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Kompromiss hilft sowohl Karl-May-Spielen wie den Fledermäusen
16. September 2008: Der Kreis Segeberg, die Stadt Bad Segeberg, das Landesamt für Natur und Umwelt und die Kalkberg GmbH haben sich mit dem NABU Schleswig-Holstein auf einen Vergleich für die Sicherungsmaßnahmen am Kalkberg und in den Kalkberghöhlen geeinigt. Anlass der Meditation waren mangelnde Informationen sowie unterschiedliche Auffassungen über Notwendigkeit, Art und Umfang von Sicherungsarbeiten in den Kalkberghöhlen sowie am Kalkberg selbst.
Der Segeberger Kalkberg beherbergt eines der größten Fledermausvorkommen in Mitteleuropa. Mehr als 20.000 Tiere, darunter hoch bedrohte Arten wie die Bechstein- und Teichfledermaus, überwintern in den klimatisch optimalen Höhlen- und Spaltensystemen des Felsmassivs. Auch mit dem nur hier lebenden, endemischen Segeberger Höhlenkäfer Cholvea holsatica haben die Kalkberghöhlen große Bedeutung beim Erhalt der Biodiversität. Der Kalkberg und sein Höhlensystem stehen daher auch unter dem besonderen Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). Die erheblichen Vorbehalte des NABU gegen die zahlreichen, teils großräumigen Sicherungsmaßnahmen mündeten in einen umfangreich begründeten Widerspruch gegen eine diesbezügliche Genehmigung des Kreises Segeberg.
Besonders umstritten waren im Verfahren u. a. die Frage des Neubaus eines Zugangs zur Höhle, die vorgeschlagene Ankerungsmethode der Felswände sowie die sog. „200-Tiere-Regelung“, bei deren Anwendung aus Sicht des NABU beispielsweise zu wenig Rücksicht auf die besonders bedrohten, teils noch im April und Mai in der Höhle überwinternden Bechstein- und Teichfledermäuse und das Große Mausohr genommen wurde. Der NABU forderte stattdessen eine stärkere Ausrichtung der Verträglichkeitsprüfung auf die konkret geplanten Eingriffe, statt abstrakte und unsichere Zahlen für eine Gesamtbewertung heranzuziehen. Ein Teil des Konfliktes ist auch dadurch erklärbar, dass die meisten Maßnahmen noch zum Zeitpunkt der Genehmigung selber so unpräzisiert blieben, dass sich der NABU trotz der gut zweijährigen Planungsphase als unzureichend informiert und in seinen bis dato immer wieder vorgetragenen Bedenken größtenteils nicht wahrgenommen sah. Eine gemeinsame Klärung vor der Antragstellung auf Genehmigung der Verkehrssicherungsmaßnahmen konnte mit der Stadt nicht mehr erreicht werden, somit blieb dem NABU bezüglich des beantragten und genehmigten Maximalmaßnahmenkatalogs nur noch der Widerspruch, um auf diesem Wege für den Naturschutz am Kalkberg einzutreten.
Im Resultat konnte der NABU in den von der Mediatorin Irmela Feige aus Hamburg geleiteten Verhandlungsrunden für viele Maßnahmen eine deutliche Eingriffsminimierung erreichen. So wird ein neuer Zugang zur Höhle, unmittelbar am „Noctalis“ gelegen, nicht gebaut. Dafür stimmte der NABU besonderen Sicherungsmaßnahmen am Felshang im Bereich der alten Wendeltreppe zu. Die Anzahl der tiefen Felsankerungen am Berg selber konnten durch alternative Sicherungsmaßnahmen reduziert werden, auch die ersten speziellen Schutzmaßnahmen für die dort vorkommenden Tierarten (Fledermäuse, Schnecken) wurden mit dem NABU abgestimmt. Dafür akzeptierten die Naturschützer die restlichen Ankerungsmaßnahmen und hoffen nun, dass diese den Felsen und sein Spalten- und Höhlensystem nicht schädigen. Über manche fachliche Beurteilung, so etwa bei der umstrittenen ‚200-Tiere-Regelung’, konnte kein Konsens erzielt werden. Der NABU hat aber in der Mediationsvereinbarung festschreiben lassen, dass die bisherige Anwendung dieser Regelung zukünftig kein Präjudiz entfaltet.
