen Gutachten hierfür entbehrlich. Diese Änderung erhielt sogleich offiziellen Status, indem sie auf den folgenden Regionalkonferenzen zur künftigen Windenergieplanung vorgestellt wurde. Außerdem wurden auf der Homepage der Landesregierung, hier den speziellen Seiten der Staatskanzlei zur Landes- und Windenergieplanung, die Karten zur "vorläufigen Darstellung der Abwägungsbereiche für Windenergienutzung im Rahmen der Teilaufstellung der Regionalpläne" um die neuen Tabubereiche bereinigt.
Für Anfang Mai 2016 lud die Landesplanungsbehörde Naturschutzverbände und -behörden sowie Bürgerinitiativen zu einer Anhörung zum aktuellen Entwurf der Planungskriterien, Grundlage eines diesbezüglich vorgesehenen Erlasses, ein. Der Einladung zu dieser Runde war die lange Liste der "harten" und "weichen Tabukriterien" sowie der "Abwägungskriterien" beigefügt, in der neben vielen anderen auch die naturschutzrelevanten Kriterien für Ausschluss- bzw. Abwägungsbereiche mit aktuellen Stand enthalten waren. Ein Blick auf die "potenziellen Beeinträchtigungsbereiche" von Seeadler und Co. bestätigte, dass diese entsprechend der Verlautbarung des Landes in der Rubrik der "weichen Tabukriterien" zu finden waren. Damit schien der für den Naturschutz wohl strittigste Konfliktpunkt nun endlich auch per Erlass der Staatskanzlei manifestiert zu sein.
Doch es kam ganz anders. Unmittelbar vor der Anhörung erhielt der NABU aus Behördenkreisen die Information, dass der Erlass bereits Ende April verabschiedet worden sei - und zwar mit der Einstufung der "potenziellen Beeinträchtigungsbereiche" nicht etwa als "weiches Tabukriterium", sondern als "Abwägungskriterium"! Obgleich sich der frisch geschmiedete Erlass nicht nur an die Kreise und Gemeinden, sondern auch an "andere Träger öffentlicher Belange sowie die Öffentlichkeit" richtete - also explizit auch an die Naturschutzvereine -, wurde er den Umweltverbänden wohl in dem Glauben, damit einem Affront aus dem Wege gehen zu können, vorenthalten. Der Anhörungstermin war damit überflüssig. Es war ja schließlich bereits alles per Erlass festgelegt. Dennoch wurde den Verbänden und Naturschutzbehörden zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme 'großzügig' eine Frist von vier (!) Tagen eingeräumt ... - Begründet wurde diese abrupte Kehrtwende mit "Vertrauensschutz für die Investoren, die ja durch Gutachten und Planung bereits viel Geld in ihre Windkraftprojekte hineingesteckt hätten".
Und noch eine ganz unauffällig vorgenommene Änderung: Auf einmal konnten auch dem Naturschutz gewidmete Ausgleichsflächen als Abwägungsbereiche der Windenergie grundsätzlich geöffnet werden, also Areale, mit denen eine anderswo z.B. durch Bebauung erfolgte Naturzerstörung kompensiert werden soll. Dabei sind solche Kompensationsflächen rechtlich für Naturschutzmaßnahmen festgelegt worden, wozu bauliche Anlagen wie Windräder zweifelsohne nicht gehören.
Verantwortlich für dieses unsägliche Vorgehen ist letztlich der Chef der Staatskanzlei Thomas Losse-Müller. Vor dem Hintergrund, dass die Stimmung in der Bevölkerung bezüglich Windkraft ohnehin am Kippen ist und Anti-Windkraft-Bürgerinitiativen wie Pilze aus dem Boden schießen, war es ausgesprochen ungeschickt, nun auch noch die Umweltverbände, die sich in Sachen Windkraft sehr moderat und konstruktiv verhalten haben, dermaßen zu brüskieren. Dies hat der NABU dem Staatskanzleichef öffentlich in aller Deutlichkeit unter die Nase gerieben.
