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NABU fordert Ende des Biogasbooms



Mais - Foto: Carsten Pusch
Der auch in Schleswig-Holstein zur Versorgung von Biogasanlagen praktizierte, großflächige Intensivanbau hauptsächlich von Mais führt zu starken Beeinträchtigungen der biologischen Vielfalt sowie zur Belastung von Grundwasser, Seen und Fließgewässern mit Nährstoffen und Pestiziden. Hinzu kommt die Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung - vor allem aber eine im Vergleich zu Wind- und Solarenergie miserable Energie- und Klimaschutzbilanz. Dennoch erlebte Biogas insbesondere Anfang unseres Jahrhunderts einen ungeahnten Boom. Allein in Schleswig-Holstein entstanden gut 600 Anlagen. Ursächlich waren lukrative Subventionen, die sogenannten Einspeisevergütungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), für jede Anlage garantiert über zwanzig Jahre.
Doch inzwischen hat auch die Politik die verheerende Ökobilanz der Biogasproduktion mit nachwachsenden Rohstoffen ('NawaRo') begriffen, so dass an neuen Anlagen nur noch überwiegend Reststoffe wie Gülle förderfähig sind. So besteht Hoffnung, dass viele der bisher hauptsächlich mit NawaRo laufenden Biogasanlagen bald Geschichte sein werden: Sie dürften nach Ablauf der zwanzigjährigen Garantie auf die EEG-Einspeisevergütung großteils unwirtschaftlich sein und deswegen aufgegeben werden. Doch was geschieht dann mit den vielen tausend Hektar an Biogasäckern? Darüber sollte sich die Politik dringend Gedanken machen - der NABU hat jedenfalls schon damit angefangen.
Die ersten Biogasanlagen werden bereits in wenigen Jahren, die meisten wohl in etwa fünf bis zwölf Jahren, aus der Subventionsgarantie fallen. Eine Laufzeitverlängerung zumindest der bisherigen Vergütungssätze ist nicht zu erwarten. Abgesehen von den überwiegend mit Reststoffen betriebenen Biogasanlagen werden aller Wahrscheinlichkeit nach nur wenige, mit lukrativer Wärmeabnahme und ökonomischer Substratpflanzenversorgung laufende Anlagen überleben. Zumal bereits jetzt, zu Zeiten durchaus üppig zu nennender Subvention, etliche Anlagen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind. Damit stellt sich nicht zuletzt die Frage nach der Zukunft der zum Anbau von Substratpflanzen genutzten Flächen.
Landwirtschaftliche Nutzung längst nicht gewinnbringend - es gibt Alternativen
Biogasäcker umfassen in Schleswig-Holstein rund 100.000 ha, immerhin so viel wie der gesamte Kreis Plön. Diese sind zu ungefähr 80 Prozent mit Mais als bezüglich des Methanertrags günstigster Pflanze bestellt. Daneben werden auch Silogras, Rüben und in geringer Menge Grüngetreide (Ganzpflanzensilage) als Biogassubstrat angebaut. Konzentrationsbereich der Biogaserzeugung ist die Geest, hier hauptsächlich der schleswigsche Teil. Gerade für die Geest mit ihren großteils schlechteren Böden ist jedoch davon auszugehen, dass sich die meisten der zum Substratanbau dienenden Felder nicht ohne weiteres in die landwirtschaftliche Lebensmittelproduktion zurückführen lassen würden. Denn für Getreide und Raps sind viele Geestäcker zu ertragsschwach. Zwar könnte dort weiterhin Mais, nämlich als Viehfutter, angebaut werden. Doch dürfte die Nachfrage nach Futteranbauflächen in Relation zum jetzigen Substratpflanzenflächenkontingent begrenzt sein, weil sich die mit Silofutter verbundene intensive Rinderhaltung nicht unbegrenzt erweitern lässt. Schon wegen der Gülleproblematik und der damit verbundenen Belastung von Grundwasser und Oberflächengewässern sollte davon auch aus Gründen des Umweltschutzes Abstand genommen werden. Auch deshalb hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) auf Bundesebene für eine Verringerung des Viehbestands ausgesprochen.
