Zauneidechse lieben sonnenexponierte, offene Lagen. - Foto: Hartmut Mai
Kiesabbau in Schleswig-Holstein
Vorschläge zur Minimierung von Konflikten mit dem Naturschutz
Kiesabbau führt einerseits zu teilweise erheblichen Eingriffen in Landschaftsbild, Bodenstruktur, Wasserhaushalt und Biotope. Andererseits können sich Kiesgruben zu wertvollen Lebensräumen gerade für auf nährstoffarme Standortverhältnisse spezialisierte Pflanzen- und Tierarten entwickeln, deren Bestände in der flächig von anthropogenen Nährstoffeinträgen beeinflussten Landschaft Schleswig-Holsteins stark rückläufig sind.
Insofern sind Kiesabbauvorhaben in der Bilanz nicht nur als Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes zu werten, sondern auch als Chance für den Schutz von Arten und Lebensgemeinschaften und damit für den Erhalt der Biodiversität zu sehen. Voraussetzung dafür ist erstens, dass sich die Standortfindung auf Gebiete von geringer bis höchstens mittlerer landschaftsökologischer Bedeutung fixiert (Eingriffsminimierung). Zweitens muss die Folge-`Nutzung´ dezidiert unter ökologischen Aspekten vorgesehen sein und diese drittens, so weit wie technisch und organisatorisch machbar, bereits während des Abbaus berücksichtigt werden (Ausgleichsoptimierung).
Die folgenden Empfehlungen beziehen sich v.a. auf die Entwicklung aufgelassener Kiesabbaustätten zugunsten des Naturschutzes in Form von Ausgleichsmaßnahmen. Zudem wird aufgezeigt, welche Nutzungen und gestalterischen Maßnahmen bei renaturierten Kiesgruben unterlassen werden sollten. Die Frage der Standortfindung wird dagegen nur kurz angeschnitten, da hier raumplanerische Konzeptionen des Landes Schleswig-Holstein bereits dezidierte Vorgaben machen.
1. Standortfindung
Zur Standortfrage wird im Grundsatz auf die diesbezüglichen Aussagen des Landschaftsprogramms (1999) und der Regionalpläne für die Planungsräume I - III, die demnächst in aktualisierter Form veröffentlicht werden, hingewiesen. Ergänzend sollten (auch für die „Gebiete mit besonderer Bedeutung für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe“ und die „Vorranggebiete für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe“) folgende Punkte berücksichtigt werden:
1.1 Natura 2000-Gebiete
Sofern es bei den in der Regional- und Landschaftsplanung ausgewiesenen Kiesabbaubereichen („Gebiete mit besonderer Bedeutung und Vorranggebiete für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe“) zu Überschneidungen mit (zeitlich später festgelegten) FFH- oder EU-Vogelschutzgebieten gekommen sein sollte, darf eine Kiesgewinnung nur dann erfolgen, wenn sie sich konfliktfrei mit den Schutzzielen der betroffenen Natura 2000-Gebiete vereinbaren lässt.
1.2 Naturnahe Landschaftselemente
Die konkrete Flächeninanspruchnahme sollte sich grundsätzlich auf Flächen ohne gesetzlich geschützte Biotope in naturnaher Ausprägung beschränken. Knicks und Kleingewässer als die am häufigsten betroffenen Landschaftselemente sollten nur bei niedriger ökologischer Qualität zugunsten des Kiesabbaus beseitigt werden. Ebenfalls auszunehmen sind ökologisch wertvolle Feldgehölze und artenreiches (mesophiles) Grünland, letzteres auch dann, wenn es (noch) nicht als gesetzlich geschütztes Biotop gem. § 21 LNatSchG i. V. m. § 30 BNatSchG kartiert worden ist. In Regionen mit unterdurchschnittlichen Grünlandanteilen sollte der Kiesabbau möglichst weitgehend auf die Beanspruchung von Dauergrünlandflächen auch intensiverer Bewirtschaftung verzichten.