Unvollständige Arbeitsgrundlage
Jedoch ungeachtet dieser massiven Kritik scheint die Staatskanzlei nach wie vor nicht willig zu sein, im Umgang mit den Brutplätzen der durch Windkraftanlagen gefährdeten Vögel die notwendige Transparenz walten zu lassen. So ist sie nicht bereit, ihre über die Homepage der Landesregierung abrufbaren Übersichtskarten zu den darin ockergelb gefärbten Windenergie-Abwägungsbereichen der aktuellen Lage anzupassen. Sie hält es nicht für nötig, die im März 2016 dort gelöschten "potenziellen Beeinträchtigungsbereiche" wieder einzufügen, obwohl dort seit April 2016 wieder weitergeplant werden kann. Eine Änderung möchte man erst anlässlich des offiziellen Beteiligungsverfahrens zur Regionalplanung, inzwischen bis zum Jahresende verschoben, vornehmen, so die Staatskanzlei.
Für alle, die sich über etwaige Windenergieplanungen in ihrer Region informieren möchten, sind diese Karten jedoch das bisher einzige greifbare Instrument. Doch nicht nur Naturschutzvertreter oder möglicherweise vor Ort betroffene Bürger nehmen das Kartenwerk als Orientierungshilfe. Unlängst musste eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des NABU feststellen, dass auch das Landesamt für Denkmalpflege seine Stellungnahme zur Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange bei der Windenergieplanung anhand besagter Karten erarbeitet hat - und dabei verständlicherweise nicht um deren Unvollständigkeit wusste. Infolgedessen wurde im konkreten Fall übersehen, dass das idyllisch an der Schlei gelegene, flächig unter Denkmalschutz stehende Dorf Sieseby durch einen in der Nachbarschaft geplanten Windpark in seinem Ortsbild beeinträchtigt werden könnte. Denn weil besagter Windpark deutlich näher als 3.000 m an einen seit Jahren besetzten Seeadlerbrutplatz heranreichen und damit in dessen "potenziellem Beeinträchtigungsbereich" liegen würde, gehört er zu den aus der Karte herausgenommenen Flächen, existiert als Planungsobjekt aber weiter. Selbst die zuständige Amtsverwaltung ist offenbar aus diesem Grund von einem Ende des Windkraftvorhabens ausgegangen.
Diese Ignoranz der Staatskanzlei ist auf jeden Fall untragbar, stellt sie doch alle Anforderungen in puncto Transparenz auf den Kopf. Wenn dadurch sogar Behörden desorientiert werden, lässt das an der Kompetenz der Verantwortlichen zweifeln. Denn das angeführte Beispiel Sieseby dürfte kein Einzelfall sein. Schließlich gibt es in der Nähe zu Brutplätzen von durch Windenergieanlagen gefährdeten Großvögeln aufgrund der Dichte der neu vorgesehenen Windparks mehrere Dutzend solcher "potenzieller Beeinträchtigungsbereiche", die jetzt alle 'unsichtbar im Schatten' existieren.
Aus Sicht des Naturschutzes sind keineswegs alle Änderungen der Kriterien negativ zu bewerten. So hat ein großer Teil des Kreises Plön mit kleinen Anteilen der Nachbarkreise Ostholstein und Segeberg unter der Bezeichnung „Dichtezentrum für Seeadlervorkommen“ den Status einer weichen Tabuzone erhalten, was ein Bauverbot für Windkraftanlagen bedeutet. Das gilt inzwischen auch für Landschaftsschutzgebiete. Für Rotmilanbrutplätze ist der „potenzielle Beeinträchtigungsbereich“ entsprechend der dringenden Empfehlung der überarbeiteten Version des Helgoländer Papiers von 1.000 auf 1.500 m erweitert worden. Wälder sind mittlerweile unter den harten Tabukriterien zu finden. Doch diese Verbesserungen sind nicht der Staatskanzlei, sondern dem Umweltministerium anzurechnen.