Vor diesem Hintergrund sollten für die Zukunft jetziger Biogas-Äcker vor allem auf entwässerten moorigen bzw. anmoorigen sowie auf sandigen Böden Perspektiven entwickelt werden, die gleichermaßen den Flächeneigentümern wie den Umwelt- und Klimaschutzaspekten entgegenkommen.
Die Nutzung der nach Aufgabe des für die Biogasproduktion bestimmten NawaRo-Anbaus frei gewordenen Flächen wird sich einerseits natürlicherweise nach der Bodengüte und an der Lage am Agrarmarkt ausrichten. So wird vermutlich ein Großteil der in den östlichen Landesteilen mit ihren besseren Böden gelegenen NawaRo-Flächen wieder in den Weizen-, Gerste- und Rapsanbau gehen - gerade auch vor dem Hintergrund des als Folge des Ukrainekriegs prognostizierten Weizenmangels. Dadurch würde sich auch die Anbaufläche für Getreide um ein Vielfaches gegenüber dem erhöhen, was durch die seitens der EU zur Förderung der Biodiversität vorgesehene vierprozentige Brache an Ackerfläche verloren ginge. Schon deshalb gehen die Behauptungen aus Landwirtschaft und Politik, man könne sich 'aus Gründen der Sicherung der Welternährung' solche Agrarumweltmaßnahmen nicht leisten, ins Leere.
Für die Geest, aber auch für Niederungsflächen und leichtere Böden im östlichen Hügelland, werden die Möglichkeiten einer herkömmlichen landwirtschaftlichen Folgenutzung allerdings deutlich eingeschränkter sein. Deswegen sollten rechtzeitig vorausschauend umwelt- und agrarpolitisch sinnvolle Alternativen entwickelt werden. Hier bieten sich je nach Standortverhältnissen die nachfolgend kurz beschriebenen Möglichkeiten an.
1. Freiflächen-Solaranlagen - viel effektiver als Biogas
Das Stromertragspotenzial von Freiflächen-PV-Anlagen ist pro Hektar zurzeit etwa vierzigmal so hoch wie sich aus dem Substratpflanzenanbau zur Biogasgewinnung erzeugen lässt. Außerdem werden bei der PV-Nutzung Boden, Grundwasser und Oberflächengewässer im Vergleich zur NawaRo-Bewirtschaftung durch Ausbleiben von Düngemittel- und PSM-Einträgen sowie durch eine ganzjährige dichte, vielfältigere und allenfalls extensiv genutzte Vegetationsdecke gravierend geschont, die Biodiversität sogar erheblich gefördert. An das sich bei einer kräuterreichen Regiosaatausbringung und angemessener Extensivpflege einstellende Spektrum z.B. an Insekten und Vögeln sollten im Hinblick auf besonders seltene bzw. gefährdete Arten zwar nicht zu hohe Erwartungen gestellt werden, zumal die Flächen unter dem kleinklimatischen Einfluss der PV-Paneelen stehen. Dennoch ist der Unterschied zur intensiv-ackerbaulichen Vornutzung, in der selbst die allermeisten der ursprünglich für die Agrarlandschaft typischen 'Allerweltsarten' nicht mehr oder nur noch in äußerst geringen Dichten vertreten sind, erheblich. Zusätzlich erhöht sich die Lebensraumqualität mit zunehmendem Abstand der Module.
