NATURA 2000
Der lange Weg zum Netz europäischer Schutzgebiete
Was steckt eigentlich hinter dem NATURA 2000-Programm? Wie sieht das Ganze in Schleswig-Holstein aus? Der NABU informiert und bietet einen kleinen Überblick. Mehr →
Managementpläne für Natura 2000-Flächen sollen dazu dienen, den Schutz der EU-rechtlich besonders geschützten Gebiete sicherzustellen. In Schleswig-Holstein werden manche Inhalte dieser Pläne u.a. durch "lokale Bündnisse" (früher: "lokale Aktionen") erstellt - mit teilweise unbefriedigenden Ergebnissen. Der NABU wirft auf der Basis von Befragungen und eigenen Erfahrungen mit der Managementplanung in Schleswig-Holstein ein Licht auf die bisherige Praxis.
Die folgenden Anforderungen beruhen auf einer Abfrage bei verschiedenen an Managementplanungsprozessen in unterschiedlicher Aufgabe beteiligten Personen, eigenen Erfahrungen sowie einem Abgleich mit dem Informationsblatt der Steuerungsgruppe „Umsetzung Natura 2000“. Die mit rechtlichen Bezügen formulierten Anforderungen halten sich an den Rechtsrahmen der FFH- und EU-Vogelschutzrichtlinie und sollten deswegen eigentlich Selbstverständlichkeiten wiedergeben – die Praxis sieht leider häufig anders aus:
Das Erfordernis, Maßnahmen zur Gewährleistung nicht nur des Verschlechterungsverbots, sondern auch des günstigen Erhaltungszustands darzustellen, ist konsequent zu erfüllen. Beeinflussbaren Entwicklungen, die absehbar zu einer Gebietsverschlechterung führen werden, ist dabei ohne Wenn und Aber entgegen zu wirken. Darüber hinaus sind, wenn naturschutzfachlich sinnvoll, für die weitere Gebietsentwicklung wünschenswerte (fakultative) Maßnahmen aufzuzeigen. Diese sollten mit einem Vermerk versehen werden, dass für ihre Umsetzung das Einvernehmen mit dem Flächeneigentümer und ggf. -bewirtschafter notwendig ist.
Die Maßnahmen sind ohne vorauseilende Opportunität gegenüber Grundeigentümern und anderen Nutzern zu erarbeiten. Den Maßstab müssen die naturschutzrechtlichen Hintergründe und die sich daraus ergebenden naturschutzfachlichen Aspekte bilden, nicht die Frage nach einem Konsens mit den Nutzern. `Heiße Eisen´, wie z.B. massive jagdbedingte Störungen in EU-Vogelschutzgebieten mit der Zielrichtung 'Wasservogelschutz' oder die Stellnetzfischerei in diesbezüglich sensiblen Gewässern (> Schweinswal), dürfen nicht ausgeklammert werden.
Auch fakultative Maßnahmenvorschläge dürfen nicht aufgrund der Befürchtung von Konflikten unterbleiben. Allerdings sollte auf die Planung von fakultativen Maßnahmen, die über die Intentionen der Natura 2000-Richtlinien hinausgehen oder deren Umsetzungsmöglichkeit nicht nur aus Opportunitätsgründen irreal ist, ebenso verzichtet werden wie auf Maßnahmen, die nur `kosmetisches´ Potential haben.
Getroffene Vorentscheidungen (z.B. Freiwillige Vereinbarungen mit dem Landessportverband und dem Landessportfischerverband) dürfen keine Relevanz bei der Planerarbeitung erhalten, wenn sie nicht vollständig mit den Natura 2000-Ansprüchen übereinstimmen und somit integrierbar sind. Gleiches muss für generalisierende Maßnahmenkonzepte (z.B. gemäß „Arten- und Lebensraumschutz in Natura 2000-Landeswäldern“) für die Fälle gelten, bei denen mit ihnen die tatsächlich vorliegenden gebietsspezifischen Erfordernisse nicht mit genügender Nachhaltigkeit abgedeckt werden können.
