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Fledermausforschung tagesaktuell: Das Lichtschrankenprojekt am Segeberger Kalkberg
1991 installierten die Fledermausfachleute des NABU Schleswig-Holstein zwei Lichtschrankeneinheiten der Firma „ChiroTEC" an den Haupteinflügen zur Kalkberghöhle, dem "Höhleneingang" und dem "Entdeckungsloch". Die Lichtschranken registrieren dort seitdem ununterbrochen alle Ein- und Ausflüge und speichern über eine PC-Einheit alle Daten zur Auswertung durch die Fachleute ab.
Das Segeberger Lichtschrankenprojekt ist das europaweit am längsten laufende Dauermonitoring eines Fledermausquartieres.
Zum Schutz vor Katzen, die früher sehr stark in die Bestände der Fledermäuse eingriffen, wurden spezielle Einflugtürme am Höhleneingang und über dem Entdeckungsloch, welches in einer Felswand gelegen ist, errichtet. Hinter den Einflugschlitzen sind die Lichtschranken installiert, deren Strahlenvorhänge durch eine spezielle Software gesteuert werden.
Die Lichtschrankenüberwachung eröffnete den Fachleuten erstmals exakte Einblicke in die Nutzung eines Fledermausmassenquartieres im Laufe eines Kalenderjahres sowie über dessen Entwicklung seit über 20 Jahren.
Eine Fledermaus muss den ersten Strahlenvorhang unterbrechen, dann den zweiten Strahlenvorhang durchqueren. Danach den ersten Strahlenvorhang, im Anschluss den zweiten Strahlenvorgang wieder verlassen: Erst jetzt registriert der Datenlogger einen Ein- oder Ausflug - je nachdem, von welcher Seite die Fledermaus diesen Funktionsablauf auslöste. Die Fledermaus selbst bemerkt von dem gesamten Vorgang nichts.
Im Laufe der letzten Jahre konnten im Mittel pro Kalenderjahr über 400.000 Fledermausbewegungen an den beiden Lichtschranken vor den Haupteinflügen registriert werden (Einflüge/Ausflüge). Es findet also wesentlich mehr Fledermausaktivität im Laufe eines Jahres statt, als es die spätere Anzahl der Überwinterer (aktuell über 24.000 Tiere) vermuten lässt.
Ein- und Ausflüge
Die NABU-Landesstelle Fledermausschutz und -forschung stellt hier die tagesaktuell von der Firma "ChiroTEC" ermittelten Ein- und Ausflugszahlen der Fledermäuse an der Segeberger Kalkberghöhle vor. Die Grafiken zeigen jeweils die Summe der Aktivitäten an den zwei Haupteinflügen aus den beiden letzten Nächten:
Dank
Der NABU Schleswig-Holstein dankt dem Umweltministerium (MELUR) des Landes Schleswig-Holstein für die finanzielle Unterstützung zur Realisierung des Lichtschrankenprojektes an der Segeberger Kalkberghöhle.
Info
Die technische Realisierung erfolgte über das Team von Karl Kugelschafter, Firma "ChiroTEC". Die Verlinkung der Lichtschrankendaten erfolgte durch Martin Vögeli und Dr. Rolf Lille. Aktuell wird die Lichtschrankenanlage vom Bad Segeberger Fledermaus-Zentrum "Noctalis" betreut.
Das Fledermausjahr an der Segeberger Kalkberghöhle
Kommen und Gehen am Kalkberg
In der Segeberger Kalkberghöhle überwintern von Anfang September bis Mitte Mai regelmäßig über 24.000 Fledermäuse aus sieben Arten, wobei die Wasserfledermäuse und die Fransenfledermäuse ca. 80 % aller überwinternden Tiere ausmachen, der Rest verteilt sich auf die Bechstein-, die Teich- und die Große Bartfledermaus, sowie das Große Mausohr und das Braune Langohr. Die Bestände des Großen Mausohres, früher eine der häufigsten Arten in der Höhle, gingen schon in den fünfziger Jahren stark zurück und waren keine zehn Jahre später fast völlig erloschen. Heute kann man nur noch sehr selten zwei bis drei dieser Tiere in den Höhlen des Segeberger Kalkberges beobachten.
Als erste Überwinterer tauchen im September alljährlich die Wasserfledermäuse, gefolgt von den anderen Arten im Höhlen- und Felsspaltensystem des Kalkberges auf. Dabei zeigen alle Arten ein sehr individuelles Anwanderungsverhalten, als letzte Art geht das Braune Langohr im Dezember im feuchten und kühlen Felsinneren in den Winterschlaf.