Auf die Landesregierung kommt noch ein ‚ganz harter Brocken‘ zu, nämlich die jüngst in fachwissenschaftlichen Gutachten attestierte Bestandsgefährdung des Mäusebussards durch Windkraft. EU-rechtlich ist diese nicht zulässig. Da Mäusebussarde (noch) in ziemlicher Dichte brüten und häufiger den Brutplatz wechseln, dürfte es für die Windenergieplanung nicht einfach werden, einen Weg zu finden, dem Mäusebussard den von der EU verlangten „günstigen Erhaltungszustand“ auch zukünftig zu gewährleisten, zumal die Bussardpopulation auch noch unter Nahrungsmangel leidet.
FHey, 26. September 2016
NABU persönlich: Reminiszenz an eine sterbende Landschaft
Wenn ich heute daran denke, muss ich auf der einen Seite schmunzeln und auf der anderen läuft mir immer noch ein Schauer über den Rücken: Wir trauten uns nicht in den Regen. Es war 1986 und wir waren mit dem Fahrrad unterwegs. Jung und sorgenfrei hätten wir uns eigentlich nassregnen lassen. Doch Tschernobyl machte alles anders – radioaktiver Fallout. Dieses Ereignis nahm uns die Unbeschwertheit, gab aber mir aber die Gewissheit, dass Atomkraft nicht die Zukunft sein konnte.
Sie mögen sich nun fragen, wo der Zusammenhang dieser Geschichte zur obenstehenden Überschrift sein mag. Das Thema Energiegewinnung und Nachhaltigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch meine Lebenszeit. Die Konsequenzen des damaligen Reaktorunfalles beeinflussen meine heutigen Entscheidungen noch immer. Ich habe frühzeitig begonnen meinen Strom aus regenerativen Energiequellen zu beziehen, habe mir selbst eine Solarthermie- und Photovoltaikanlage auf das Dach gesetzt und Parteien gewählt, die eine Politik verfolgten, die meiner Sicht einer nachhaltigen Lebensweise entsprachen. Fukushima war dann selbst den Konservativen zu viel und die Regierung beschloss aus der Kernenergie auszusteigen. Alles wird gut.
Heute muss ich feststellen, dass nichts gut ist. So wie die Christdemokraten in der Vergangenheit mit Scheuklappen der Kernenergie hinterherliefen, so übersieht die Partei, die damals mit Sonnenblumen meine Sympathie gewann, die Konsequenzen eines ungezügelten Ausbaus der Windenergie.
Und jetzt schließt sich der Kreis. Denn ich nehme in diesen Wochen Abschied von einer Landschaft, die ich ins Herz geschlossen hatte und die mir Identifikation und ein Heimatgefühl vermittelte. Eine Landschaft, die das Ergebnis einer Jahrhunderte alten Bewirtschaftung ist und die wir in Norddeutschland so lieben: Grünland bis zum Horizont, Schwarzbunte darin grasend verstreut, im April der Kiebitz als Frühjahrsbote in der Luft gaukelnd, der Wachtelkönig knarrend in der Sommernacht. Und in den Wintermonaten der eisige Westwind, der ungehindert über das flache Land pfiff. Das war für mich Schleswig-Holstein und als ich in den Kreis Steinburg zog, war es genau diese Landschaft zwischen Lägerdorf und Hohenfelde, die mich fesselte - eine schlichte Ursprünglichkeit und „platte“ Weite ohne Hochspannungsmasten oder Windräder.
Wo findet man das noch bei uns im Norden? Schon ein Blick in die andere Himmelsrichtung zeigte die Veränderung, denn Autobahn und Windparks sind Zeitzeugen einer Entwicklung, die ich vielleicht nicht möchte, aber auch in Teilen notwendig ist. Wir brauchen Energie, wir brauchen Straßen.