Die Grundlagendarstellung muss aussagekräftig und gebietsbezogen sein. Zum Gebiet vorliegendes Datenmaterial (z.B. zum Vorkommen bestimmter Arten) sollte angeführt werden, wenn es das Gebiet kennzeichnet und qualitativ einwandfrei ist. Auf allgemeine Füllsel ist aber zu verzichten. Zentraler Bezugspunkt sollte der Erhaltungszustand mit seinen (eventuellen) Beeinträchtigungen und Entwicklungsmöglichkeiten sein. Diesbezügliche Einstufungen des Standarddatenbogens sind zu beachten. Vorhandene und mögliche Problemfelder sind präzise aufzuzeigen. Dafür sind gute Ortskenntnisse v.a. der federführenden Personen unerlässlich.
Den zentralen Stellenwert im Managementplan sollte der Maßnahmenteil erhalten. Er muss klar in Erhaltungsmaßnahmen, Wiederherstellungsmaßnahmen und weitergehende Entwicklungsmaßnahmen gegliedert und übersichtlich sein. Er soll damit als praxisorientierte `Gebrauchsanleitung Naturschutz´ von allen Betroffenen angewendet werden können. Die Form der Darstellung ist deshalb auch 'durch die Brille' derjenigen, die mit dem Plan arbeiten müssen, zu sehen. Präzise Kartenangaben sind dafür hilfreich.
Wo es im Hinblick auf die Gebietsausstattung sinnvoll erscheint, ist die Zusammenarbeit mit den für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie verantwortlichen Institutionen und Gremien zu suchen.
In den Beteiligungsverfahren sollte dezidiert darauf hingewiesen werden, dass die fachlich-rechtlichen Erfordernisse strikt zu beachten sind. Bei destruktiver Verweigerungshaltung sollte der 'Runde Tisch' aufgelöst und durch ein formales Anhörungsverfahren ersetzt werden.
Alle Beteiligten sollten sich bewusst machen, dass die Bewahrung von Arten und Lebensräumen in einem günstigen Erhaltungszustand, wie es die Intention der FFH- und EU-VS-Richtlinie ist, auf breiter gesellschaftlicher Ebene gefordert wird und einen unbestrittenen Allgemeinwohlbelang bildet. Daran konstruktiv mitzuarbeiten, zumindest aber die Zielsetzung zu achten, sollten alle Beteiligten als Verpflichtung betrachten.
Das sollte das Credo eines jeden Runden Tisches sein. Dem darf sich auch nicht die Politik entziehen. Das auch von der derzeitigen Landesregierung gezeichnete Bild einer ungeliebten, wirtschaftsfeindlichen, von der EU übergestülpten Rechtskonstruktion, die man nur zwangsweise und so sparsam wie möglich zu erfüllen gedenkt, wirkt kontraproduktiv und muss schleunigst zugunsten eines Bekenntnisses, Natura 2000 als Chance zu einem umfassenden Schutz der 'Natur vor unserer Haustür' revidiert werden.
Das MELUR, ggf. vertreten durch das LLUR, muss als Fachaufsicht die Erarbeitungsprozesse intensiv begleiten. Sind mit der Federführung betraute Planungsträger wie Lokale Aktionen mit der Aufgabe überfordert, stagnieren externe Planungsgruppen aufgrund unüberbrückbarer Differenzen etc., hat das MELUR das Verfahren an sich zu ziehen bzw. dem LLUR zu übertragen.
Alle Managementpläne sind uneingeschränkt öffentlich zu machen, d.h. sie sollen bei der jeweils zuständigen UNB sowie beim LLUR einsehbar sein.
Positionen und Anmerkungen im Abgleich mit dem Informationsblatt „Gebietsmanagement, Managementpläne und Beteiligungsverfahren in Schleswig-Holstein“ (Steuerungsgruppe `Umsetzung Natura 2000´)
Dieses von MLUR und LLUR erarbeitete Papier enthält grundsätzlich viele wichtige Punkte zu Bedeutung und Erarbeitung der Managementpläne. Es zeigt aber auch den Spagat zwischen naturschutzrechtlichen Erfordernissen und politischer Opportunität und, im Abgleich mit der Praxis, zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. So lohnt sich die nähere Betrachtung beispielhaft ausgewählter Passagen.
