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Kommunale Verwaltung betreibt touristischen Etikettenschwindel
Obwohl die Naturparke durchaus als Naturschutzinstrumente dienen sollten - das Landesnaturschutzgesetzes schreibt dies sogar ausdrücklich vor - werden sie vom ehrenamtlichen und behördlichen Naturschutz wie auch von den betroffenen Kommunen allenfalls als ein inhaltsloses Werbeetikett aufgefasst. Damit werden jedoch erhebliche Chancen sowohl für den Naturschutz als auch für den landschaftsbezogenen Tourismus vertan, es bestehen durchaus aber Möglichkeiten, den Naturparken das notwendige Profil zu geben.
In kommunaler Trägerschaft
In Schleswig-Holstein gibt es fünf Naturparkregionen, die allesamt kommunalen Trägerschaften unterliegen. Für die Naturparke "Hüttener Berge", "Aukrug" und "Westensee" zeichnet der Kreis Rendsburg-Eckernförde verantwortlich. Der Naturpark "Lauenburgische Seen" ist dem Kreis Herzogtum Lauenburg unterstellt und der Naturpark "Holsteinische Schweiz", der sich über Teilflächen der Kreise Ostholstein, Plön und Segeberg erstreckt, wird von einem aus den betroffenen Städten, Gemeinden und Kreisen gebildeten Verein getragen. Ihre Ausweisung erfolgte auf Grundlage von sogenannten Naturparkerklärungen, in denen die grundsätzlichen Aufgaben der Naturparke hinsichtlich Landschaftspflege und -entwicklung sowie Erholungsnutzung vorgegeben sind. Für den Naturpark "Holsteinische Schweiz" wird dieses in der Satzung seines Trägervereins zum Ausdruck gebracht. Sozusagen als Fachaufsicht fungiert das Umweltministerium als oberste Naturschutzbehörde, das auch für die Naturparkerklärungen, Gebietserweiterungen sowie Zuschussvergabe für Entwicklungsmaßnahmen verantwortlich ist.
Anspruch und Wirklichkeit
''Naturparke sind geschaffen worden, um großräumige Kulturlandschaften, die aus Naturschutzgründen sowie wegen ihrer besonderen Eigenart und Schönheit von herausragender Bedeutung sind, zu pflegen, zu entwickeln oder wiederherzustellen. Jeder Naturpark repräsentiert dabei eine einzigartige Landschaft mit ihrem besonderen Erscheinungsbild.'' Hinter diesem Leitbild des Verbandes Deutscher Naturparke (VDN) verbirgt sich ein hoher Anspruch, der sich teilweise in den Naturparkerklärungen als Verpflichtung zum, "Pflegen, Schützen und Entwickeln" widerspiegelt. Auch in der äußeren Darstellung suggerieren Naturparke eine besondere Schutzgebietsqualität. So besteht nicht nur eine werbeträchtige Wortverwandtschaft mit dem Begriff "Nationalpark"; auf den meisten Reisekarten sind sie mit Nationalparken und Naturschutzgebieten zum Verwechseln ähnlich gekennzeichnet.
Die Wirklichkeit der Naturparke Schleswig-Holsteins steht dazu indes im krassen Widerspruch:
- Die Naturparkträger missachten die aus dem Naturparkstatus erwachsenen Verpflichtungen. Ein besonderes, auf die Belange des Natur- und Umweltschutzes bezogenes Handeln der Träger ist kaum oder gar nicht erkennbar.
- Der naturinteressierte Besucher findet zwar weitgehend ansprechende Landschaft vor, vermag aber eine besondere Identität allenfalls an der Dichte der Wanderwegskennzeichnung ausmachen.
