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Noch viel Luft beim Management
Struktur- und artenreiches, extensiv genutztes Grünland gehört zu den wertvollsten Lebensraumtypen im Offenland. So bietet es – eine an den Zielen des Naturschutzes ausgerichtete Pflege vorausgesetzt – ein großes Potenzial für viele Artengruppen, von Wirbellosen über Amphibien bis zu Vögeln. Dementsprechend wird im Rahmen von Naturschutzplanungen, z.B. im Rahmen von Managementplanungen für Schutzgebiete oder Entwicklungsplänen für Ausgleichs- und Ökokontoflächen, vielfach die Entwicklung extensiven und artenreichen Grünlands angestrebt. Doch werden die dabei formulierten Ziele auch erreicht? Nach Erfahrungen des NABU ist beim Management solcher Flächen oft „noch viel Luft nach oben“.
Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten gilt die extensive Weidenutzung als besonders erfolg versprechend, wenn es darum geht, Grünland mit einer hohen Artenvielfalt zu entwickeln. Doch dies scheint sich selbst bei manchen Institutionen, die sich den Naturschutz auf die Fahnen geschrieben haben, noch immer nicht herumgesprochen zu haben. So wird vielerorts im Lande bereits ab Mitte Juni, mitunter sogar noch früher, im großen Stil gemäht. Faunistisch und botanisch sind die betroffenen Flächen damit häufig wertlos.
Defizitäres Grünlandmanagement auf Naturschutzflächen
Man könnte zunächst meinen, dass sich derartige Szenarien nur auf intensiv bewirtschaftete, monotone Silagegras-Äcker beschränken. Aber auch Ausgleichsflächen oder sogar Flächen der öffentlichen Hand innerhalb von Schutzgebieten, die dem Naturschutz vorbehalten sind, wird unter dem Etikett der viel zitierten Pflegemahd oft mehr Schaden zugefügt, als es die blumige Beschreibung derartiger Eingriffe zunächst vermuten lässt. Die Folge ist eine radikale und nachhaltige Struktur- und Artenverarmung auf allen Ebenen.
Den Verantwortlichen ist dabei nicht bewusst, welche radikalen Einschnitte eine Grünlandmahd für viele Lebensgemeinschaften mit sich bringt – entweder aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit oder „weil wir das schon immer so gemacht haben“. In manchen Managementplänen für die Natura 2000-Gebiete im Lande wird die großflächige Grünlandmahd als Standardform einer „naturschutzgerechten Bewirtschaftung“ festgesetzt bzw. bei bestehender Nutzung nicht weiter hinterfragt.
Dabei sind die Nachteile einer Mahdnutzung allgemein bekannt. So findet durch Mahd nicht nur eine Nivellierung der Vegetationsstruktur statt. In der Folge fehlen Vogelarten wie Braun- und Schwarzkehlchen Sitz- und Singwarten in Form von vorjährigen, überständigen Pflanzenstengeln bzw. eine ausreichend Deckung bietende krautige Vegetation für die Nestanlage. Arten, die wie der Sumpfrohrsänger mehr oder weniger dichte Krautfluren oder -inseln benötigen, gehen bei dieser Nutzungsform ebenfalls leer aus.
Zudem führt eine intensive Mahd zu einer Verarmung der Flora, da eine Vielzahl von Blütenpflanzen aufgrund des frühen Mahdbeginns und der kurzen Mahdintervalle nicht zum Aussamen gelangen können. Hierdurch fehlen blütenbesuchende Insekten, die ihrerseits die Nahrungsgrundlage für viele Insekten fressende Vogelarten darstellen. Gemähte Flächen sind oft noch 2-3 Wochen später ausgesprochen insektenarm.
Dass eine Mahd zudem eine Gefährdung für Gelege und Jungvögel – aber auch für Amphibien und viele Wirbellose – darstellt, ist längst bekannt, wird aber oft ignoriert. Da hilft auch ein vermeintlich später Mahdtermin Anfang Juli nichts, denn auch zu dieser Zeit sind viele Arten noch mit der Aufzucht der Jungen beschäftigt. Auch für die beiden heimischen Braunfroscharten, die den Großteil des Jahres im feuchten Grünland verbringen, bedeutet eine sommerliche Mahd den Tod. In gleicher Weise verheerend wirkt übrigens auch die naturschutzfachlich abzulehnende Mahd als Maßnahme gegen das Jakobskreuzkraut.