Dieses von MLUR und LLUR erarbeitete Papier enthält grundsätzlich viele wichtige Punkte zu Bedeutung und Erarbeitung der Managementpläne. Es zeigt aber auch den Spagat zwischen naturschutzrechtlichen Erfordernissen und politischer Opportunität und, im Abgleich mit der Praxis, zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. So lohnt sich die nähere Betrachtung beispielhaft ausgewählter Passagen.
Das erforderliche Management der Gebiete dient dazu, den günstigen Zustand der in den Gebieten vorkommenden und schützenswerten Lebensraumtypen und Arten zu erhalten oder wiederherzustellen.“ (siehe Seite 1 des MLUR/LLUR-Papiers) “Der zentrale Teil des Planes beschreibt die Maßnahmen ... gegliedert nach
a) den für die Umsetzung des gesetzlichen Verschlechterungsverbots erforderlichen Erhaltungs- und ggf. Widerherstellungsmaßnahmen und
b) den darüber hinausgehenden, freiwillig zu vereinbarenden und extra zu honorierenden Maßnahmen zu einer wünschenswerten Entwicklung des Gebietes“. (s. S. 2 u. 3 o.) “Managementpläne konkretisieren das bestehende Verschlechterungsverbot und zeigen die Grenzen der Gebietsnutzung auf.“ (S. 3 o.)
Hier wird unmissverständlich die durch die Natura 2000-Richtlinien (bzw. deren Umsetzung in nationales Recht) gegebene Rechtslage zum Ausdruck gebracht: Maßstab ist der „günstige Zustand“, der erhalten bleiben („Verschlechterungsverbot“) bzw. wiederhergestellt werden muss. Im 2. Satz wird sogar auf den Gesetzesrang des Verschlechterungsverbots hingewiesen. Zudem benennt er die notwendige Differenzierung der Maßnahmenkategorien.
Von Bedeutung ist auch, dass der Maßnahmenteil hiernach als „zentraler Teil“ des Managementplanes vorgesehen ist (was allerdings in der bisherigen Praxis die Ausnahme bildet, häufig ist der Maßnahmenteil verschwindend klein). Im 3. Satz wird deutlich auf die „Grenzen der Gebietsnutzung“ im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot verwiesen.
In den Managementplänen „sollen im Wesentlichen die erforderlichen Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen sowie wünschenswerten Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Gebietes soweit wie möglich im Einvernehmen mit den Eigentümern und Bewirtschaftern konkretisiert und festgelegt werden.“ (S. 2)
Diese Formulierung konzentriert einerseits nochmals die wichtigsten Zielsetzungen der Natura 2000-Richtlinien, indem sie die konkrete Festlegung von Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen, aber auch weiteren Entwicklungsmaßnahmen („wünschenswerte Maßnahmen“) verlangt. Dieser Anspruch schlägt sich leider nicht in jeder Planerarbeitung nieder.
Andererseits soll mit den Eigentümern und Bewirtschaftern über die Maßnahmen „so weit wie möglich“ „Einvernehmen“ erzielt werden. Dieser Auftrag zur Herstellung des Einvernehmens ist zwar grundsätzlich richtig. In Bezug auf die erforderlichen Maßnahmen muss die Betonung aber auf der Einschränkung „so weit wie möglich“ liegen. Ein (rechtliches!) Erfordernis darf sich nicht durch fehlendes Einvernehmen letztendlich blockieren lassen. Diesbezüglich kann die Formulierung missverständlich wirken, wenn die Einschränkung `überlesen´ wird. Dagegen ist für die „wünschenswerten Maßnahmen“, die eine Entwicklung über den günstigen Erhaltungszustand hinaus bewirken sollen, das Freiwilligkeitsprinzip herauszustellen, wie es hier auch angeführt ist.
In der Praxis der Managementplanung muss auf diese Differenzierung deutlich hingewiesen werden. Zudem sollte auf die Auflistung „wünschenswerter Maßnahmen“ nicht von vornherein deswegen verzichtet werden, weil Beteiligte dagegen votieren. Ein Managementplan muss Zukunftsoptionen enthalten, auch wenn sich diese wegen fehlender Zustimmung der Eigentümer/Bewirtschafter nicht in absehbarer Zeit umsetzen lassen. Die `Wunschliste´ muss allerdings an den Gebietsspezifika ausgerichtet sein.