1.3 Gewässer
Beim Kiesabbau im Einzugsgebiet von Oberflächengewässern sind Beeinträchtigungen von deren Wasserhaushalt durch Anschnitt der Grundwasserleiter unbedingt zu vermeiden.
1.4 Verkehrsanbindung
Die Abbaugebiete sollten nach Möglichkeit in dichter Nähe zu Bundes- bzw. gut ausgebauten Landesstraßen liegen, um durch Kiestransporte verursachte Beeinträchtigungen von Mensch und Natur gering zu halten.
2. Ausgleich: Folge-`Nutzung´ Naturschutz
2.1. Allgemeine Grundsätze
Das große ökologische Potenzial (ehemaliger) Kiesabbaustätten wird hauptsächlich von Nährstoffarmut und Trockenheit des Substrats, Strukturvielfalt der Bodengestalt sowie Besonnung, Wärme und Windschatten in größeren Teilbereichen geprägt. Biotope mit diesen Charakteristika sind in der Natur extrem selten geworden und (meistens kleinflächig und nur mit wenigen dieser Faktoren ausgestattet) auf Teilbereiche aktiver Kliffs und verbliebene Reste von Binnendünen beschränkt. Damit dienen Kiesgruben als Sekundärbiotope für viele an diese Habitateigenschaften angepasste, oft gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Hervorzuheben sind v.a. Pflanzen warmer Trockenfluren sowie eine Vielzahl von Insektenarten (u.a. Bienen und Wespen). Ausgleichsmaßnahmen müssen infolgedessen unter dem Aspekt, in Kiesgruben Lebensräume für die gefährdeten Artengemeinschaften von Trocken- und Magerbiotopen zu entwickeln, vorgesehen werden. Von außerordentlicher ökologischer Wert Bedeutung sind außerdem Wasserflächen am Grund der Gruben, die als oft einzige nährstoffarme Kleingewässer auf diese Verhältnisse spezialisierte Arten aufweisen.
Die „Wiedernutzbarmachung“ oder „Rekultivierung“, wie sie in § 1 Abs. 5 BNatSchG grundsätzlich (wenn auch als letzte der dort angeführten Möglichkeiten) angeführt sind, stellen dagegen keine Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. Naturschutzes dar. Zudem ist zu bezweifeln, ob dadurch der Eingriff in seiner Relevanz – mit Ausnahme der Landschaftsbildbeeinträchtigung – tatsächlich i.S.d. Intentionen des Bundesnaturschutzgesetzes ausgeglichen werden kann. Infolgedessen sollte unbedingt auf eine Verfüllung ausgeschöpfter Kiesgruben verzichtet werden.
Mit „Renaturierung“ und „Förderung natürlicher Sukzession“, wie sie an vorderster Stelle der in § 1 Abs. 5 BNatSchG genannten Ausgleichskategorien stehen, lassen sich Sand- und Kiesgruben dagegen zu wertvollen Biotopen entwickeln. Dabei sollten sich lenkende Eingriffe im Sinne einer Renaturierung auf eine zurückhaltende Gestaltung von Substrat- und Gewässerflächen beschränken. Sehr kleinteilige Gestaltungsmaßnahmen (Anlage kleinflächiger Habitatstrukturen) sind bei längerfristiger Betrachtung häufig ineffizient, weil sie von den natürlichen Entwicklungsabläufen (Abrutschungen, Überwachsen) ohnehin i.d.R. überformt werden. Substrataufbereitung durch Auftrag humusreichen Bodens, Einsaaten und Anpflanzungen sollten strikt unterbleiben.
Von besonderer Bedeutung sind Abrutschungen und Abbrüche aus den Hängen. Diese führen zu für etliche Arten wichtigen offenen Böden und bieten Pioniergesellschaften erneut Entwicklungsmöglichkeiten, indem sie Vegetationsdecken aufreißen oder beseitigen und damit die Sukzession wieder in ihren Ausgangszustand zurückführen. Deshalb sollten derartige Prozesse nicht durch Abflachungen, Einsaaten oder Bepflanzungen unterbunden werden.
