Haselmaus: Die Fähigkeit, einzelne Finger gegenüberzustellen – und diese auch zu krümmen – ermöglicht Klettern auch an dünnen Zweigen. - Foto: NABU / Carsten Pusch
Haselmäuse in Schleswig-Holstein
Flinke Kletterer im Brombeerdickicht
Warme, spätsommerliche Temperaturen, bunt verfärbtes Herbstlaub – und mittendrin ein kleines Wesen mit schwarzen Knopfaugen: eine Haselmaus. Nur selten bekommt man den „knuffigen“ Nager tagsüber auf Nahrungs- suche zu sehen. Die kleinen, nachtaktiven Tiere sind im herbstlichen Blätterwald praktisch unsichtbar und werden sonst eher mal bei Nistkastenkontrollen angetroffen.
Die Haselmaus ist ein mausähnliches, nachtaktives Nagetier aus der Familie der Bilche oder Schläfer, ist also zoologisch nicht mit Mäusen verwandt. Die nächs- ten Verwandten sind der Garten- und Siebenschläfer. Diese Arten kommen aber nicht in Schleswig-Holstein vor. Die Haselmaus wiegt nur 15 bis 40 Gramm und wird knapp 15 Zentimeter lang, fast die Hälfte der Länge entfällt dabei auf den Schwanz. Das Fell ist gelb- bis rotbräunlich mit einem weißen Fleck an Kehle und Brust, am Schwanz ist es meist etwas dunkler. Es kommen aber immer wieder auch ganz schwarz gefärbte Tiere vor. Haselmäuse werden in freier Wildbahn 3 bis 4 Jahre alt und sind mit einem Jahr geschlechtsreif. Die meisten Weibchen haben einen Wurf pro Jahr, es kann in Ausnahmefällen aber bis zu drei Würfe mit bis zu fünf Jungtieren geben.
Vorkommen in Schleswig-Holstein
Schleswig-Holstein befindet sich am nordwestlichen Rand des Verbreitungsgebiets in Mitteleuropa, der Verbreitungsschwerpunkt liegt östlich einer gedachten Linie Plön – Bad Segeberg – Hamburg. Westlich von Neumünster gibt es zudem ein größeres Inselvorkommen. Aus den nördlich des Nord-Ostsee-Kanals liegenden Gebieten sind nur wenige, hauptsächlich ältere Vorkommen bekannt.
Hervorragende Kletterer
Haselmäuse besiedeln artenreiche Gehölzstrukturen in südexponierten Waldrändern, in Schleswig-Holstein besonders auch Knicks oder Böschungen. Selbst Gehölzanpflanzungen an Bundestraßen und Autobahnen werden genutzt. Dichtes Hasel- und Schlehengestrüpp mit einer breiten Übergangszone besonnter Brombeerbestände sind die idealen Lebensräume. Interessanterweise ist die Art in anderen Teilen Deutschlands eine Art der Wälder der Mittelgebirge. Es wird vermutet, dass die Verbreitung der Haselmaus in Schleswig-Holstein auf das historisch dichte Knicknetz zurückzuführen ist.
Haselmäuse sind hervorragende Kletterer, die sich auch auf den dünnsten Zweigen wohl fühlen und die meiste Zeit auf den Bäumen leben. Dabei hilft ihnen eine Fähigkeit, die nur wenigen Tieren und dem Menschen vorbehalten ist: Sie können einzelne Finger gegenüberstellen und diese auch krümmen. Damit sind sie in der Lage, fest zuzupacken und selbst dünne Zweige zu ergreifen – ohne einen „Daumen“. Auch an den Hinterpfoten können Haselmäuse jeweils die erste Zehe einer anderen Zehe gegenüberstellen. Der Schwanz hilft den Tieren beim Klettern, die Balance zu halten.