Zu beachten ist weiterhin, dass sich der Hinweis auf das Einvernehmen auf „Eigentümer und Bewirtschafter“ bezieht, nicht aber auf andere Nutzergruppen wie Wassersportler, Jäger oder Reiter, die in den Diskussionen nicht selten gleiche Ansprüche geltend machen.
“Managementpläne sollen in Schleswig-Holstein vor allem für die nutzungsintensiven und pflegebedürftigen Natura 2000-Gebiete erstellt werden.“ (S. 2) “In kleineren und weitgehend unkomplizierten Gebieten werden die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen in inhaltlich und gestalterisch gleicher, aber ggf. verkürzter Form als Managementvermerk abgefasst oder in Freiwillige Vereinbarungen, die mit den Eigentümern verhandelt werden, integriert.“ (S. 2)
Dem ist zuzustimmen. Je konfliktträchtiger bzw. pflegebedürftiger ein Gebiet ist, desto sorgfältiger und konkreter muss auch die Managementplanung erfolgen.
“Die Pläne sollen möglichst kurz, knapp formuliert und für alle verständlich sein.“ (S. 2 u.)
Diese formale Anforderung ist für den späteren praxisbezogenen Umgang mit den Plänen wichtig. Ein Managementplan sollte sich gerade für die im Naturschutz oft nicht sachkundigen Eigentümer/Bewirtschafter, aber auch für die mit der Maßnahmenumsetzung betrauten UNBn wie eine `Gebrauchsanleitung Naturschutz´ lesen und anwenden lassen. Deshalb sollten sich Maßnahmenbereiche anhand von Karten exakt lokalisieren lassen. Das muss auch Bereiche betreffen, für die bei der Nutzung besondere Sensibilität geboten ist.
(Beispiel: Standorte besonders gefährdeter Pflanzenarten in einem FFH-Wald sollten auf einer Karte punktgenau und nummeriert eingetragen und in der Legende erklärt werden, um z.B. die Anlage eines Holzlagerplatzes an dieser Stelle auszuschließen. – Es reicht nicht aus, den Revierförster während des Beteiligungsprozesses darauf hinzuweisen, dass er eine umfangreiche floristische Datensammlung in seinem Schrank hat – auch ein Waldarbeiter muss wissen, wo er unkompliziert nachschauen kann, wenn er eine schnelle Entscheidung über eine möglicherweise ökologisch beeinträchtigende Maßnahme zu treffende hat.)
“Für die privaten Flächeneigentümer und –bewirtschafter begründen die Pläne keine unmittelbare rechtliche Verpflichtung, die dargestellten Maßnahmen umzusetzen.“ (S. 3 o.)
Auch wenn die Aussage wörtlich genommen stimmt, lädt sie geradezu zu Fehlinterpretationen ein, indem sie den Eigentümern und –bewirtschaftern suggeriert, sie bräuchten sich nicht an die Vorgaben des Managementplans zu halten. Zwar brauchen sie nicht von sich aus aktive Maßnahmen umzusetzen (z.B. Drainagegräben verschließen oder die Verbuschung eines Magerrasens durch Gehölzbeseitigung verhindern).
Doch haben sie durchaus erforderliche Grenzen der Bewirtschaftungsintensität (s.o.), die sprachlich ebenfalls als Maßnahmen geführt werden, zu beachten. Es ist deshalb aus Gründen der vorbeugenden Konfliktvermeidung falsch, eine solche Formulierung in den Vorspann vieler Managementpläne zu setzen, ohne unmittelbar auf die in der Realität bestehenden Verpflichtungen hinzuweisen.
“Managementpläne werden im Rahmen eines Kooperationsprozesses erstellt, der die betroffenen Flächeneigentümer und Bewirtschafter, die örtlichen Strukturen und Organisationen sowie die maßgeblichen Nutzergruppen aktiv einbindet. ... Die Mitarbeit erfordert von allen Beteiligten eine konstruktive Einstellung, Engagement, Verantwortungsbewusstsein du Kompromissbereitschaft.“ (S. 3)
Das Kooperationsprinzip des Runden Tisches ist grundsätzlich gut, weil sich damit verschiedene Gruppen unkompliziert und frühzeitig einbinden lassen. Es fehlt jedoch der deutliche Hinweis, dass aufgrund der zwingenden rechtlichen Vorgaben nicht alle Aspekte verhandelbar sind und dass damit der suggerierten `Demokratie´ der Runden Tische Grenzen gesetzt sind. Die „erforderlichen“ Maßnahmen können jedoch (unter der Voraussetzung ihrer fachlich korrekten Erarbeitung) nicht in Frage gestellt werden. So sind auch der geforderten „Kompromissbereitschaft“ seitens der für den Plan Verantwortlichen Grenzen gesetzt.