Empfohlen wird, zwar erhebliche Teile einer Kiesabbaustätte der natürlichen Selbstentwicklung (Sukzession) zu überlassen. Für andere, v.a. stark besonnte Bereiche wird jedoch angeregt, in Abständen stellenweise (mit einem Bagger) wieder Ausgangszustände mit offenem Sandboden, Steilhangelementen und vegetationsfreien Gewässerufern zu schaffen. Für größere, bereits weitgehend bewachsene Gruben kann auch eine Beweidung mit Robustrindern in Frage kommen, um die Vegetation durch Verbiss kurz zu halten und durch Vertritt und Scharren stellenweise aufzureißen. Beweidete Gruben müssen allerdings eingezäunt werden und eine Tränkemöglichkeit aufweisen. Insbesondere an stark sonnenexponierten Hängen sollte der sich im Laufe der Sukzession einstellende Gehölzbewuchs nicht zu dicht werden und die licht-, wärme- und trockenheitsbedürftigen Arten durch schattiges, kühles und feuchtes Mikroklima, verbunden mit der Bildung einer nährstoffreicheren Humusschicht, verdrängen. Zur Verhinderung großflächiger Beschattung empfiehlt sich deshalb ein regelmäßiges Herunternehmen der (meisten) Gehölze.
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Uferschwalben gehören zu den regelmäßigen Bewohnern von Kiesgruben. - Foto: Jürgen Podgorski/www.naturgucker.de
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Das Stehen-Lassen von Steilwänden in einer Kiesgrube bietet für Uferschwalben hervorragende Nistmöglichkeiten. - Foto: NABU Archiv
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Uferschwalben nutzen zur Nestanlage vor allem die lockereren, weicheren Sand-Schichtenbänder - Foto: Angelika Kühn
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Flussregenpfeifer bewohnen selbst dann schon Kiesgruben, wenn diese noch genutzt werden. - Foto: Frank Derer
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Das Gelege des Flussregenpfeifers wird auf dem nackten Boden platziert, ohne jegliche Auskleidung. - Foto: Ingo Ludwichowski
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Noch offene Flächen sind ihr bevorzugter Lebensraum - Foto: NABU / Thomas Behrends
Die ökologische In-Wert-Setzung der Abbauflächen sollte so schnell wie möglich erfolgen und dafür auf Basis eines abschnittsweisen Abbaus beginnen. Dadurch können Teilflächen der zur Kiesgewinnung insgesamt vorgesehenen Fläche nach und nach der Natur überlassen werden, so dass sich infolge der Zeitabstände verschiedene Sukzessionsstufen und Strukturelemente nebeneinander ausbilden können. Insbesondere bei größerflächigen und damit flexibler zu handhabenden Abbaugebieten sollte in bereits stillgelegten Teilen die Kiesgewinnung dann wieder aufgenommen werden können, wenn sich dort eine Unterbrechung der Sukzession als ökologisch vorteilhaft erweist. Ein solches Vorgehen wäre mit dem Naturschutz konzeptionell abzustimmen.
2.2. Wichtige Strukturelemente bei Ausgleichsmaßnahmen
2.2.1. Trockenlebensräume
2.2.1.1 Senkrechte Steilwände
An der Böschungsoberseite befindliche senkrechte Steilwände (90°) bilden wichtige Brutplätze für Uferschwalben, die ihre Niströhren ansonsten nur noch in aktiven Steilufern der Ostseeküste anlegen können. Einige der entstandenen Steilhangpartien sollten bereits während der Abbauphase als Nistplatzangebot länger erhalten bleiben. Da Steilhänge von Kiesgruben bei weichem Substrat infolge Erosion relativ bald abflachen, sollten auch gegen Ende der Kiesgewinnung noch weitere höhere Steilwände geschaffen werden, um auch für die folgenden Jahre Nistmöglichkeiten zu bieten.