Bereitschaft zu Kompromissen
Nur die beidseitige Bereitschaft zu großen Kompromissen ermöglichte auf außergerichtlichem Wege grünes Licht für die in Umfang und Intensität reduzierten Verkehrssicherungsmaßnahmen in und am Segeberger Kalkberg, ohne die alle Konzerte und die Karl-May-Spiele in 2008 gefährdet gewesen wären. Auch der Kalkberg und seine Höhlen als geologische Einzelschöpfung sowie als Lebensstätte diverser Pflanzen- und Tierarten konnte durch die gemeinsam festgelegten Kompensationsmaßnahmen und Eingriffsminimierungen besser geschützt werden. Alle Parteien werteten es als Erfolg, dass die Mediation erfolgreich abgeschlossen und so ein Gerichtsverfahren vermieden werden konnte.
Der NABU hofft für die Zukunft, dass alle Beteiligten wieder im Vorwege die Belange des Naturschutzes und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zum Erhalt des Kalkbergstadions besprechen und dann gemeinsame Lösungen erarbeiten. Ein optimiertes Verfahren zur gegenseitigen Information und mit verbindlichen Absprachen kann aus Sicht des NABU bestmögliche Ergebnisse für alle Interessenslagen am Kalkberg erzielen.
Eingriffe am Segeberger Kalkberg
Sicherungsmaßnahmen am Kalkberg und in der Kalkberghöhle | So bewertet der NABU das Vorhaben
18. Februar 2008: Der Segeberger Kalberg stellt eine der Hauptattraktionen des südlichen Schleswig - Holsteins dar, zum einen als Kulisse der Karl- May- Spiele und diverser open-air- Veranstaltungen, zum anderen wegen seiner Bedeutung für den Naturschutz als Quartier für über 20.000 Fledermäuse und eine an die besonderen Bedingungen des Kalkbergs und seiner eingebetteten Höhlen angepassten Flora und Fauna. Vor dem Hintergrund von Differenzen um beabsichtigte Eingriffe ("Sicherungsmaßnahmen") am Berg und in die einzigartige Naturhöhle stellt der NABU im Folgenden seine "Sicht der Dinge" dar und wirbt um Unterstützung für eine ganzheitliche Betrachtung dieses einzigartigen Naturdenkmals der Segeberger Karstlandschaft.
Das Zusammenspiel von Nutzung und Naturschutz ist seit jeher nicht frei von Konflikten. Bislang konnten sich aber Stadt Bad Segeberg, Kalkberg GmbH, NABU und Naturschutzbehörden des Landes und des Kreises auf ein gütliches Miteinander einigen. Unbestritten hat sich also der Umgang mit dem Kalkberg und seinem Höhlensystem seit den Zeiten der ersten Segeberger Höhlenforscher und -schützer Karl Gripp und Erna Mohr deutlich verbessert. Das Bemühen, mehr Rücksicht zu zeigen, ist gestiegen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dagegen noch auf die Belange der Höhle und des Berges wenig Rücksicht genommen. Allerdings wird der Naturschutz auch heute noch stark von den wirtschaftlichen Interessen vor Ort beeinflusst.
Sicherungsmaßnahmen am Kalkberg - Was bleibt natürlich?
Eine neue Qualität erreichte die Diskussion bei Bekanntgabe der ersten Sicherheitsgutachten. Vorangegangen waren Diskussionen um bereits umgesetzte, von "Gefahr im Verzug" geprägte, vielfach aber unfachmännisch durchgeführte Maßnahmen zur Verkehrssicherung am Kalkberg und in den Kalkberghöhlen (Schachtbau, Einbringen von Holzstempeln, Betonstützen). In der Folge kam es zu kontroversen Debatten über das, was vom Naturschutz zur Wahrung der wirtschaftlichen Nutzung am Kalkberg und in der Höhle trotz Eingriffen noch mitgetragen werden kann, und den Grenzen bei Vorhaben, die den Kalkberg in seiner gemäß der Naturdenkmalverordnung festgelegten Bedeutung als natürliches, von einer Eigendnamik geprägtes Gebilde einschränken.
Unterschiedliche Sichtweisen
Aus Sicht der wirtschaftlichen Nutzung geht es vor allem um den Erhalt der Karl- May- Spiele und der Konzerte im Kalkbergstadion. Die Karl-May-Spiele haben Bad Segeberg überregional bekannt gemacht und sind ein wichtiger Faktor für den regionalen Tourismus. Bad Segeberg und die Karl- May- Spiele sind zwei Begriffe, die für viele miteinander verbunden sind. Für das Erlebniszentrum "Noctalis - Welt der Fledermäuse", gerade erst frisch gestartet, geht es um das wirtschaftliche Standbein des Höhlentourismus, aber auch um die Möglichkeit, Menschen mit den Schönheiten und Besonderheiten der Natur vertraut zu machen. Die Basis ist jedoch für beide der Kalkberg und seine Höhle in ihrer natürlichen Beschaffenheit und Schönheit, auf die die wirtschaftliche Nutzung aufbaut und ohne die das "Produkt" erheblich an Glaubwürdigkeit verlieren würde.