“Durch die aktive Einbindung der betroffenen Flächeneigentümer und Bewirtschafter, der regionalen Interessen- und maßgeblichen Nutzergruppen sollen unter Zugrundelegung des Prinzips der Runden Tische sachgerechte und praxisnahe Managementpläne ermöglicht werden, die naturschutzfachlichen Anforderungen, wirtschaftlichen Erfordernissen und sozialen Gesichtspunkten gleichermaßen gerecht werden können.“ (S. 4 o.)
Auch dieser Satz übergeht die Grenzen der Abwägung zwischen verschiedenen Belangen und suggeriert Verbandsvertretern und Flächenbesitzern die angebliche Möglichkeit, selbst relevante Natura 2000-Erfordernisse mit dem Hinweis auf soziale bzw. wirtschaftliche Belange in Frage zu stellen.
“Die verantwortliche Stelle (Anm.: LLUR, Lokale Aktion etc.) fertigt unter Berücksichtigung der Diskussionsergebnisse einen umsetzungsfähigen Managementplan aus, der anschließend der Öffentlichkeit öffentlich präsentiert wird.“ (S. 5 o.)
Der explizite Wille zur öffentlichen Darstellung ist zu begrüßen. Fragen wirft allerdings die Bedeutung des Wortes „umsetzungsfähig“ im hier gegebenen Zusammenhang auf: Wenn „wünschenswerte“ Maßnahmen zwar fachlich angebracht, aber wegen Bedenken der Grundeigentümer derzeit nicht umsetzbar sind – soll dann auf ihre Darstellung verzichtet werden? – Die Position des NABU ist, dass ein Veto des Grundeigentümers bei Weiterentwicklungsmaßnahmen zwar die Umsetzung, nicht aber deren Aufnahme in die Managementplanung verhindern können sollte.
“Die Gesamtverantwortung für das Gebietsmanagement liegt beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (MLUR).“ (S. 1 u.)
Ein Satz von zentraler Bedeutung, da er die Pflicht des MLUR wiedergibt, sozusagen fachaufsichtlich alle Managementpläne zu begleiten, um die Erfüllung der naturschutzrechtlichen Erfordernisse zu gewährleisten.
So heterogen die zu bearbeitende Natura 2000-Gebietskulisse hinsichtlich Größe, Lebensraum- und Artenausstattung, Eigentums- und Nutzungsverhältnissen ist, so sehr differieren der Bearbeitungsstand der Managementplanung und die Kultur an den Runden Tischen.
Natura 2000-Gebiete, die sich weit überwiegend im öffentlichen Eigentum befinden (z.B. Stiftung Naturschutz) lassen sich relativ einfach, zum Teil mit qualitativ hochwertigen Ergebnissen (z.B. Grönauer Heide) bearbeiten. Die Zielvorstellungen der am Planungsprozess Beteiligten ähneln sich, das Konfliktpotential ist somit gering.
Anders verhält es sich bei großteils in privater (landwirtschaftlicher) Nutzung befindlichen Gebieten. Aber auch hier sind erhebliche Unterschiede bzgl. Bearbeitungsstil und –effizienz festzustellen.
In Gebieten, in denen die Landwirtschaft aus agrarstrukturellen Gründen seit längerem besonders zu kämpfen und dabei die Fördermöglichkeiten für Naturschutzleistungen zu schätzen gelernt hat, arbeiten die verschiedenen Seiten zwar nicht homogen, aber durchaus konstruktiv zusammen. Differenzen werden eher lösungsorientiert behandelt – man kennt sich eben schon. Beispiele sind die großen Gebietskomplexe im Aukrug und in der Eider-Treene-Sorge-Niederung.