Genauso individuell ist auch das Abwanderungsverhalten der Segeberger Fledermäuse: Zuerst verlassen die Braunen Langohren wieder die Höhle, dicht gefolgt von den Fransenfledermäusen. Als letzte Arten fliegen im April und Anfang Mai die Bechstein- und die Große Bartfledermaus aus ihrem Winterquartier am Kalkberg aus. Das unterschiedliche Ein- und Ausflugsverhalten der einzelnen Fledermausarten hat viel mit ihren unterschiedlichen Ernährungsstrategien zu tun.
Jede Fledermausart hat sich auf bestimmte Beuteinsekten, Spinnen etc. ausgerichtet, die im Jahresverlauf sehr unterschiedlich als Nahrungsgrundlage zur Verfügung stehen.
Je länger oder früher eine Fledermaus ausreichend Insekten zum Jagen findet, desto kürzer ist die jeweilige Winterschlafphase des Tieres. Jede Fledermaus versucht, so kurz wie möglich in den tiefen Winterschlaf zu gehen und dafür zuvor eine ausreichende Energiereserve aufzubauen.
Nach dem Ausflug fast aller Winterschläfer startet dann bereits im Mai schon wieder ein Einflug von Fledermäusen, meist für ein oder zwei Tage. Von Mitte Mai bis Mitte Juli tauchen in einigen Nächten mehrere hundert Fledermausmännchen, vor allem der Wasserfledermaus, in der Kalkberghöhle auf. Die Männchen beteiligen sich nicht an der Jungenaufzucht und können so auch im Sommer an kühlen Orten für einige Tage zum Energiesparen in eine Lethargie verfallen. Diese Lethargie ist nicht so tief wie der Winterschlaf selber, aber auch hier sind viele Körperfunktionen der Tiere stark reduziert. Vermutlich halten die Männchen in dieser Zeit auch den Kontakt zum Winterquartier aufrecht.
Die Jungenaufzucht selber findet in der nur 9 Grad Celsius kalten Höhle nicht statt, da die nackt geborenen Fledermaus-Jungen hier kläglich an Unterkühlung sterben würden. Die Weibchen verbringen die Sommermonate in ihren warmen Wochenstubenquartieren, wo auch die Jungtiere geboren und aufgezogen werden.
Ab der zweiten Augustwoche findet dann bis in den November hinein fast jede Nacht ein beeindruckendes Naturschauspiel am Kalkberg statt: Die Schwärmzeit der verschiedenen Fledermausarten. In dieser Phase des Fledermausjahres zeigen die Alttiere den Jungtieren ihre zukünftigen Winterquartiere und besuchen alle ihnen bekannten Winterschlafplätze. Es herrscht dabei ein reges Kommen und Gehen, an einigen Tagen fliegen die Tiere sogar tagsüber in der Kalkberghöhle umher. Den Anfang machen jedes Jahr im August die Wasserfledermäuse. Im September folgen dann die Bechstein- und die Teichfledermäuse, ab Oktober verstärkt die Fransenfledermäuse. In Spitzennächten werden weit über 2.000 Fledermäuse an den Einflügen registriert. Ab September überlappen sich diese Schwärmzeiten mit der Einwanderungsphase der Winterschläfer, wobei zumeist die Weibchen vor den Männchen und den Jungtieren in den Winterschlaf gehen.
In den Herbst- und Wintermonaten dient die Segeberger Kalkberghöhle den Fledermäusen außerdem noch als Balz- und Paarungsquartier. Hier kommen viele Weibchen und Männchen einer Fledermausart an einem Ort zusammen, deshalb findet die Fortpflanzung der meisten Fledermausarten auch in den Winterquartieren wie der Segeberger Kalkberghöhle statt. Für die Partnersuche wird der Winterschlaf einfach unterbrochen und nach der Paarung weiter fortgesetzt.
Bis Mitte November ist das Gros der Fledermäuse zum Winterschlaf in das Felsmassiv des Segeberger Kalkberges eingeflogen, man kann aber immer wieder Flugaktivitäten an den lichtschrankenüberwachten Einflügen beobachten, besonders nach milden Wetterphasen. In der Regel verlassen die Fledermäuse das Höhlen- und Spaltensystem des Kalkberges jedoch erst wieder zum Frühjahr hin, wenn sich den Tieren neue Insektennahrung bietet und das Fledermausjahr beginnt wieder von vorne.
SLü, 06. Februar 2016