Ein tatsächlicher, von den Naturparken zu verantwortender Qualitätsunterschied hinsichtlich des Zustands von Natur und Landschaft zwischen innerhalb und außerhalb der Naturparkregionen ist nicht festzustellen. Unseren Naturparken fehlt es schlichtweg an Profil und Qualität. Obwohl die Trägerschaft der meisten Naturparke unseres Landes bei den Kreisen liegt, sind sie faktisch weniger Kreis als Gemeinde bezogen konzipiert. Im Grunde genommen liegt also die Verantwortung zum Handeln maßgeblich bei den Kommunen. Doch die Intentionen des Naturparkgedankens werden auf kommunaler Ebene weder verinnerlicht noch in Aktivitäten umgesetzt. Offensichtlich wird dies z. B. im Umgang mit der Landschaftsplanung, in der dezidierte Aussagen zum Natur- und Landschaftsschutz auf gemeindlichen Wunsch möglichst vermieden werden. Auch in der Bauleitplanung werden landschaftsökologische und -ästhetische Belange in Naturparkgemeinden keineswegs sensibler abgehandelt als in außerhalb der Naturparke gelegenen Kommunen.
Die Ausweisung von Schutzgebieten wird nicht als Chance zur Steigerung der landschaftlichen Attraktivität wahrgenommen, sondern in der Regel aufs heftigste bekämpft, wie es in den Diskussionen um die Meldung von FFH - und EU-Vogelschutzgebieten in teilweise schon absurder Form erkennbar wurde. So drohte eine Gemeinde dem Umweltminister mit ihrem Austritt aus dem Naturpark "Holsteinische Schweiz" wenn er nicht auf die Meldung des Großen Plöner Sees als FFH-Gebiet verzichten würde. Im Eifer der Auseinandersetzung übersah die hochgradig vom Tourismus abhängige Kommune, dass die zentrale Forderung des FFH-Schutzes, die Wasserqualität des Sees zu erhalten, für sie nicht zuletzt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geradezu existenznotwendig sein würde.
Naturparkträger zeigen wenig Rückgrat
Unverständlich ist, dass sich die Naturparkträger dieser Verweigerungshaltung beugen. So verzichtet der Naturpark "Holsteinische Schweiz" von sich aus auf die Möglichkeit, quasi als Träger öffentlicher Belange die Bauleitplanung der Mitgliedsgemeinden aus seiner Sicht zu begleiten. Andererseits werden im "Aukrug" von einem regionalen Verein verschiedenste landschaftspflegerische Entwicklungsmaßnahmen geplant und durchgeführt - eine klassische Aufgabe für den Naturpark, sollte man meinen. Doch gerade der zeigt daran kein Interesse.
Kaum fachlich qualifizierte Leitung
Über eine eigene, fachlich qualifizierte Leitung und Geschäftsführung verfügen nur die Naturparke, "Lauenburgische Seen" und "Holsteinische Schweiz". Die drei Rendsburger Naturparke werden von der Kreisverwaltung quasi nebenbei verwaltet. Eine vorzeigbare lnformationsstätte weist bislang nur der Naturpark "Holsteinische Schweiz" auf. Ansonsten erschöpfen sich die Tätigkeiten der meisten Naturparke im Lande auf die Erstellung von Wanderkarten, Wegebeschilderung und Naturlehrpfaden.
Ein "Naturpark-Bewusstsein", das sich nicht zuletzt in erhöhter Sensibilität für Naturschutzbelange niederschlagen sollte, ist auf dem Niveau der Naturparkgemeinden nicht wahrzunehmen.
Für diese eklatanten Defizite sind jedoch nicht die hauptamtlichen Mitarbeiter der Naturparkverwaltungen - sofern diese überhaupt existieren - verantwortlich zu machen, sondern die mangelnde Bereitschaft vor Ort zu praktizierter Landschaftspflege sowie die Lethargie der Naturparkträger, mit der das Fehlen mitunter jeglichen Engagements v.a. auf Gemeindeebene hingenommen wird.