Diese Situation wird noch verschärft, weil von Seiten der Pächter alle Jahre wieder und mit Blick auf die Gewinnung hochwertigen Heu- bzw. Silagefutters auf eine noch frühere Mahd gedrängt wird, weil „in diesem Jahr der Aufwuchs ja schon so hoch ist“. Diese Gemengelage führt dazu, dass es um die Biodiversität auf solchen Flächen oft kaum besser bestellt ist, als auf dem gewöhnlichen Silagegras-Acker. Ein paar aktuelle Beispiele, wie sie sich vermutlich überall im Lande finden lassen, verdeutlichen die Misere des Grünlands und seiner Lebensgemeinschaften auf Naturschutzflächen:
Beispiel Braunkehlchen
Zu wenig Rücksicht auf Brutbiologie
Wer im Portal www.ornitho.de die dokumentierten Brutnachweise des Braunkehlchens (Datengrundlage: 182 Brutnachweise 2016 – 2018) auswertet, erkennt, dass sich am 21. Juni, wenn z. B. auf Flächen der Stiftung Naturschutz gemäht werden darf, das Brutgeschäft auf dem Höhepunkt befindet. Auch Anfang Juli füttern noch viele Braunkehlchen ihre nicht flüggen Jungen im Nest. Erst Mitte Juli sind die meisten Bruten ausgeflogen. Da dem Braunkehlchen wegen seiner späten Rückkehr aus dem Winterquartier zumeist nur Zeit für eine Jahresbrut bleibt, stellt eine zu frühe Mahd den gesamten Bruterfolg eines Jahres infrage.
Naturschutzprojekt Dodauer See bei Eutin
Die ans Westufer des Dodauer Sees angrenzenden Grünlandflächen mit einer Größe von etwa sechs Hektar befinden sich im Eigentum des Wasser- und Bodenverbands Schwartau; der Erwerb wurde teilweise mit Ersatzgeldern des Kreises Ostholstein finanziert.
Dem Verband ist es trotz mehrfacher Hinweise durch den NABU über Jahre nicht gelungen, eine nachhaltige, naturschutzgerechte Bewirtschaftung der Grünlandflächen durchzuführen. Eine erste Intervention durch den NABU und die UNB des Kreises Ostholstein führte vor einigen Jahren während des damals laufenden Pachtvertrages zu einer Kompromisslösung dergestalt, dass größere Flächenanteile von der Mahdnutzung ausgenommen werden sollten. Man war sich auch einig darüber, dass bei einem etwaigen Pächterwechsel bzw. bei dem Abschluss eines Anschlussvertrages eine extensive Beweidung erfolgen sollte. Zwar wurden für einige Jahre die vereinbarten Bereiche tatsächlich von der Mahd ausgenommen, doch nach einem Wechsel des Pächters wurde nun erneut im Juni – bis auf ein paar kleine Säume – alles kurz- und kleingemäht. Besonders pikant: Im Frühjahr 2018 wurde in einigen der vom NABU und der Marius-Böger-Stiftung vor Jahren auf den Flächen angelegten Amphibienteichen einige rufende Laubfroschmännchen registriert. Sollten diese in den Gewässern tatsächlich reproduziert haben, ist ihre Nachkommenschaft vermutlich unmittelbar nach ihrem Landgang kleingehäckselt worden.
FFH-Gebiet Curauer Moor in der Gemeinde Stockelsdorf
Die rund 360 Hektar große Grünlandniederung vor den Toren Lübecks befindet sich zu weiten Teilen im Eigentum der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Die Stiftung Naturschutz hat die Aufgabe des Flächenmanagements der Stiftung Curauer Moor übertragen. Hier wurden in den letzten Jahren viele positive Entwicklungen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Wasserhaltung und auch mit Reaktivierung von Quellen initiiert. Das Grünlandmanagement ist allerdings äußerst ungünstig. So wird jahrein, jahraus innerhalb weniger Tage und oft schon Mitte Juni ein Großteil der Grün- ländereien (insgesamt mehr als 190 Hektar) gemäht; Rand- und Saumstrukturen sind kaum vorhanden. Dementsprechend ist die Wirbellosen-, Amphibien-, und Brutvogelfauna stark verarmt; selbst der Wachtelkönig-Rufplatz im Westen des Gebietes ist gemäht worden. Im Rahmen verschiedener Gespräche mit den Beteiligten, den Naturschutzbehörden und dem NABU wurde sich auf eine Umwandlung einer ganzen Reihe von Weideflächen zu extensiven Weiden verständigt. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit der Einrichtung einer neuen „Wilden Weide“ mit einer Größe von sieben Hektar bereits in diesem Jahr gemeinsam auf der Fläche am Böbser Wanderweg getan. Ein Konzept für eine weitergehende Nutzungsumstellung fehlt weiterhin.