Aus der Sicht des Naturschutzes geht es um ein schützenswertes "Geotop" mit einem sehr sensiblen und einmaligen Ökosystem. Es geht um die Schönheit eines Rest-Felsens im Anhydrit / Gipskarst, der bereits in der Vergangenheit sehr stark durch menschliche Einflüsse überformt wurde, trotzdem immer noch durch seine landschaftsprägende Gestalt beeindruckt. Für viele Schleswig - Holsteiner ist der Kalkberg auch ein Stück Heimat. Fast jedes Schulkind unseres Bundeslandes hat den Segeberger Kalkberg und seine Höhle einmal besucht.
Was ist geplant?
Um die Höhle im Kalkberg, aber insbesondere auch das Kalkbergstadion als Austragungsort der Karl- May- Spiele und diverser open-air- Veranstaltungen auch zukünftig im bisherigen Umfang nutzbar zu halten, planen Stadt und Kalkberg GmbH zur Sicherung des Felsens u.a. folgende mit Eingriffen verbundene Maßnahmen:
- Das Setzen von über 1.000 Felsankern im gesamten oberirdischen Felsbereich, wodurch Hohlräume angebohrt und beeinträchtigt werden können,
- die Errichtung von Prallschutzzäunen, die die Optik des Kalkbergs erheblich verändern,
- das jährliche "Berauben" (Abschlagen) von Gestein an den Felshängen: Dadurch droht der Verlust von Spaltenquartieren für Fledermäuse. Die Maßnahmen erfolgen im Wissen, den Zerfall des Berges weiter zu beschleunigen,
- das Setzen mehrerer Stahlträger und Gabionen als Prallschutz im Höhlensystem. Teilweise finden diese Maßnahmen in touristisch ungenutzten Höhlenbereichen statt, verbunden bei der Bauausführung mit Lärm, Licht und Vertritt, wodurch die Lebewesen der Höhle beeinträchtigt werden,
- die Erweiterung des Führungsweges im Zuge der Neuanlage eines künstlichen Zuganges,
- das Entfernen aller alten Lichtleitungen in der Höhle und die komplette Neuverlegung eines neuen Beleuchtungssystems, gekoppelt mit Erdarbeiten, Lärm, Licht und Vertritt,
- die Schaffung eines neuen Höhleneingangs, oberirdisch im Bereich der Hauptflugtrasse der Fledermäuse, unterirdisch im Bereich eines seit Jahrzehnten nicht mehr genutzten Höhlenbereiches in der Nähe eines wichtigen Höhlenkäfer- Lebensortes gelegen.
Hinzu kommt, dass bei vielen Arbeiten keine Rücksicht auf die zeitlichen Abläufe bei den bedrohten Fledermäusen und dem Höhlenkäfer genommen werden soll, da sonst terminierte Veranstaltungen im Kalkbergstadion gefährdet wären.
Große Dynamik - Teil der natürlichen Entwicklung
Der Berg hat seine eigene Dynamik, er "lebt". Der Salzstock unter dem Kalkberg schiebt sich jedes Jahr ein kleines Stück weiter empor. Das durch den Gipsabbau freigelegte Anhydritgestein nimmt weiterhin Wasser auf, formt sich unter Volumenzunahme zu Gipsgestein um und wird dabei gleichzeitig instabil. Würden, wie jetzt beantragt, jedes Jahr die Anhydrit-Felswände weiter vom Lockergestein beraubt, fügt man dem Berg immer wieder neue "Wunden" zu. Der Zerfall seiner Außenhülle wird erheblich beschleunigt. Auch in der Höhle wird es natürlicherweise immer wieder Abbrüche und Einstürze geben Dieser Prozess kann bestenfalls kontrolliert stattfinden, um die Sicherheit der Besucher im öffentichen Teil der Höhle sicherzustellen - aufzuhalten ist er nicht.
