Helfen Sie dem Schweinswal
Helfen Sie uns, die letzten Ostsee-Schweinswale vor dem Aussterben zu bewahren!
Der Mythos von Flipper, „unserem besten Freund“, ist ungebrochen. Die seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekannten Filme und Serien über den hilfreichen Delfin animierten auch in den letzten Jahren viele Schaulustige, an die Ostseeförden zu kommen und sich die von der Öffentlichkeit „Selfie und Delfie“ oder „Freddy“ getauften Tiere einmal selbst aus der Nähe anzuschauen. Die Großen Tümmler, die sich immer mal wieder zu Besuch in der Ostsee aufhalten, akzeptieren die Nähe zu Menschen. Sie sind in aller Munde und in den Medien präsent und stehlen so ihren kleineren Verwandten, den Schweinswalen, die „Show“. Dabei wäre es wichtiger, sich eingehender damit zu beschäftigen, dass einheimische Walarten wie der Schweinswal ihren Lebensraum vor unseren Küsten nach und nach verlieren.
Schweinswale sind mit den Delfinen verwandt und werden häufig mit ihnen verwechselt. Bei genauem Hinsehen gibt es allerdings deutliche Unterschiede. Schweinswale werden im Schnitt nur 1,50 Meter lang, während Delfine bis zu vier Meter Länge erreichen können. Die Rückenfärbung des Schweinswals ist grau bis schwarz, die des Bauches grau bis weiß. Auch das Verhalten der Kleinen Tümmlers, wie man Schweinswale auch nennt, ist anders als bei den großen Verwandten. Wenn Schweinswale zum Atmen an die Oberfläche kommen, erscheint lediglich der Rücken in einer rollenden Abwärtsbewegung und bei ruhiger See kann man über dem Wasser kurz die dreieckige Rückenfinne sehen.
Helfen Sie uns, die letzten Ostsee-Schweinswale vor dem Aussterben zu bewahren!
Glück für Segler
Am ehesten haben Segler das Glück, den Kleinen Tümmler zu entdecken, wenn er das Segelboot ein Stück begleitet. Meist werden die Segler durch das prustende Blasen aufmerksam, das die Schweinswale beim Luftholen von sich geben. Im Gegensatz zum Delfin besitzt der Kleine Tümmler keinen „Schnabel“ sondern eine verkürzte Schnauze, mit der er gut am Meeresboden zum Beispiel nach Grundeln und kleinen Sandaalen suchen kann. Vielleicht hat gerade dieses Aufwühlen des Bodens dazu geführt, ihn „Schweinswal“ oder dänisch „Marsvin“ (Meeresschwein) zu nennen. Dorsch und Heringe frisst er jedoch ebenso gern.
Schweinswale sind auf der nördlichen Erdhalbkugel mit jeweils etwas abweichenden Arten anzutreffen. Sie halten sich gern in ruhigen, flachen Gewässern auf. Eigentlich war die Ostsee einmal ein perfektes Meer für diese Art. Man weiß, dass es bereits im Mittelalter den kommerziellen Fang von Schweinswalen in der Ostsee gegeben hat. Die „Meerschweinjäger“ sollen auf Fünen um das Jahr 1500 sogar eine eigene Zunft gebildet haben. Während der Fang damals die Art noch nicht gefährdete, erreichten die Fangquoten Anfang des 20. Jahrhunderts schwindelerregende Höhen, die dann für eine enorme Abnahme sorgten. So sah man Handlungsbedarf und stellte die Tiere schließlich 1975 weltweit im Rahmen des Washingtoner Artenschutzabkommens unter Schutz. Resümierend muss man heute jedoch erkennen, dass selbst der frühere Walfang über Jahrhunderte die damals noch kopfstarken Bestände nicht derart an den Rand des Überlebens bringen konnte wie dies heute wegen stark reduzierter Bestände Stellnetze, Lärm und Umweltverschmutzung tun.
Das Abkommen zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee, des Nordostatlantiks und der Irischen See, abgekürzt ASCOBANS (englisch: Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas), ist ein regionales Artenschutzabkommen. Es wurde im September 1991 im Rahmen der Bonner Konvention abgeschlossen und trat im März 1994 in Kraft. ASCOBANS deckt alle in dem Gebiet vorkommenden Zahnwalarten, mit Ausnahme des Pottwals, ab. Der Schweinswal ist der einzige in der Ostsee heimische Kleinwal und in der Nordsee die am häufigsten auftretende Walart. Deshalb steht vor allem der Schweinswal im Fokus der Arbeit des Schutzabkommens.