Kleinere, senkrechte Abbrüche in den tiefer gelegenen (und damit windgeschützten) Bereichen der Grube sind für mehrere Insektenarten (Bienen, Wespen) von Bedeutung, die dort ihre Wohnröhren graben. Wichtig ist, dass diese Hänge möglichst lange von der Sonne erreicht werden (Südexposition).
Sind zur Freilegung der Kiesschichten größere Mengen bindigen Bodens angefallen und als Halde abgelagert worden, empfiehlt es sich, auch hier eine Steilwand abzustechen. (Wände aus lehmigem Boden widerstehen länger der Erosion.)
2.2.1.2 Hangflächen unterschiedlicher Neigung
Wohnröhren grabende Tierarten sind dabei häufig auf bestimmte Hangneigungen spezialisiert, weshalb die Hänge verschiedene Neigungen aufweisen sollten. Zu berücksichtigen ist, dass die Böschungen im Laufe der Zeit durch Rutschungen abflachen. Von den meisten Arten werden sonnenexponierte Lagen sowie feinkörniges Substrat mit Lehmanteilen (höhere Bindigkeit) bevorzugt.
2.2.1.3 Überhängende Vegetationskanten
Durch Wurzeln zusammengehaltene Vegetationsdecken an den Hangoberkanten, welche die Steilhänge überkragen, bilden Regen- und Erosionsschutz für den obersten Steilwandbereich und dort von Grabwespen und Wildbienen angelegte Brutröhren.
2.2.1.4 Geröllhalden, Sandhaufen und –flächen
Einige Insektenarten benötigen bzw. bevorzugen ebene oder nur gering geneigte, offene Sandböden (z.B. Sandlaufkäfer) in sonniger Lage. Der Steinschmätzer, ein in Schleswig-Holstein hauptsächlich in vegetationsarmen Kiesabbaustätten vorkommender Vogel, nistet in Höhlungen von z.B. Steinhaufen. Auch der Flussregenpfeifer ist auf Bereiche mit geringer und niedriger Vegetation angewiesen, wobei als Brutplatz Flächen mit grobem Kies oder Geröll angenommen werden. Für die Jungenaufzucht ist das Vorhandensein im Uferbereich flacher Gewässer mit geringem Aufwuchs notwendig.
2.2.2. Gewässer
2.2.2.1 Flachgewässer
Soweit nicht bereits während der Auskiesung entstanden, sollten am Grund der Grube auf geeigneten Böden (z.B. auf Lehmschichten, stark verdichteten oder vom Grundwasser erreichten Bereichen) flache, d.h. nur wenige Dezimeter tiefe Mulden ausgeschoben werden. Von besonderer Bedeutung sind Gewässer mit Tümpelcharakter, die in ihrem Wasserstand stark schwanken und im Sommer niederschlagsarmer Jahre austrocknen können, als Laichhabitate für beispielsweise Kreuzkröte, Wechselkröte und Laubfrosch. Zudem sollten auch flache, aber nicht regelmäßige trocken fallende Gewässer entstehen, in denen sich Tiere mit längeren wassergebundenen Stadien ansiedeln können (z.B. Großlibellen).
Alle Gewässer sollten möglichst lange offen und besonnt bleiben. Der Uferbewuchs mit Weidengebüsch sollte deshalb eingeschränkt werden. Zumindest bei den Tümpeln empfiehlt es sich, zumindest einige in Abständen durch weitgehende Vegetationsbeseitigung wieder in den `Rohzustand´ (`Pionierstadium´) zurückzuführen, um so günstige Bedingungen für Erst- und Frühbesiedler (z.B. Armleuchteralgen, einige Libellen- und Amphibienarten) herzustellen und mit der Entnahme von Pflanzenmasse und organischem Sediment für anhaltende Nährstoffarmut zu sorgen.