Ökokontofläche Griebel
Die unter dem Dach der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein als Treuhandstiftung gegründete Karl-Heinz Schulenburg-Stiftung hat bei Griebel im Kreis Ostholstein rund 20 Hektar Ökokonto-Flächen bereitgestellt und versucht seitdem, eine naturnahe Entwicklung einzuleiten. Wurde bei Projektbeginn im Jahr 2014 gegenüber der Öffentlichkeit noch vollmundig angekündigt, hier Lebensräume für bedrohte Arten wie die Feldlerche und den Kamm-Molch zu entwickeln, sieht die Praxis ganz anders aus. Auch hier ist im Sommer 2018 bereits Anfang Juli bis auf kleine Randflächen alles gemäht worden. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Form der Nutzung die Basis für die Anerkennung als Ökokonto-Flächen gewesen sein sollte.
Der Sumpfrohrsänger
Eine unauffällige Vogelart gerät aus dem Blickfeld
Der Sumpfrohrsänger brütet vor allem in Grünlandgebieten, dort vor allem in krautreichen und ungenutzten, ungemähten Habitaten. Er benötigt bei seiner Ankunft aus dem Winterquartier in der zweiten Maihälfte ein ausreichendes Angebot an Sitz- und Singwarten, z.B. in Form von vorjährigen überständigen Pflanzenstängeln. Durch die Marktordnungsbrachen in den Jahre 1989 bis 2007 gehörte er neben Rohrammer, Feldschwirl, Braunkehlchen zu den Profiteuren der damit einhergehenden Landschaftsentwicklung, denn mit diesen Brachen breitet sich auch sein Lebensraum aus. Die ehemaligen Brachen werden heute aber wieder intensiv ackerbaulich genutzt. Und mit den Brachen verschwinden Sumpfrohrsänger und Co. Mittlerweile findet die Art auch in einer Reihe von Naturschutzgebieten keine Heimat mehr, denn auch in Naturschutzgebieten werden Sumpfrohrsänger-Habitate gemäht. Drei Beispiele aus Naturschutzgebieten (NSG) illustrieren dies:
NSG Kossautal
Das Gebiet war in den Zeiten der Nichtnutzung vom Sumpfrohrsänger dicht besiedelt. Der Managementplan für das Gebiet sieht eine Förderung bestimmter Pflanzengesellschaften vor. Das Grünland soll dafür in weiten Bereichen offengehalten werden. Weitergehende Aussagen zur Durchführung (Termine, räumliche Ausdehnung etc.) der Mahd enthält der Managementplan allerdings nicht. In den letzten Jahren erfasste die Mahd immer weitere Zeiträume und erfolgte 2018 bereits Ende Mai / Anfang Juni. Für die Sumpfrohrsängerbruten waren diese Mahdzeiten das Todesurteil. Anschließend waren nur noch einzelne Sänger in der verbliebenen schmalen Saumstruktur vorhanden. Inzwischen erfolgte Anfang August eine erneute Mahd. Die gemähten Flächen waren nahezu ohne Heuschrecken.
NSG Kiekbuschwiesen – Mecklenburg-Vorpommern im Grenzbereich zu Schleswig-Holstein
In diesem NSG wurde in der ersten Juni-Hälfte komplett einschließlich der Grabenränder gemäht. Wie viele Sumpfrohrsänger dort gebrütet hät- ten, mag man erahnen, wenn man die Sänger auf der nicht gemähten schleswig-holsteinischen Seite betrachtet. Dort sangen sie dicht an dicht.