In anderen Gebieten verläuft die Bearbeitung weniger bis gar nicht effizient, z.B. wenn die Grundeigentümer alle Maßnahmenvorschläge ablehnen oder im Hinblick auf für die Bearbeitung notwendigen Informationen `mauern´. Problematisch ist es aber auch, wenn das MLUR den mit der Entwurfserstellung Beauftragten vorgibt, zur vorsorglichen Konfliktvermeidung für bestimmte Gebiete die skizzierten Maßnahmenvorschläge auf das rechtlich unumgängliche Mindestmaß zu beschränken und Wiederherstellungsmaßnahmen selbst für seltene Lebensraumtypen nicht anzuführen.
Für ein Gebiet wollte der Bauernverband für den Fall, dass das (aus dem Landesnaturschutzgesetz gestrichene) Vorkaufsrecht wieder ins LNatSchG aufgenommen werden sollte, eine Klausel eingetragen wissen, nach der vom Vorkaufsrecht trotzdem kein Gebrauch gemacht werden dürfe. Partikularinteressen erhalten am Runden Tisch oft ein zu hohes Gewicht, so dass viel Zeit für Nebensächlich- bis hin zu Unmöglichkeiten aufgebracht wird. Dieses Problem ergibt sich vor allem dann, wenn jedem Beteiligten suggeriert wird, er sei auch ein `Betroffener´ mit Anspruch auf Berücksichtigung seiner Belange. Kritisch kann es werden, wenn die Besetzung des Runden Tischs recht freizügig variiert – und eine `Partei´ den Versuch unternimmt, mit mehreren Sprechern die Situation zu majorisieren.
Wie nicht anders zu erwarten, hat sich die Bearbeitung des Vogelschutzgebietes Eiderstedt als äußerst problematisch erwiesen. Bereits im Hinblick auf die Zusammensetzung des Arbeitskreises gab es heftige, von Lagerdenken geprägte Auseinandersetzungen. Der Arbeitskreis besteht bereits seit etwa 2 ½ Jahren, allerdings ohne relevante Ergebnisse hervorgebracht zu haben. Da Daten und Erfordernisse des Naturschutzes grundsätzlich zunächst negiert werden und das MLUR nicht wagt, `Klartext´ zu sprechen, dürfte von dieser Runde auch zukünftig nicht viel zu erwarten sein. Währenddessen nimmt die Wertigkeit des Gebietes weiter ab (Bestandsabnahme bei den wertbestimmenden Trauerseeschwalben wegen massiven Wasserstandsabsenkungen).
Die Gebietskulisse der `Seen des mittleren Schwentinesystems´ ist nicht nur sehr umfangreich, sondern birgt auch ein hohes Konfliktpotential, so dass sich die damit betraute Lokale Aktion bislang nur an kleine Teilbereiche gewagt hat. Hier tut sich ein weiteres Problem auf: Wie soll eine Lokale Aktion z.B. mit Kormoranvergrämungen im Vogelschutzgebiet Großer Plöner See umgehen, die neben dem Kormoran auch die rastenden Wasservogelscharen anderer Arten vertreiben, wenn im Vorstand des Trägervereins eine Berufsfischerin sitzt, die sich die Kormoranvergrämung auf die Fahne geschrieben hat?
Die Umsetzung der FFH- und der EU-VS-Richtlinie haben die Landesregierungen von Anfang an nur mit `spitzen Fingern´ angefasst. Eine echte Identifikation mit den Zielsetzungen von Natura 2000 war auch bei der rot-grünen Regierung nicht zu spüren – man scheute den sich bereits anfänglich abzeichnenden Konflikt. In den Jahren der Gebietsauswahl wurde Natura 2000 im ländlichen Raum vor allem von konservativen Kommunalvertretern, Grundbesitzervereinigungen und Bauernverband regelrecht bekämpft und als `Abrechnung mit der grünen Umweltpolitik´ politisch instrumentalisiert. Die Landesregierung fasste selbst die übelsten Polemisierer mit Samthandschuhen an und gab deren Forderungen in vielen Bereichen nach, z.B. indem die Gebietszuschnitte bisweilen mehr an Eigentumsverhältnissen als an fachlichen Anforderungen orientiert waren. Dieses Entgegenkommen wurde jedoch nicht gewürdigt, sondern als Bestätigung gesehen, nur lange genug auf das Umweltministerium `einprügeln´ zu müssen, um es auch in Sachen Natura 2000 `mürbe´ zu machen. Beim Kossau-Projekt (Kr. Plön) oder Landschaftsprogramm wurde diese Strategie schon in den Vorjahren erfolgreich angewendet.