Nicht zuletzt ist die PV-Nutzung für die Landeigentümer bei von den Investoren angebotenen, langfristig gesicherten Pachtpreisen von 2.000 (- 3.000) € pro Hektar und Jahr überaus lohnend und könnte damit für viele ehemalige Biogas-Flächen erste Wahl sein. Jedoch sollten die PV-Planungen nicht mit anderen, unter Naturschutzaspekten bedeutenden Alternativen kollidieren (siehe unten). Wird dieser Grundsatz beachtet, kann sich mit der Errichtung von Freiflächen-PV anstelle von Biogasmaiskulturen für die Grundeigentümer wie für den Natur- und Umweltschutz eine klassische 'Win-win-Situation' ergeben, zumal hier keine öffentlichen Mittel erforderlich sind.
2. Wasserstandsanhebung auf Niederungsflächen, wichtige Maßnahme des biologischen Klimaschutzes
Moorige und anmoorige Böden sollten schon aus Gründen des Klimaschutzes aus der ackerbaulichen Bewirtschaftung genommen werden. Zudem ist die Entwässerung einzustellen, um so einen Wasserrückhalt bis hin zur (Wieder-)Vernässung zu erhalten. Dadurch lassen sich die hohen CO2-Emissionen drastisch reduzieren. Prioritäre Kulisse sollten Randbereiche naturnaher Moore zur Abpufferung von Stoffeinträgen aus der Umgebung und zur Wasserstandshaltung des Kernbereichs sein.
Inwieweit derartige dauerhaft vernässte Flächen jedoch einer ökonomisch sinnvollen Nutzung unterzogen werden können (und sollen), ist kritisch zu hinterfragen. Denn für eine PV-Nutzung dürften solche Flächen im Hinblick auf den deutlich erhöhten Pflege- und Wartungsaufwand wenig attraktiv sein: Da auf derartigen Böden weder eine Schafbeweidung zum Kurzhalten des Aufwuchses aus Gründen der Tiergesundheit noch ein Befahren mit größeren Mähmaschinen möglich ist, müssten die Solarmodule so hoch aufgeständert werden, dass sie von der Vegetation nicht überragt werden können: die sich in Feuchtgebieten schnell einstellenden Grauweiden werden mehrere Meter hoch. Die dichte und hohe Vegetation, der nasse Untergrund sowie die Höhe der Anlagen würden die Wartungen erheblich erschweren.
Eine oftmals diskutierte Alternative sind Paludi-Kulturen, hier in Form von vor allem zur Energiegewinnung angepflanzten Schilfbeständen. Ob diese mitsamt der anhängigen Verwertungsprozesse ökonomisch rentabel zu betreiben sind, ist jedoch ungeklärt. Angebrachter wäre es, solche stark vernässten Flächen ihrer Eigenentwicklung zu Röhrichten, Weidengebüschen und ggf. zu Erlenbruchwäldern zu überlassen und dadurch einen Beitrag nicht nur zum Klimaschutz, sondern darüber hinaus auch zum Erhalt der Biodiversität und zur Wasserrückhaltung zu leisten.
3. Waldbildung oder Extensivbeweidung
Schleswig-Holstein als waldärmstes Bundesland hat sich die Erhöhung des Waldanteils auf 12 Prozent zum Ziel gesetzt. Dafür können freiwerdende Biogas-Äcker sowohl auf feuchten, als auch auf trockenen, sandigen Böden verwendet werden. Auf feuchten Standorten bietet sich die Entwicklung von Erlenbeständen, auf sandigen, weniger feuchten der Aufbau von durch Eichen dominierten Laubmischwäldern an.
Auf dafür geeigneten Flächen könnte auch eine extensive Rinderbeweidung erfolgen, hier von einer herkömmlich extensiven Form bis hin zur Entwicklung einer Halboffenen Weidelandschaft. Die Nutzung als extensives Dauergrünland sollte im Bereich von Wiesenvogelbrut- und -rastgebieten bzw. zu deren Entwicklung Vorrang vor anderen Nutzungen haben.
Einsicht ob der Fehler der Vergangenheit - oder gewinnt wieder die Lobby?