Vorbild Mecklenburg
Deutlich engagierter nehmen allerdings viele der ostdeutschen Naturparke ihre Aufgaben wahr. Beispielhaft sei hier der Naturpark "Nossentiner / Sehwinzer Heide" angeführt, der sich nicht nur der touristischen Infrastruktur, sondern intensiv auch Belangen des Arten- und Biotopschutzes widmet, sei es in einem wissenschaftlich anspruchsvollen und praktisch effizienten Programm zum Fischotterschutz oder bei der Renaturierung degradierter Moore. Die Betreuung der Naturschutzgebiete wie auch der Nistbereiche von Kranich, See- und Fischadler gehören fast schon selbstverständlich zum Tätigkeitsspektrum. Abgerundet wird die Arbeit dieses mecklenburgischen Naturparks nicht nur durch ein umfangreiches Veranstaltungsangebot, sondern auch von einer attraktiven Ausstellung.
Nur auf diese Weise kann sich für den naturinteressierten Besucher - maßgebliche Zielgruppe und somit wirtschaftliches Standbein der Naturparke - ein ausgeprägtes Profil ergeben. Mit staatlichen Institutionen, Naturschutzstiftungen und -verbänden, Land- und Forstwirtschaft sind konzentriert Maßnahmen der naturschutzbezogenen Flächenentwicklung umzusetzen, die zugleich für den Gast die landschaftliche Attraktivität steigern und ihm die Natur als Erlebnis erfahrbar werden lassen.
Die genannten Aufgabenbereiche sind über einen Entwicklungsplan, als "Naturparkeinrichtungsplan" bezeichnet, konzeptionell und detailliert abzuarbeiten. Landschafts- und Bauleitplanung haben nicht nur die Vorschläge des Entwicklungsplans aufzugreifen, sondern müssen auch im Hinblick auf angedachte Eingriffe in Naturhaushalt und Landschaftsbild allgemeine und spezielle Zielsetzungen der Naturparke vorrangig berücksichtigen. Im Klartext heißt das: In Naturparken darf nicht länger so unbedarft wie bisher gebaut werden. Auf die Errichtung von Windkraftwerken ist - weiterhin - zu verzichten, aber auch andere, die freie Landschaft beeinträchtigende Anlagen wie Sendemasten, Freileitungen, Kiesgruben sind besonders kritisch abzuprüfen.
Gleiches muss für Erholungseinrichtungen gelten. Zielsetzung eines jeden Naturparks muss sein, an neu zu schaffenden Strukturen und Einzelmaßnahmen nur noch die zuzulassen die eindeutig einer landschaftsbezogenen Erholung zugeordnet werden können, wobei strikt auf deren Umweltverträglichkeit zu achten ist. Weiterhin ist der Bestand an umweltrelevanten touristischen Einrichtungen zu erfassen und in seinen Auswirkungen auf die freie Landschaft zu hinterfragen, um auf solider Grundlage die Tragfähigkeit der Landschaft insbesondere an touristischen Brennpunkten wie größeren Gewässern einschätzen zu können. Diese festgestellten Beeinträchtigungen sind zu minimieren.