Die CDU als damalige Opposition schlug sich - trotz des Wissens um die Verpflichtung zur Umsetzung von Natura 2000 - klar auf die Seite der Gegner, akzeptierte auch völlig destruktive Elemente und trug damit wesentlich zur Demontage der Natura 2000-Idee bei. Als sie nach dem Regierungswechsel selbst die Verantwortung für die Umsetzung erhielt, konnte sie sich aus dieser Kontra-Position nur schwer lösen. Die Devise lautete folglich, mit demonstrativem Unwillen von FFH und EU-Vogelschutz nur so viel umzusetzen, wie unbedingt nötig. Wobei gerne die Gelegenheiten genutzt wurde, die diesbezüglich bereits ohnehin niedrige Schwelle noch weiter nach unten zu drücken. - Positive Äußerungen zu Natura 2000 gibt es bis heute selten. Stattdessen wird der EU-Naturschutz weitgehendst als auferlegtes Pflichtprogramm abgetan. Den Naturschutzgegnern wird damit signalisiert, dass ihre Anti-Haltung durchaus auf Verständnis stößt.
Diese von permanentem Fatalismus geprägte, im Grundsatz negative Haltung der Landesregierung als letztlich verantwortliche Instanz schlägt sich auf die Erarbeitung der Managementpläne nieder, wirkt bei den mit der Bearbeitung Betrauten nicht gerade motivationsfördernd und bestärkt Opponenten in ihrer Verweigerungshaltung. Bereits der ehemalige Umweltminister Klaus Müller ahnte, dass nach der Auswahl- und Melde- die Managementphase das nächste `Minenfeld´ werden könnte. So ist die Idee, die Managementplanung vor allem in konfliktträchtigen Regionen nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern sie in die Provinz zu verlagern und in Lokalen Aktionen die Betroffenen die Maßnahmen an Runden Tischen selbst entwickeln zu lassen, nicht allein aus dem basisdemokratischen Grundverständnis geboren. Eine Rolle spielte auch der Gedanke, mit der Verantwortung nicht unmittelbar verhaftet zu sein. Um dabei nicht missverstanden zu werden: Das Prinzip der Runden Tische ist gut – aber nur, wenn von allen Seiten klare Regeln des konstruktiven Gesprächs eingehalten werden und die Arbeit qualitäts- und ergebnisorientiert erfolgt.
Erschwerend wirken ungeschickte Vorfestlegungen wie die vom Umweltministerium dilettantisch erarbeiteten Freiwilligen Vereinbarungen mit dem Landessportverband (Hauptkonfliktfeld sind hier die wassersportlichen Aktivitäten) und dem Landessportfischerverband, mit denen Angler und Sportler aus der Phalanx der Natura 2000-Gegner herausgelöst werden sollten. Sie haben hauptsächlich für die gewässergeprägten Natura 2000- Gebiete die komplette Wunschliste der (Wasser-)Sportler und Angler aufgenommen und damit für etliche Gewässer Verhältnisse manifestiert, mit denen die Natura 2000-Zielsetzungen unerreichbar sind.
Zudem droht sich das MLUR mit seiner ständigen Betonung der Akzeptanz als Säule der Planerarbeitung zu verrennen. Denn dieses Credo wirkt zuweilen bereits wie eine Ergebenheitsgeste und bestärkt damit manchen Beteiligten in seiner Auffassung, auch diejenigen Planinhalte von seiner Zustimmung abhängig zu sehen, die dieser gar nicht bedürfen. So sieht sich beispielsweise der Bauernverband veranlasst, dem Naturschutzrecht als solchem die Akzeptanz abzusprechen, d.h. die Relevanz der gesetzlichen Natura 2000-Bestimmungen in Frage zu stellen. Das darf nicht hingenommen werden, weil die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen nicht von der Frage nach deren Akzeptanz abhängig gemacht und damit einer gewissen Beliebigkeit unterworfen werden kann.
Hey 30. September 2011
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