Um jeweils spezifische Ausprägungen auch in den Wasserständen zu erhalten, sollten die Gewässer nicht miteinander verbunden werden. Mehrere kleine tümpelartige Flachgewässer von jeweils etwa 100 qm weisen i.d.R. eine größere Artenvielfalt als ein großes auf. Nur bei großen Wasserflächen sollten im Relief Buchten (lange Uferlinie) und Inseln geformt werden; bei kleineren Wasserflächen fördern solche Strukturen das (unerwünschte) Zuwachsen.
2.2.2.2 Größere, tiefere Gewässer
Vorwiegend durch Nassabbau entstandene, teilweise tiefe Gewässer (`Baggerseen´) sollten im Uferbereich abgeflacht werden, ansonsten aber ihrer natürlichen Selbstentwicklung überlassen bleiben. Zum Erhalt der Nährstoffarmut sollten keinerlei Zuläufe oder Drainagesammler an das Gewässer angeschlossen werden.
2.3. Auszuschließende Beeinträchtigungen
2.3.1 Verfüllung
Aus Naturschutzsicht unbedingt abzulehnen ist eine Verfüllung mit andernorts angefallenem (z.B. durch Auskofferung beim Bau von Straßen und Gebäuden) Boden. Das sollte auch für Fälle gelten, bei denen auf eine nachfolgende Nutzung zugunsten einer Sukzessionsbrache verzichtet werden soll. Da das eingebrachte Erdreich fast immer erheblich nährstoffreicher als die kiesig-sandigen Substrate einer ausgebeuteten Kiesabgrabung ist, entwickelt sich die Vegetation darauf deutlich schneller und mit ausgeprägten Dominanzen hochwüchsigerer 'Allerweltsarten'. Diese verdrängen die auf nährstoffreicheren Böden konkurrenzschwache Sandbodenflora bzw. lassen sie gar nicht erst aufkommen. als auf den meistens extrem mageren Kies- und Sandflächen. Überdies führt eine dichte, hochwüchsige Pflanzendecke zu einem feucht-schattigen Mikroklima, das den Habitatansprüchen wärmeliebender Insektenarten, Zauneidechse etc. entgegensteht.
In Fällen, in denen über einen bereits erfolgten Planfeststellungsbeschluss ein Rechtsanspruch auf Verfüllung vorliegt, sollte der Betreiber des Kieswerks unbedingt dazu bewogen werden, auf die verfüllten Flächen eine mindestens einen Meter dicke Schicht aus Sand oder Kies aufzubringen. Zu beachten ist zudem, dass sich in Kiesgruben auf aufgelassenen Teilflächen bereits nach den Anhängen der FFH-Richtlinie bzw. der EU-Vogelschutzrichtlinie geschützte Arten angesiedelt haben können (z.B. Kreuzkröte, Zauneidechse, Uferschwalbe), deren Populationen nicht gefährdet werden dürfen, was bei einer Verfüllung jedoch der Fall sein würde.
2.3.2. Teilflächiges Einbringen nährstoffreichen Bodens
Auch Teilflächen am Grund oder an den Hängen der Gruben sollten nicht mit humosem Boden bedeckt werden. Dieser fördert eine hochwüchsige Vegetation aus `Allerweltsarten´, die die auf nährstoffreicheren Böden konkurrenzschwache Sandbodenflora verdrängt. Überdies führt sie zu einem feucht-schattigen Mikroklima, das den Habitatansprüchen wärmeliebender Insektenarten, Zauneidechse etc. entgegensteht.
Ist beim Kiesabbau nährstoffreicherer Boden angefallen, der nicht außerhalb der Abbaustätte zu verwenden war und deswegen in der Grube gelagert werden muss, sollte dieser auf eine Stelle konzentriert werden. Aus Sicht des Naturschutzes noch günstiger ist dessen Ablagerung außerhalb der Abbaustätte z.B. als ringförmiger Wall. Der Erdwall kann als Abgrenzung zu angrenzenden ackerbaulich genutzten Flächen knickähnlich bepflanzt werden, um so Nährstoffeinträge von den benachbarten Flächen in die Kiesgrube zu verringern. Allerdings darf sich daraus keine stärkere Beschattung bei niedrigem Sonnenstand ergeben, so dass bepflanzte Wälle im entsprechenden Abstand zum Grubenrand bzw. an der Nordseite angelegt werden sollten.
