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Jetzt Mitglied werden!Was Vögel unter Wasser hören
Unterwasserlärm gefährdet Tauchvögel
Mit „Sang und Schalle“ kündigen die Vögel laut einem Volkslied das Frühjahr an. „Alle Vögel sind schon da“, heißt es, und aufgezählt werden dann die über den Winter vermissten Gartenvögel. Die „ganze Vogelschar“ stellt sich leider heute längst nicht mehr in so opulenter Zahl ein. Einige bleiben sogar über Winter im ungemütlichen, doch längst nicht mehr so kalten Deutschland, um den Zeit-Vorteil für die Besetzung der besten Nistplätze zu nutzen.
Zu der perfekten Anpassung an den Lebensraum gehört auch der Gesang. Die männliche Amsel schmettert ihr Lied laut gurgelnd vom Dachfirst herunter und signalisiert der Weiblichkeit Potenz und der Konkurrenz Respekt. Tatsächlich ist die Lautstärke des Gesangs bei vielen Arten ein Auswahlkriterium, denn der laute Gesang verheißt viele Nachkommen. Lautstärke bedeutet jedoch auch Aggressionspotenzial. Feldsperlinge, die den Schnabel voller nehmen, als es ihre Kraft zulässt, beziehen von Artgenossen zuweilen Prügel.
Vögel passen Frequenz an Stadtlärm an
Bekannt ist, dass Vögel in der Stadt lauter singen, um sich anzupassen. Das Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz ergänzte hierzu die Feststellung, dass sich bei untersuchten Arten auch die Frequenz erhöht, damit der Vogel quasi über der Frequenz des Verkehrslärms hinweg mit Artgenossen kommunizieren kann.
Während der Gesang der terrestrischen Vögel schon recht gut erforscht wird, wusste man über die Hörfähigkeit und eine mögliche Unterwasserkommunikation von Wasservögeln bis vor einigen Jahren noch so gut wie gar nichts. Zugleich erahnt man, dass die Anpassungsfähigkeit von Lebewesen nicht an der Wasseroberfläche endet.
Walgehör: wichtigstes Sinnesorgan und größter Schwachpunkt
Wale, die im Laufe der Evolution von Land- zu Meeresbewohnern geworden sind, haben eine besondere Technik entwickelt. Das Biosonar der Meeressäuger ist eine komplexe, effektive Ergänzung des einstigen Ohrs, das hierfür zurückgebildet wurde. Für die Schweinswale in Nord- und Ostsee ist dieses Gehör das wichtigste Sinnesorgan überhaupt. Der massive, menschgemachte Unterwasserlärm ist für die Tiere zugleich die größte Gefahr geworden.
Schiffsverkehr, darunter die für Wale besonders gefährlichen Speedboote und Jetskis, Unterwasserbaulärm für Steganlagen oder Baggerarbeiten, das Rammen der Fundamente von Offshore-Windkraftanlagen, seismische Messungen oder Sprengungen der Marine stellen ein lebensbedrohendes Problem dar. Leider wird es erst ansatzweise angegangen, der kompromisslose Offshore-Windkraftausbau stellt sogar einen Rückschritt dar. Doch zumindest ist das akustische Problem in Bezug auf die Wale analysiert. Wo keine wissenschaftlichen Erkenntnisse das Problem der Bedrohung benennen, wird auch keine Abhilfe geschaffen. Die Erforschung der Unterwasser-Lärmproblematik für Tauchvögel war entsprechend überfällig.
Unterwasserturbinen können zu einem so genannten Baro-Trauma bei Vögeln führen. Dieses Phänomen kennt man auch von Fledermäusen, denen durch den Unterdruck an Windkraftanlagen innere Organe zerrissen werden. Die massive Druckveränderung einer Unterwasser-Turbine kann für tauchende Vögel ebenfalls zum Tod führen.
Vergrämt Unterwasserlärm die Seetaucher?
Der Offshore-Windpark Butendiek vertreibt Tausende Seevögel aus einem für sie ausgewiesenen Vogelschutzgebiet in der deutschen Nordsee. Das Schutzgebiet gilt als wichtigstes Rastgebiet für Stern- und Prachttaucher in der Nordsee. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb der Anlagen auch unter Wasser, wo der Schall sich wesentlich weiter verbreitet als in der Luft, störenden Lärm für die bedrohten Seetaucher emittiert. Bisher ist diese Beeinträchtigung nicht nachgewiesen.
Die am besten an die Meeresumwelt angepassten Vögel sind vermutlich die Pinguine. Daher haben mehrere Forschergruppen hier angesetzt, um dem Geheimnis der Hörfähigkeit unter Wasser auf die Spur zu kommen.