Durch die jetzt beantragten Maßnahmen gerät der Berg mit seiner Höhle immer mehr in Gefahr, zu einem technischen Objekt zu "verkommen", bei dem mit hohem finanziellen und organisatorischem Aufwand versucht wird, die wirtschaftliche Nutzung des Berges für einige Jahre zu verlängern. Sicher ist dieses Ziel aber nicht erreichbar, wie die jüngste Vergangenheit immer wieder gezeigt hat - trotz umfangreicher Sicherungsmaßnahmen kann ein Restrisiko nie völlig ausgeschlossen werden. Durch verschärfte behördliche Auflagen für die Sicherheit der Besucher kann sehr schnell die bislang übliche Nutzungen gefährdet sein. Laut Aussage aller geologischen Fachgutachter wird der Kalkberg - sollte auch weiterhin eine uneingeschränkte Nutzung erfolgen - eine Dauerbaustelle bleiben. Die geophysikalischen und geochemischen Prozesse am Fels laufen weiter und sind nicht aufzuhalten. Es wird deshalb trotz Sicherungsaßnahmen auch weiterhin zu Felsabstürzen, Einbrüchen von Höhlenanteilen und Erdfällen kommen. Dieses Risiko lässt sich nicht mit technischen Mitteln ausschließen, sondern nur bestenfalls kontrollieren. Je mehr Sicherheit bei hoher Nutzungsintensität erforderlich ist, desto höher werden jedoch auch die Kosten für Sicherungsmaßnahmen steigen.
Trotzdem: Keine Konsequenzen?
Der NABU erkennt dabei die bisherigen Bemühungen der beteiligten Geologen und Ingenieure, mit möglichst wenig Maßnahmen das Ziel der Verkehrssicherheit am Felsen zu erreichen, an und begrüßt den deutlichen Kenntniszuwachs durch die erstellten Gutachten. Stadt und Kalkberg GmbH betreiben selbst eine Minimierung der Maßnahmen. Es ist dem NABU jedoch völlig unverständlich, wie im Wissen um gravierende Probleme mit der Durchführung von Konzerten im Mai 2007 trotzdem Konzerte im folgenden Jahr 2008 zugesagt wurden. Dabei ist aktuell ungeklärt, ob die notwendigen Sicherungsarbeiten genehmigt und rechtzeitig ausgeführt werden können. Für den Eingriff am Kalkberg sind besondere Genehmigungsverfahren einzuhalten: Der Berg und seine Höhlen sind als Naturdenkmal gesichert und stehen unter dem Schutz der europäischen FFH-Naturschutzrichtlinie (Vorkommen besonders bedrohter Fledermausarten, touristisch weitgehend ungenutzte Höhle). Vor Eingriffen und Maßnahmen in diesen einzigartigen Lebensraum ist eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Planer und Gutachter stehen dabei unter einem großen Zeitdruck. Der NABU hat im Verfahren, an dem er nach geltendem Naturschutzrecht zu beteiligen ist, Stellung bezogen und die wesentlichen Kritikpunkte schriftlich formuliert.
Der NABU bemängelt in seiner Stellungnahme erhebliche Fehler in der zudem unzureichenden FFH - Verträglichkeitsprüfung. Dies betrifft u.a.:
- die Einschätzung der Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps "Nicht touristisch erschlossene Höhle",
- die in den Gutachten weitgehend fehlende Berücksichtigung des lebensraumtypischen Arteninventars des FFH - Gebietes und der angrenzenden Bereiche,
- die fehlende Bewertung der streng geschützten "bedrohten Fledermausarten" und des Käfer-Endemiten "Choleva septentrionis holsatica",
- die fehlende artenschutzrechtliche Prüfung,
- den fehlenden biologischen Fachbeitrag,
- die fehlende Alternativenprüfung sowie
- die unzureichenden bzw. nicht anrechenbaren CEF-Maßnahmen.
Öffentliches Interesse: Erhalt des Kalkbergs
Der NABU sieht das überwiegende öffentliche Interesse deutlich im langfristigen Erhalt und dem Schutz des Segeberger Kalkberges, seines Höhlensystems und der dort lebenden Tier- und Pflanzenwelt. Der Kalkberg ist ein ganz besonderer Naturschatz für die Region, ein "Geotop" höchster Kategorie mit wunderschönen Felsformationen, ein Ort der kleinen und verborgenen Kostbarkeiten, welche sich nicht immer sofort dem menschlichem Auge erschließen, dabei aber trotzdem schützenswert sind, und ein artenreicher Lebensraum, wie es ihn in dieser Art nicht noch einmal gibt.
Der Kalkberg selber ist in seiner heutigen Ausprägung und Natürlichkeit ein Alleinstellungsmerkmal der Region, dessen Erhalt höchste Priorität hat - auch vor wirtschaftlichen Interessen. Er ist unersetzbar - und letztlich nur in seiner Natürlichkeit auch Garant einer an die natürlichen Verhältnisse angepassten, wirtschaftlichen Nutzung und Entwicklung. Es gilt zu nutzen, was noch nutzbar bleibt, ohne den Berg massiv zu schädigen. Jedes andere Handeln wäre aus ökonomischer und ökologischer Sicht falsch und für die Zukunft des Berges fatal.
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