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Kiesgrube mit feuchten, zeitweise überstautem Boden und beginnender Sukzession mit Rohrkolben - Foto: NABU Archiv
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Kiesgrube mit nährstoffarmem Gewässer und Röhricht - Foto: NABU Archiv
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Kiesgrube in Sukzession: Weiden breiten sich aus - Foto: NABU Archiv
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Ein völlig fehlgeleiteter Versuch einer 'Renaturierung': Was haben Apfelbäume auf einer ehemaligen Auskiesungsfläche zu suchen, zumal sie auf dem extrem mageren und trockenen Sandboden ohnehin nicht gedeihen können? - Foto: NABU / Fritz Heydemann
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Kiesgrubengewässer sind im Gegensatz zu sonstigen Weihern und Teichen meistens nährstoffarm und damit besondere Ökosysteme. Nach der Auskiesung sollten sie mitsamt ihres Umfelds unbedingt der eigenständigen Entwicklung überlassen bleiben. - Foto: NABU / Fritz Heydemann
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Ehemalige, renaturierte Kiesgrube. Das Gelände ist in weiten Teilen eingeebnet, wodurch für den Naturschutz wertvolle Strukturen verloren gegangen sind. - Foto: NABU / Fritz Heydemann
2. Anpflanzungen, Aufforstung, Einsaat
Mit dem Einbringen von Gehölzen bis hin zur Aufforstung ganzer ehemaliger Kiesabbaustätten werden den auf magere und besonnte Böden angewiesenen Pflanzen- und Tierarten die Lebensräume entzogen. Von diesen sind ungleich mehr gefährdet als von waldbewohnenden Arten. Deshalb ist eine Aufforstung von Kiesgruben ökologisch kontraproduktiv. Zudem sind die sandigen, trockenen Böden aus forstlicher Sicht ungeeignet.
An die Standortbedingungen angepasste Gehölzarten siedeln sich im Verlauf der Sukzession von selbst an. Angesichts dessen stellt sich dem Naturschutz eher die Aufgabe, den aufgewachsenen Gehölzbestand zugunsten lichtbedürftiger Arten stellenweise zurückzudrängen, als ihn durch Pflanzung zu forcieren. Ebenso sollten Einsaaten von Gräsern und krautigen Pflanzen zugunsten der Selbstentwicklung einer Magerbodenflora strikt unterbleiben. Dementsprechend sollen Kiesgruben auch nicht als Wildäcker, z.B. durch die Einsaat von (stickstoffbindenden) Staudenlupinen genutzt werden.
3. Photovoltaik, gewerbliche Nachnutzungen
Die Aufstellung flächiger Photovoltaikanlagen führt zur weitgehenden Verschattung und damit zur Entwertung der betroffenen Bereiche als Lebensraum für stark lichtbedürftige Arten. Gewerbliche Nachnutzungen wie z.B. als Baustofflager oder Bauschuttaufbereitungsanlagen beschränken sich i.d.R. zwar auf die Sohle der Kiesgrube, entwerten diese jedoch ökologisch und sind deshalb auszuschließen.
4. Fischbesatz, Angeln
Fast alle Fischarten fressen Amphibienlaich und –larven sowie Larven von Wasserinsekten. Im Boden wühlende Arten (Karpfen, Schleie) trüben den Wasserkörper, indem sie am Grund liegende Feinsedimentpartikel mitsamt dem daran gebundenen Phosphor aufwirbeln. Weißfische und Jungfische anderer Arten ernähren sich von Wasserflöhen und anderem das Wasser filtrierenden Zooplankton, so dass sich pflanzliches Plankton stark vermehren kann, was ebenfalls zur Wassertrübung führt. Deshalb ist unbedingt auf jeglichen Besatz der Kiesgrubengewässer mit Fischen zu verzichten.