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Ein verlassenes Sommernest der Haselmaus, typisch die Nutzung von Blättern und Grasspreiten. - Foto: NABU / Carsten Pusch
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Mit solchen Röhren kann man im Sommer gern genutzte Haselmaus-Quartiere anbieten. - Foto: NABU / Carsten Pusch
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Gelbhalsmäuse konkurrieren mit Haselmäusen um geeignete Höhlen. - Foto: NABU / Carsten Pusch
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Anhand der sehr typischen, tangentialen Nagespuren an geöffneten Haselnüssen läßt sich die Art ebenfalls nachweisen. - Foto: NABU / Carsten Pusch
In der Zeit von Mai bis Ende Oktober streifen sie nachts umher und ernähren sich von Knospen, Samen, Nüssen, Beeren, aber auch Insekten und anderen kleinen wirbellosen Tieren. Im Frühjahr werden zudem gerne Blüten gefressen. Angenagte Haselnüsse mit den charakteristischen, tangential verlaufenden Nagespuren haben schon zahlreiche, öffentliche Aufrufe von Naturschutzorganisationen zu „Nussjagden“ ausgelöst, um das Vorkommen der Art damit nachzuweisen.
Ein Schläfer geht schlafen
Tagsüber schlafen die Haselmäuse in ihrem etwa faustgroßen, kugelförmigen Nest, dem Kobel. Der ist meist aus Grasspreiten, Laubblättern und anderem geeigneten bzw. in der direkten Umgebung verfügbaren Material gebaut und in Büschen und Bäumen aufgehängt. Für Laien sind solche Kobel nicht einfach von Nestern der Zwergmaus oder kleinen, kugeligen Vogelnestern wie das des Zaunkönigs zu unterscheiden. Gerne werden Nisthöhlen für Vögel angenommen, es gibt zudem spezielle Kästen und Röhren für Ha- selmäuse. Auch werden Kobel gerne auf alte Vogelnester aufgesetzt und diese als Unterlagelage genutzt.
Die Hälfte des Jahres befinden sich Haselmäuse im Winterschlaf. Bewegungslos und kugelig eingerollt verbringen sie die kalte Jahreszeit in einem besonders dichten und frostsicheren Nest in Erdhöhlen oder in oder an Baumstümpfen. Ihre Körpertemperatur ist deutlich reduziert und kann bei starkem Frost nur knapp über dem Gefrierpunkt liegen. Herzschlag und Atmung werden sehr stark verlangsamt. Über zehn Minuten können dann zwischen zwei Atemzügen liegen. Die Sterblichkeitsrate während des Winterschlafs von 60 bis 70% ist allerdings sehr hoch und kann schnell zum Erlöschen kleiner Vorkommen führen.
Stark gefährdet
Haselmäuse zeigen ein schwaches Wanderverhalten, besitzen somit nur eine geringe Ausbreitungsfähigkeit und sind damit besonders durch die Isolation ihrer Lebensräume bedroht. Bereits breite Waldwege oder größere Lücken von mehreren Metern in einem Heckenzug oder Gehölzstreifen können als Barriere wirken. In ihrem Lebensraum sind sie vor allem durch Befahrung von Wald- und Wegrändern oder durch Gehölzpflege (vor allem oberflächennahes Mulchen) gefährdet. Staunässe, längere Regenzeiten und Prädation durch Fuchs, Mauswie- sel oder Wildschwein können erhebliche Verluste verursachen. Aber auch der Waldkauz erbeutet Haselmäuse.
In der aktuellen Roten Liste der Säugetiere Schleswig-Holsteins werden Haselmäuse als „stark gefährdet“ geführt. Sie ist im Anhang IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) aufgeführt. Die Mitgliedsstaaten der europäischen Union sind damit verpflichtet, alle sechs Jahre über den Erhaltungszustand der Art zu berichten. Aktuell wird der Zustand der Art als „ungünstig – unzureichend“ bewertet. Dies erfordert besondere Anstrengungen zum Schutz und Erhalt, auch hinsichtlich von Störungen im Rahmen von Eingriffsvorhaben.
CPu 22. Dezember 2018