Rettungsplan für die Schweinswale
Der Bedarf eines Erhaltungsplanes für die Schweinswale der Ostsee ist schon lange international anerkannt, da laut Schätzungen im baltischen Raum nur noch ca. 600 Schweinswale leben. Der Jastarnia Plan zur Erholung der Schweinswalpopulation in der Ostsee wurde über mehrere Jahre hinweg unter der Schirmherrschaft von Ascobans entwickelt. Der Rettungsplan enthält Empfehlungen zur Reduzierung bestimmter Fischfangmethoden, etwa die Umstellung auf Fanggeräte mit geringerem Beifang von Meeressäugern. Der Plan, der auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz im Jahr 2003 verabschiedet wurde, verfolgt als Kernziele u.a. die Beifangrate in der Fischerei innerhalb des 1995 erfassten Gebiets auf maximal zwei Schweinswale jährlich zu reduzieren.
In der Ostsee gibt es zwei Populationen, die sich genetisch geringfügig unterscheiden. Die Population der zentralen und östlichen Ostsee zählt nur noch wenige Hundert Exemplare, wie man vor Jahren bei einem intensiven Monitoring ermittelt hat. Sie ist unmittelbar vom Aussterben bedroht. Für die Population westlich von Fehmarn nimmt man einen größeren Bestand an. Ihr Lebensraum erstreckt sich über die gesamte Ostküste Schleswig-Holsteins bis nach Dänemark. Belastbare Zahlen gibt es hier jedoch nicht. Klar ist, dass auch diese Population bedroht ist.
Schweinswale sollen bis zu 22 Jahre alt werden können. Doch tatsächlich ist ein erreichtes Alter von 15 Jahren schon bemerkenswert in Anbetracht aller lauernden Gefahren. Natürliche Feinde haben die Kleinen Tümmler in der Ostsee nicht, wenn man von einzelnen Kegelrobben oder auch Delfinen absieht, die gelegentlich Schweinswale töten. Gefährdet wird die Existenz des Ostseeschweinswals durch Stellnetze, für die man heutzutage feinen Kunststoff anstatt Bundgarn benutzt. Aus diesem Grund können Wale die Netze mit ihrem Echolot nicht mehr erkennen. Da die Kleinen Tümmler nicht rückwärts schwimmen können, drehen sie sich erst recht in das Netz hinein, wenn sie sich aus der Todesfalle herauswinden wollen. Bis zu 90 Prozent der tot anstrandenden Schweinswale an unserer Küste weisen so genannte Netzmarken auf. Nach oben offene Bundgarne haben den Vorteil, dass die Tiere hier nicht ertrinken, sondern daraus weitgehend unversehrt befreit werden können. Jedes Jahr findet man allein an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste um die 100 angeschwemmte Schweinswale. Diese beinhalten noch nicht die Dunkelziffer der Tiere, die nicht gefunden oder nicht gemeldet werden. In der Regel handelt es sich um junge Tiere. Das ist besonders bitter in Anbetracht dessen, dass ein geschlechtsreifes Weibchen nur alle zwei Jahre ein einziges Junges in die Welt setzt.
Gebrochenes Versprechen
Um die besonders bedrohte Schweinswalpopulation in der Ostsee besser zu schützen, versprach man im Koalitionsvertrag der Kieler Landesregierung von 2012, die Stellnetzfischerei dauerhaft ablösen zu wollen. In der Umsetzung wurde nur eine rein freiwillige (!) Vereinbarung mit der Fischerei auf den Weg gebracht mit dem Inhalt, dass Stellnetze innerhalb gewisser Zeit umgesetzt werden müssen, wenn dort Schweinswale oder Meeresenten gesichtet werden. Bedauerlicherweise warten jedoch Wale wie die gleichfalls bedrohten Tauchenten nicht ein paar Tage darauf, dass Fischer die Netze entfernen. Sie leben schließlich dort, wo die Netze stehen - und im Zweifelsfall sterben sie dann auch dort.