Naheliegend ist deshalb auch ein Verbot der in der Regel mit Fischbesatz verbundenen Angelnutzung der Gewässer. Zudem halten sich Angler lange Zeit in sensiblen Bereichen (Uferzone) auf und stören dadurch Brut und Nahrungssuche von Wasser- und Röhrichtvögeln. – Um eigenmächtige Angelnutzungen vorzubeugen, sollte der örtliche Angelverein mit der Bitte, seine Mitglieder über die besonderen Verhältnisse an den Kiesgrubengewässern zu informieren, angesprochen werden.
5. Motocross
Zuweilen ist eine Motocross-Nutzung von Kiesgruben auch seitens des Naturschutzes eher positiv bewertet worden. Diese Einschätzung beruhte auf dem Aspekt, dass beim Crossfahren die Vegetation auf den Sandflächen stellenweise aufgerissen und dadurch wieder Habitate für Besiedler offener Böden geschaffen werden. Ob sich die durch die Crossmaschinen freigelegten Sandflächen jedoch tatsächlich als `neue Lebensräume´ eignen, muss bezweifelt werden. Denn i.d.R. werden die gleichen Bahnen befahren, wobei die zeitlichen Abstände zu kurz für eine erfolgreiche Besiedlung durch Grabwespen u.a. offene Böden benötigende Arten sind. Da Motocross zudem zu starker, weitreichender Lärmentwicklung führt, sollten keine weiteren Kiesabbaustätten für Crossfahrer geöffnet werden.
6. Andere Freizeitnutzungen
Nicht zugelassen werden sollten organisierte Freizeitnutzungen, mit denen zum einen oftmals `gestalterische´ und `pflegerische´ Eingriffe (Unterstände, Lagerplätze, Anpflanzungen etc.) sowie eine zeitweilig zu intensive, raumgreifende Frequentierung einhergehen, die den Naturschutzbelangen abträglich sind. Zum anderen können sich aus einem bewussten Zur-Verfügung-Stellen einer Kiesgrube Haftungsverpflichtungen ergeben, die zur Folge haben, dass besondere Gefahrenpunkte wie erodierende Steilhänge und überhängende Kanten entschärft werden müssen, obgleich sie für den Naturschutz von hohem Wert sind.
Das gelegentliche Betreten aufgelassener Kiesgruben lässt sich faktisch nicht verhindern. Aus Sicht des Naturschutzes besteht dazu auch kein Grund. Unter Umständen muss der Eigentümer aus Gründen der Haftungsvermeidung unter Hinweis auf die Gefahrenlage ein Betretungsverbot ausschildern; dabei sollte es jedoch auch bleiben. Eine Abzäunung wäre i.d.R. dem Landschaftsbild abträglich, würde größeren Wildtieren die Grube als Lebensraum entziehen und ohnehin durchbrochen werden. Es spricht nichts dagegen, durch größere Gruben einen Wanderweg zu führen, der das Betreten kanalisiert. Viele Kiesabbaustätten sind über ihre Zufahrt ohnehin an ein Wegenetz angebunden.
Die Jagd sollte in aufgelassenen Abbaugebieten nur sehr zurückhaltend ausgeübt werden. Der Wildverbiss an der Vegetation ist hier positiv zu sehen, weil er dazu beitragen kann, das Gehölzaufkommen zu verringern und damit die Pflanzendecke licht zu halten. Zudem kann damit der Verbissdruck auf Wälder und Knicks abgeschwächt werden. Auch im Boden wühlende Arten (Wildschwein, Kaninchen, Fuchs, Dachs) erfüllen diesbezüglich wichtige Funktionen, indem sie offene Sandflächen als Standorte für Pioniergesellschaften schaffen. Aus diesen Gründen ist es ökologisch vorteilhaft, Kiesabbaugebiete jagdlich gewissermaßen als `Wildruhezonen´ zu betrachten. Auf keinen Fall sollten jedoch Fütterungen und Kirrungen angelegt und betrieben werden, weil diese zur Eutrophierung führen.
FHey, 25. Januar 2020