Unbedachte Weichenstellungen im Erneuerbare-Energiengesetz (EEG) sowie die agrarpolitische Absicht, Landwirten ein Standbein als 'Energiewirte' zu verschaffen, haben in der Zeit von etwa 2000 bis 2015 auch Schleswig-Holstein einen Biogasboom beschert, der zu massiven Verschlechterungen der Umweltsituation, aber auch zu erheblichen und längst nicht immer positiven Auswirkungen auf die Landwirtschaftsstruktur geführt hat. Auch ist die Energie- und Klimaschutzbilanz der Biogaswirtschaft allenfalls als bescheiden zu bezeichnen. Zudem hat die Frage, ob die Landwirtschaft für 'Tank oder Teller?' produzieren soll, die Diskussion bewegt. Angesichts dessen ist die anfängliche Euphorie über Biogas als (neben Windkraft und Solarenergie) 'dritter Säule' der Energiewende inzwischen verflogen.
Erwartungsgemäß will die Biogasbranche ihre Klassifizierung als Auslaufmodell nicht hinnehmen und sich nicht auf die - ökologisch sehr sinnvolle - Reststoffverwertung beschränken lassen. So bietet sie vor dem Hintergrund des akuten Engpasses bei der Gasversorgung an, das erzeugte Methangas nicht zu verstromen, sondern direkt in die Gasleitungen einzuspeisen. Das wäre zwar technisch unkompliziert machbar, in der Klimaschutz- und Umweltbilanz aber kaum bzw. nicht besser als bei der jetzigen auf Strom fixierten Arbeitsweise. Es würde außerdem nicht zu einer so bedeutenden Entlastung des Gasmarktes führen, dass sie einen subventionierten Weiterbetrieb der Biogasanlagen rechtfertigen könnte. Auch das Argument der Biogaslobby, die Anlagen wegen ihrer Möglichkeiten der Wärmeversorgung weiterzubetreiben, sticht nicht. Denn die wenigsten Anlagen sind an ein Nahwärmenetz zur Versorgung des nächsten Dorfes angebunden: viele Anlagen liegen so weit abseits, dass dies nicht lohnenswert wäre, schon gar nicht ohne die bisherige Subvention. Im Übrigen dürfte sogar eine Umwandlung des mit Photovoltaik auf einer Fläche zu gewinnenden Stroms in Heizwärme energetisch wie ökonomisch sinnvoller sein, als dort Mais mit einem hohen Energie- und Kosteneinsatz zu kultivieren, um daraus Gas zu erzeugen und dem Versorgungsnetz zuzuführen bzw. die bei der Gasverstromung anfallende Abwärme im für die Versorgung einer Ortschaft benötigten Umfang zur Verfügung zu stellen. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Wind- und Solarenergiegewinnung zunehmend preiswerter wird und sich damit auch immer mehr vom Subventionsbedarf löst, während das beim Biogas nicht der Fall sein wird: Die Kosten der für den NawaRo-Anbau benötigten Dünge- und Pflanzenschutzmittel sind teilweise dramatisch gestiegen, auch die Landpachtpreise klettern in die Höhe.
Der NABU Schleswig-Holstein hat seine Überlegungen den Fachministerien, Agrar- und Energiepolitikern sowie Landwirtschaftsverbänden unterbreitet. Ein Echo ist bislang nicht erfolgt, auch keine plausible Gegenrede. Derzeit scheint die Landwirtschafts- und Energiepolitik mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein, als ihre bisherigen Linien zu reflektieren und sich dabei offen auch mit eklatanten Fehlentwicklungen wie dem NawaRo-Maisanbau auseinandersetzen zu wollen. Doch selbst wenn die in Deutschland starke Biogaswirtschaft noch so trommelt - diese auf Substratpflanzenanbau beruhenden Anlagen sind Auslaufmodelle und dürfen deshalb keinen Anspruch mehr auf EEG- oder anderweitige Subventionen haben.
FH, akt. 5. August 2022