Statt eines rechtlich fixierten Schutzes von Schweinswalen und Meeresvögeln setzt das Umweltministerium in Kiel auf eine nicht bindende „freiwillige Vereinbarung“, um diese vor den negativen Auswirkungen der Fischerei zu schützen. Diese sind bekanntermaßen jedoch das schwächste und erfolgloseste Instrument naturschutzrechtlicher Möglichkeiten. Zwar wird in der Vereinbarung u.a. eine Reduktion der Stellnetzlänge angestrebt, in denen Schweinswale und Meeresvögel jämmerlich ertrinken. Es liegen jedoch keine Daten vor, die den Erfolg dieser Vereinbarung messbar machen können. So existieren nach einem Gutachten des Thünen-Instituts nur grobe Schätzungen der tatsächlichen Längen ausgebrachter Stellnetze. Fischer und Umweltministerium können sich also selbst bescheinigen, die Vereinbarung erfüllt und damit eines der Ziele erfolgreich erreicht zu haben, ohne dies belegen zu müssen.
Schweinswale verdienen gesetzlichen Schutz
Der NABU ist überzeugt, dass allein rechtlich gesicherte, zeitlich und räumlich begrenzte Gebietsschließungen verbunden mit der Weiterentwicklung alternativer Fanggeräte die Küstenfischerei in Schleswig-Holstein mittelfristig ökologisch nachhaltiger und zukunftsfähiger ausrichten könnten. Für diesbezüglich unkritische Fangmethoden, wie sie der NABU im Zuge eines vom Bundesamt für Naturschutz BfN geförderten Projektes mit Fischern getestet hat, sollten die Sperrungen nicht gelten. Ohne diese Restriktion geht der Fischerei der zentrale Anreiz verloren, zielorientiert an der Entwicklung alternativer Fanggeräte weiterzuarbeiten, und so zukünftig auch mit nachhaltigen Methoden ihre wirtschaftliche Basis zu behalten.
Eine weitere erhebliche Gefährdung entsteht durch Geräuschbelastungen. Lärm von großen Schiffen, Speedbooten, Jetskis, Windrädern oder Sprengungen vertreiben die Tiere aus ihrem Lebensraum, schädigen ihr Gehör oder töten sie. So werden vor dem Urlaubsort Schönhagen zwischen Kappeln und Eckernförde immer wieder von der Bundesmarine „Ansprengungen“ durchgeführt , die dazu dienen, die Stabilität von Militärschiffen zu testen. Anwohner Karl-Christoph Jensen weiß zu berichten, dass jedesmal wenn die Marine vor Schönhagen sprengt, der ganze Ort zu beben scheint und das Geschirr im Schrank klirrt. In der Bäckerei im Ort sind bei einer Sprengung sogar schon Brötchen von der Erschütterung vom Tresen gefallen. Schweinswale haben ein höchst empfindliches Gehör, auf das sie zur Orientierung und Nahrungssuche angewiesen sind. Die Detonationen bewirken, dass noch viele Kilometer weiter das Hörorgan von Walen geschädigt wird. Aber auch Fische und Wasservögel werden Opfer der Detonationen. Selbst kleine Explosionen, wie sie von der Marine zur vermeintlichen Vergrämung eingesetzt werden, können mit ihrer Schockwelle einem Schweinswal in 650m Entfernung die Lunge zerreißen. Ein leicht geschädigtes Gehör begünstigt das Verfangen in Stellnetzen, die durch die fehlende Ortungsmöglichkeit noch schlechter erkannt werden. Selbst in den Sommermonaten, wenn genau dort vor der Küste die Schweinswalmütter mit ihren neu geborenen Kälbern unterwegs sind, wird gesprengt.
Ostsee-Schweinswale werden durch das UNO-Abkommen "Ascobans" geschützt. Deutschland gehört zu den Vertragsstaaten und hat sich darüber hinaus mit Unterzeichnung des sogenannten Jastarnia-Plans im Rahmen von Ascobans verpflichtet, die abnehmende Ostsee-Population vor dem Aussterben zu bewahren. Die Zulassung ungeschützter Sprengungen im Lebensraum der Wale ist ein grober Verstoß gegen diese eingegangenen Verpflichtungen. Ziel muss es sein, die Explosionen auf ein unvermeidbares Minimum zu reduzieren und schützende Blasenschleier einzusetzen. In den Sommermonaten muss mit Rücksicht auf die Jungtiere gänzlich auf Sprengungen im Lebensraum der Meeressäuger verzichtet werden. Dennoch wird das Problem von der Bundesmarine weitgehend ignoriert. Dagegen gibt es Fortschritte bei der Beseitigung von Munitionsablagerungen im Meer. Schleswig-Holstein verzichtet heute auch auf Initiative des NABU auf „Vernichtungssprengungen“ und unterstützt Forschungen zur umweltverträglichen Beseitigung dieser die Meeresumwelt belastenden Munitionsaltlasten.