Ansprüche der Touristen steigen
Derartige Anforderungen dürften zwar von einigen Naturparkgemeinden erst mal rund weg abgelehnt werden. Doch sollten sie bedenken, dass Besucher zunehmend kritisch auf das Profil ihrer Urlaubsregion achten und das in den Katalogen offerierte Bild einer heilen Landschaft vor Ort auch zu finden wünschen. Diesbezügliche Defizite sind mit einem erheblichen tourismuswirtschaftlichen Konkurrenznachteil gleichzusetzen! Dabei ist Qualität durchaus mit verhältnismäßig einfachen Mitteln zu erreichen. So sollte der Schwerpunkt zukünftiger Maßnahmen zur Verbesserung der Erholungseignung im Aufbau einer "Naturerlebnisstruktur" liegen - und kann damit Hand in Hand mit Anliegen des Naturschutzes und der Landschaftspflege wirken. Dazu gehört z.B. die Wiedervernässung ehemaliger Feuchtgebiete, die, über eine Aussichtsplattform einsehbar, auf Besucher besonders anziehend wirken. Auch kleinflächige Vorhaben wie die Entwicklung sonniger und nährstoffarmer, damit aber an blühenden Pflanzen, Heuschrecken und Tagfalter besonders reichen Wegrändern tragen in ihrer Summe zum gesteigerten Erlebniswert für Spaziergänger und Radfahrer wie auch zur ökologischen Aufwertung des Gebietes bei. Der Steigerung der Besucherattraktivität dienen weiterhin Anlage und Erschließung von Aussichtspunkten, meist mit einfachen Mitteln durchführbar: Ein aufgeschichteter Erdhügel ermöglicht den Blick übers Röhricht in Richtung See, ein Drehkreuz im Koppelzaun den Zugang zur Geländekuppe mit Fernsicht. Dem Image der Naturparke sehr förderlich waren zudem Aktionen wie "Froschtümpel für jedes Dorf" oder "Unser Naturpark macht mit bei der Wasserrahmenrichtlinie", mit denen sich überdies günstig Fördermittel einwerben ließen. Und als Ansporn für die Gemeinden könnte periodisch ein Wettbewerb "Umweltfreundliche Gemeinde im Naturpark" ausgeschrieben werden.
Maßnahmen
Eine den Ansprüchen adäquate Entwicklung sollte auf drei Ebenen eingeleitet werden:
- Das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde sollte eine für alle Naturparke verbindliche Richtlinie mit substanziellen Inhalten und organisatorisch-planerischen Vorgaben Z.B. zum Entwicklungsplan formulieren.
- Die Naturparkträger müssen gegenüber dem Ministerium ihre Bereitschaft beweisen, die Anforderungen auch umzusetzen, die dafür erforderlichen Strukturen zu schaffen und dementsprechend auf die Gemeinden einzuwirken. Von Naturparkerweiterungen, wie sie z. B. die "Holsteinische Schweiz" fast schon regelmäßig vornimmt, ist bis zu einer spürbaren Qualitätsverbesserung abzusehen.
- Die Gemeinden müssen ein "Naturpark-Bewusstsein" entwickeln und in Kooperation mit den Naturparkträgern, den unteren Naturschutzbehörden der betroffnen Kreise und dem Umweltministerium, aber auch mit den Verbänden des Naturschutzes und des Tourismus entsprechend handeln.
NABU thematisiert schlechte Qualität
Der NABU hat die schlechte Qualität der schleswig-holsteinischen Naturparke bereits mehrfach und offensiv angesprochen. Auf Initiative des NABU lud das Umweltministerium im Jahr 2002 die Naturparke zu einem Workshop ein, bei dem u. a. die Arbeit des Naturparks "Nossentiner / Schwinzer Heide" und das Anforderungsprofil des Dachverbands VDN vorgestellt wurden. Neben Vertretens aus Naturschutz und Tourismus beteiligten sich zwar die Naturparkverwaltungen, die Naturparkkommunen als eigentliche Verantwortungsträger glänzten indes durch Abwesenheit. Weiterhin hat der NABU eine Checkliste zusammengestellt, um den jetzigen Stand an touristischen Einrichtungen, Natur- und Landschaftsschutzgebieten Landschaftsplanung, umweltpädagogischen Angeboten, personeller Ausstattung etc. erfassen zu lassen. Dieser Fragenkatalog ist seitens des Ministeriums an die Naturparke mit Bitte um Beantwortung geschickt worden. Die drei Naturparke des Kreises Rendsburg-Eckernförde sahen sich selbst allerdings zu einer Beantwortung außer Stande ...
Etikettenschwindel beenden
Noch besteht Hoffnung, dass die Naturparke sich auf die touristische Wirkung eines anspruchsvollen Profils besinnen und dementsprechend an sich arbeiten werden. Sollte sich aber das derzeitige Phlegma der Naturparkträger und das Desinteresse der Gemeinden fortsetzen, darf sich das Land nicht scheuen, die Naturparkerklärungen zurückzuziehen um den anhaltenden Etikettenschwindel zu beenden.