Aber was ich in den letzten Monaten und Jahren in Rethwisch erlebte, macht mich so unsagbar traurig und wütend. Da hatten vorausschauende Planer den Wert dieser Landschaft erkannt und im Regionalplan als historische Kulturlandschaft geschützt. Da haben sich Biologen durch die Agrarflächen gearbeitet und ein Arteninventar des Grünlandes dokumentiert, das ihresgleichen suchte: Weißstorch, Kiebitz, Großer Brachvogel, Wachtelkönig, Braun- und Schwarzkehlchen, Feldlerchen und die Wiesenweihe zeugten von einem noch heilen Ökosystem. Und im Juni 2015 konnte ich noch ein Foto machen, auf dem über 30 Weißstörche ein Bild lieferten, dass nun Geschichte ist. Das benachbarte, renaturierte Breitenburger Moor bot einem Seeadler-Paar neuen Lebensraum und das Potential dieser Naturschutzflächen machte in Artenschutzkreisen Hoffnung. Endlich wurde etwas der Natur zurückgegeben, durfte sich etwas entwickeln und dem FFH-Gebiet Winselmoor / Hörnerau-Niederung eine noch größere Bedeutung beimessen.
Wie konnte es nun zu diesem ungezügelten Ausbau der Windenergie kommen? Das herauszufinden ist ein frustrierender Prozess und nimmt mir die Hoffnung, meinen Kindern eine Landschaft zu hinterlassen, die mehr ist als nur Windenergieeignungsflächen. Mit dem Anlagenbetreiber in Rethwisch haben wir es mit dem Weltkonzern Holcim mit einem mächtigen Gegner zu tun, der bis in die höchsten politischen Ebenen gut vernetzt ist. Alle, die im Arten- und Naturschutzrecht kundig sind und die ich gesprochen habe, sind sich einig, dass es hier ‚nicht mit rechten Dingen’ zugegangen sein kann. Der NABU hat schon lange bemängelt, dass die Auftragsvergabe für die naturschutzrechtlichen Gutachten unabhängig vom Investor erfolgen muss, es muss zur einer Auflösung der Interessenverquickung kommen. Nun lagen hier in unserem Falle fundierte Kartierungen der Vogelwelt vor und hatte in Vergangenheit schon ein Wachtelkönig Bauvorhaben ins Wanken gebracht, reichten hier nicht einmal fünf Nachweise aus, um mit den notwendigen Abstandsregelungen die Planungen zu Fall zu bringen. Seeadler, Wiesenweihe und Weißstorch zählen anscheinend schon gar nicht – vor allem, da immer nur der Status quo und nicht das Entwicklungspotenzial einer Landschaft betrachtet wird.
Hier bedarf es einer juristischen Aufarbeitung des Planungs- und Genehmigungsprozesses, die aber unglaublich viel Geld, Zeit und Kraft in Anspruch nimmt. Dinge, die ich und auch leider der NABU nicht unendlich zur Verfügung haben. Und diese Erkenntnis schmerzt – schmerzt so sehr, dass ich es nicht mehr ertrage, an diesen Flächen vorbeizufahren. Am Tage als das Foto mit dem Bagger entstand segelte nochmals die Wiesenweihe über mich herüber – ich hätte heulen können. Ich fordere alle Landschaftsliebenden auf, dieser Kulturlandschaft nochmals die letzte Ehre zu erweisen. Schwingen Sie sich auf das Fahrrad und verabschieden sie sich!
Mich hat Ende der 80er Jahr Dieter Wieland mit seinem Buch „Grün kaputt – Landschaft und Gärten der Deutschen“ geprägt. Er prangerte an, dass „ein Kahlschlag durchs Land geht. Begradigung, Bereinigung, Erschließung, Beschleunigung, Kanalisierung, Neuordnung, Verordnung, Verödung. Das Land wird hergerichtet, abgerichtet, hingerichtet. […] Eine Landschaft ohne Spuren, ohne Geschichte, ohne Namen. Ohne Tiere.“ Und damals war das Problem der Windparks noch nicht einmal bekannt…
Leonhard Peters
1. Vorsitzender NABU Itzehoe
26. September 2016