Noori Choi vom südkoreanischen Polarforschungsinstitut hat sich gemeinsam mit ihren Kolleg*innen für die Eselspinguine als Forschungsobjekt entschieden, weil sie besonders „gesprächig“ und sozial sind und in Gruppen nach Nahrung suchen. Einen Teil der Tiere statteten die Forscher*innen mit Videokameras und Sensoren aus, um den Tauchgang auf offener See nachvollziehen zu können. Man stellte fest, dass die Pinguine offshore ein anderes Stimmrepertoire nutzen und auch unter Wasser Geräusche produzieren. Die Rufe dienten offensichtlich dazu, die Gruppe zusammenzurufen und z. B. Informationen zur Länge und Tiefe eines Tauchgangs zu übermitteln, die vermutlich mit der Nahrungssuche im Zusammenhang stehen. Der tatsächliche Sinn der Kommunikation konnte zwar im Rahmen dieser Untersuchung nicht ermittelt werden, zumal die Tiere zwar nebeneinander, jedoch nicht als Gruppe, Beute jagen, doch der Nachweis der Kommunikation war somit geführt (2017).
Pinguin-Ohren werden erforscht
Pinguine standen auch im Zentrum einer Untersuchung, die vom Umweltbundesamt und dem Bundesumweltministerium von 2018 bis 2021 gefördert wurde. „Hearing in Penguins“ lautete der verheißungsvolle Name des von Dr. Michael Dähne geleiteten Projekts. Das Deutsche Meeresmuseum (DMM) wurde bei der Forschung unterstützt von der Universität Süddänemark mit dem dänischen Zoo in Odense, vom Marine Science Center der Universität Rostock sowie dem Museum für Naturkunde in Berlin. Projektziel ist die Erforschung des Vogelgehörs unter Wasser, um Rückschlüsse ziehen zu können, ob Unterwasserlärm eine Bedrohung für Tauchvögel darstellt. Das Berliner Naturkundemuseum scannte einen Pinguinschädel aus der Sammlung mit Computertomografie, um dann die morphologischen Strukturen der Hörorgane digital zu rekonstruieren. An mehreren Standorten wurde mit den Tieren gearbeitet. Mit viel Hingabe und Geduld wurden in Stralsund Humboldt-Pinguine trainiert und ihr Vertrauen gewonnen, bevor Hörtests mit ihnen in einer Schallkammer stattfinden konnten.
Pinguin flieht vor Unterwasserlärm
Im Zoo Odense wurde das Gehör von Eselspinguinen unter Wasser getestet. Hierfür waren eine ganze Reihe von Geräuschen aus der antarktischen Heimat der Tiere aufgenommen worden. Dann wurde untersucht, wie die Tiere auf menschgemachte Lärmereignisse reagieren. Die Pinguine reagierten bei leiseren Geräuschen zunächst kaum, erschreckten dann jedoch bei leicht ansteigender Lautstärke und schwammen vom Lautsprecher weg. So wurde hier nachgewiesen, dass Pinguine unter Wasser hören und negativ auf Unterwasserschall bei bereits geringen Lautstärken reagieren. Für Projektleiter Dr. Dähne zeigt dies deutlich, dass auch tauchende Vögel sensibel auf Unterwasserschall reagieren und deshalb genauso vor Explosionen, Bauarbeiten auf See und geophysikalischen Erkundungen geschützt werden müssen wie Wale und Robben.
Zu den Bedrohungen der Tauchvögel gehört der Beifang in Stellnetzen, der jährlich Hunderttausende von Tieren das Leben kostet. Um diesen Beifang zu reduzieren, wurden im Rahmen einer amerikanischen Studie Unterwasser-Hörtests an betroffenen Meeresentenarten durchgeführt, um bei der möglichen Entwicklung von Minderungsstrategien durch akustische Abschreckungsgeräte zu helfen. Die Kenntnis der Gehörempfindlichkeit der untersuchten Arten soll dabei helfen, Management-Entscheidungen in Bezug auf schädliche Lärmquellen zu treffen. Unter den im Wildlife-Center getesteten Tauchenten befanden sich auch Eis- und Eiderenten, die einen identischen Hörempfindlichkeitsbereich teilen, was bedeutet, dass sie die Problematik gleicher Lärmquellen teilen, aber zugleich auch auf Warnungen gleichermaßen positiv reagieren könnten.
Trainierter Kormoran absolviert Unterwasser-Untersuchungen
Der Kormoran ist ein versierter einheimischer Tauchvogel. Seit 2009 untersuchen dänische Forscher*innen – teils mit deutscher Unterstützung des Instituts für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW) in Büsum – die Hörfähigkeit des Vogels an Land und im Wasser. In den Versuchen wurde für Kormorane nachgewiesen, dass sie über Wasser zwar im Vergleich mit anderen Vögeln ihrer Größe nur mäßig gut hören, unter Wasser aber ungewöhnlich gut. Dies lässt vermuten, dass ihr Hörvermögen für die Jagd relevant ist.
Das Thema Lärm als Bedrohung für Tauchvögel wurde bisher sträflich vernachlässigt. Doch die jüngst gewonnen Erkenntnisse sollten Basis für weitere Forschung sein. Zugleich sollte der geführte Nachweis einer realen Bedrohung für Wasservögel umgehend umgesetzt werden. Management- und Aktionspläne müssen ergänzt werden. Ausreichend bemessene Nullnutzungszonen in Meeresschutzgebieten müssen in Anbetracht des Erkenntnisgewinns umso dringender umgesetzt werden.
DS, 10. August 2022