Umweltschadstoffe und Düngemittel aus der Landwirtschaft, die in die Ostsee gelangen, schwächen zusätzlich das Immunsystem der Meeressäuger und verursachen gravierende Krankheiten. Die Nahrungsknappheit als Folge von Überfischung und Klimawandel macht den Schweinswalen zusätzlich zu schaffen.
Starkes NABU-Engagement
„Was man nicht kennt, das schützt man auch nicht“, sagte sich der NABU Schleswig-Holstein in Anbetracht der fehlenden Lobby für die bedrohten Wale. Die im Jahr 2014 neu gegründete NABU-Landesstelle Schweinswalschutz mit ihrer Leiterin Dagmar Struß brachte dazu ein Projekt mit dem Ziel der verstärkten Öffentlichkeitsarbeit auf den Weg. An den Küstenorten zwischen Flensburg und Kiel werden bis heute Informationen zum Schweinswal verteilt und Menschen dazu aufgefordert, Sichtungen zu melden, um mehr über die Aufenthaltsorte der schleswig-holsteinischen Population in Erfahrung zu bringen. Für die Finanzierung konnte der NABU die BINGO Umweltlotterie gewinnen sowie Mittel aus dem Artenhilfsprogramm des Landes einwerben. Zudem gingen größere Beträge aus dem speziellen Spenden-Mailing des NABU in die Finanzierung ein.
Einheimische wie Touristen werden nun für das Thema sensibilisiert. Es folgten Presseaktionen, Vorträge und zahlreiche Infostände an der Flensburger Förde, der Schwerpunktregion des Projektes. Von Touristikern und Gemeinden der Region wird die NABU-Öffentlichkeitsarbeit für die Schweinswale als Bereicherung aufgenommen und als Win-win-Situation für die touristische Bewerbung der Region wahrgenommen. Die beim NABU eingegangenen Sichtungsmeldungen werden in einer Verbreitungskarte für die Flensburger Förde festgehalten, zugleich aber auch in die Datenbank des Meeresmuseums Stralsund eingearbeitet, aus der dann wiederum die Monitoring-Karte für das Bundesamt für Naturschutz generiert wird.
Gemeinsam auf Tour
Gemeinsam mit dem Flensburger Fährbetrieb wurden ferner die ersten Whale-Watching Touren in Schleswig-Holstein aus der Taufe gehoben. Was zunächst wie eine verrückte Idee klang –verband man dies bis dahin eher mit Neuseeland oder Kanada – wurde schließlich in der Flensburger Förde Realität. 2015 fuhr das kleine Ausflugsboot „Flora II“ unter dem Kapitän Matthias Hansen erstmals los, um mit naturinteressierten Gästen an Bord Schweinswale zu sichten. Am Ende der Probefahrten kristallisierte sich eine Quote von 50% Sichtungswahrscheinlichkeit heraus, ein Erfolg gleichauf mit vielen anderen Whale-Watching-Standorten rund um den Globus.
Dieses Ergebnis wurde im Folgejahr bei weitem überboten, als nun die offiziellen Touren begannen. Zum Sommer 2016 hatte das Whale-Watching-Team bereits mehr Erfahrung gesammelt darin, wo die Tiere am besten zu finden waren und wie sie sich dann fortbewegten. Kapitän Hansen steuerte sein Boot jeweils so, dass die Sichtung für die Gäste verbessert und verlängert werden konnte, ohne den Tieren zu nahe zu kommen oder sie gar zu verfolgen. Von seiner Brücke aus hat er die beste Rundum-Sicht und konnte bei Sichtungen mit entsprechenden Richtungs- und Entfernungsangaben den Besuchern helfen, die Tiere zu entdecken. Schließlich war das Team an 7 von 8 Fahrten erfolgreich - diese in Richtung 90 % strebende Schweinswal-Sichtungsquote hätte niemand bei Projektbeginn zu erhoffen gewagt. Zudem werden im Rahmen eines Vortrages auf dem Wasser den Besuchern viel Wissen über Schweinswale und Meeresschutz vermittelt. Dieses Ergebnis motiviert zugleich, die Fahrten auch in Zukunft weiterzuführen. Man darf gespannt sein, ob sich auch in diesem Sommer die Wale wieder so bereitwillig zeigen. Die neuen Tour-Termine werden bis Ostern feststehen.
DStr 28. März 2017
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