NSG Duvenseebachniederung
Hier siedelten Sumpfrohränger in größerer Zahl bis zur Mahd Mitte Juni. Seitdem sangen sie nur noch in den ungemähten Abschnitten; die übrigen Bruten sind mutmaßlich verloren gegangen. Hier erfolgt nur eine Mulchmahd, in manchen Jahren hinreichend spät, letztes Jahr auf großen Flächen gar nicht und dieses Jahr für die Wiesensingvögel zu früh. Die Fläche mit dem Wachtelkönigrevier wurde viel zu früh gemäht.
Alle drei Beispiele verdeutlichen: Mahd hat erhebliche Auswirkungen auf Bestand und Bruterfolg der Hochstaudenbewohner.
Extensive Beweidung als Mittel der Wahl
Von den Befürwortern solcher Maßnahmen werden die verschiedenen Begründungen für die Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit der Grünland-Mahd ins Feld geführt. So soll sie in vielen Fällen helfen, eine Verbuschung zu verhindern. Das tut sie tatsächlich, verhindert aber gleichzeitig die Ausbildung naturnaher Strukturen. Sollte trotz einer Beweidung eine Verbuschung eintreten, die den Entwicklungszielen des Gebietes zuwiderläuft, wäre hier ein Einsatz mit der Kettensäge bzw. dem Freischneider im mehrjährigen Abstand zweifellos die schonendere Variante. Auch wird ins Feld geführt, man wolle durch das Kurzhalten der Vegetation die Entwicklung von Gänseäsungsflächen ermöglichen. Dieses Ziel kann tatsächlich durch eine regelmäßige Mahd erreicht werden. Aber auch hier kann in vielen Fällen durch geschicktes Weidemanagement derselbe Zweck erreicht werden. Eine Aushagerung von Flächen infolge der Mahd, wie sie von manchen Befürwortern ins Feld geführt wird, ist zumindest für fruchtbare Niedermoorstandorte von vornherein gar nicht zu erwarten.
Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich kann es im Einzelfall, etwa zum Erhalt gefährdeter Pflanzengesellschaften oder Biotoptypen, wie artenreicher Blumenwiesen oder Feuchtwiesen, sinnvoll und erforderlich sein, diese regelmäßig zu mähen und das Mahdgut abzutransportieren. In solchen Fällen sollte unbedingt ein fachlich fundiertes und mit der UNB abgestimmtes Mahdkonzept erstellt werden. Darin sind zu mähende Flächen sowie die Mahdzeitpunkte so klar darzustellen, dass es auch für die beauftragten Landwirte, Lohnunternehmer oder Landschaftspflegegruppen sofort erkennbar ist.
Die allermeisten Flächen in den „Standard-Grünlandniederungen“ im Lande bieten allerdings von vornherein keine entsprechenden Entwicklungsperspektiven. Naturschutzinstitutionen sind gefordert, ihr Flächenmanagement kritisch zu überprüfen und im Hinblick auf eine eindeutig naturschutzorientierte Zielsetzung verbindlich anzupassen.
Eine Weidenutzung ist im Regelfall der Mahdnutzung vorzuziehen. Eine Mahd darf u.a. aus Sicht des Vogelschutzes grundsätzlich nicht vor Ende Juli erfolgen. Diesbezüglich könnten klare Empfehlungen durch das LLUR sicher hilfreich sein. Wenn es weitergeht wie bisher, steht zu befürchten, dass das hohe Potenzial solcher Flächen nicht genutzt wird.
Letzte Meldung
Im Dezember wurden diese Probleme mit der Stiftung Naturschutz erörtert. Eines der Probleme ist, dass auf den Stiftungsflächen verschiedene, oftmals konträre Naturschutzziele umgesetzt werden sollen. Fazit dieses Treffens ist ein zukünftig erheblich engerer Austausch über besondere Artvorkommen und die gemeinsame Suche nach Lösungen, die zusammen mit Pächtern auch auf Praktikabilität geprüft werden sollen. Das Michael-Otto-Institut im NABU (MOIN) arbeitet derzeit eng mit der Stiftung Naturschutz zusammen, um insbesondere dem Braunkehlchen auf Stiftungsflächen konkret zu helfen. Davon profitieren dann auch Wiesenpieper und weitere Arten. 2019 könnten Aktionen zum Vogel des Jahres – die Feldlerche – dazu beitragen, das Wissen um Vorkommen gefährdeter Wiesen-Singvögel zu aktualisieren.
Klo, BK 22. Dezember 2018