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Jetzt Mitglied werden!Studie: Vermeidung von Beifang in der Fischerei
Neue Fangtechniken schonen Seevögel und Schweinswale
Stellnetze sind weltweit für den Tod von rd. 600.000 Meeressäugetieren und Millionen von Seevögeln verantwortlich. In der Ostsee werden sie vor allem für den Fang von Dorsch, Plattfisch, Lachs oder Meerforelle, in den Bodden auch Zander, Hecht und Barsch eingesetzt – und fordern auch hier ihren tödlichen Tribut. NABU, GRD und GSM machen in ihrer im August 2010 der Öffentlichkeit vorgestellten Studie „Strategien zur Vermeidung von Beifang von Seevögeln und Meeressäugetieren in der Ostseefischerei“ auf die schlechte Situation von Schweinswalen und verschiedenen Seevogelarten in der Ostsee aufmerksam, zeigen aber auch Lösungsmöglichkeiten im Konfliktfeld mit der Fischerei auf.
Umweltfreundlichere Fischereimethode: Ponton-Hebereuse (Quelle: YouTube)
Die Bestandssituation des Schweinswals in der Ostsee (rund 16.000 Tiere) ist heute dramatisch schlecht: Beifang in Stellnetzen ist für den „Ostsee-Flipper“ die häufigste Todesursache. Von den 152 Totfunden an deutschen Ostseestränden (2009) sind mit größter Wahrscheinlichkeit die Mehrzahl Beifänge aus Stellnetzen. Denn 50 bis 86 Prozent der frisch toten Strandfunde weisen hierzulande Netzmarken auf der Haut auf, ein eindeutiges Zeichen für einen Beifang im Netz. Totfunde von Schweinswalen haben sich hier seit dem Jahr 2000 etwa versechsfacht (Zahlen 2000 bis 2009). In den letzten drei Jahren schwankte die Zahl der Nachweise von Totfunden zwischen 140 und 170 Tieren. Der Beifanganteil wäre demnach mehr als 70 Tiere pro Jahr oder 4 bis 15 Prozent der zuletzt in der deutschen Ostsee ermittelten Gesamtvorkommen. Als noch tolerierbar gilt nur eine durch Beifang bedingte jährliche Sterblichkeit von 1 bis 1,7 Prozent des Bestandes.
Für Seevögel sieht es dabei nicht besser aus. Zwar wird der einzelne Fischer auf dem Meer nur selten einen bedrohten Pracht- oder Ohrentaucher in seinem Netz finden, aber bezogen auf die geringe Zahl der überwinternden Tiere ist der Beifang auch hier erheblich zu hoch. Besorgnis erregend ist die Situation für viele Vogelarten mit abnehmenden Beständen oder geringer Reproduktionsrate. Für die in der deutschen Ostsee überwinternden Pracht-, Stern-, Ohren- und Rothalstaucher, Eis-, Samt- und Trauerenten, Tordalk und Trottellumme ist der Beifang in Stellnetzen eine wesentliche Gefährdungsursache. Offizielle Statistiken über den Beifang von Seevögeln gibt es aber bis heute nicht. Wissenschaftler schätzen jedoch für die Ostsee einen Gesamtbeifang von 80.000 bis 160.000 Vögel pro Jahr. An der deutschen Ostseeküste werden vor allem überwinternde Tauch- und Meeresenten in den Monaten Januar bis Mai beigefangen.
Umweltfreundlichere Fischereimethode: Langleinen (Quelle: YouTube)
Unbeabsichtigter tödlicher Fang
Fischer stellen dabei den Tieren nicht absichtlich nach. Die in der Studie präsentierten wissenschaftlichen Daten über Netzbeifänge zeigen trotz Lücken aber deutlich, dass durch Beifang Schweinswal und Seevögel gefährdet und ihre Bestandserholung verhindert wird. Die Studie lebt entscheidend von den Vorschlägen, die zur Vermeidung von Beifängen gemacht werden. Denn in der von der Umweltlotterie „Bingo!“ geförderten Studie der drei Naturschutzverbände wird insbesondere der Ersatz von Stellnetzen durch andere, naturfreundlichere Fangmethoden wie Fischfallen, Langleinen oder „Jiggermaschinen“ gefordert.
NABU, GRD und GSM geben hier konkrete Handlungsempfehlungen für Naturschutzverbände, Verbraucher, Behörden und Politik. Die Naturschutzverbände gehen dabei davon aus, dass das Problem auch in Fischereikreisen bekannt ist und sich Ostsee-Fischer finden, die bereit sind, die vorgeschlagenen Methoden zu testen und für ihre speziellen Bedürfnisse weiterzuentwickeln. In Schweden kommen einige dieser neuen Methoden bereits zum Einsatz. Gemeinsam mit den Fischern wollen die Naturschützer konstruktiv nach Lösungen suchen, die sich auch finanziell rechnen und der handwerklichen Fischerei eine sichere Einkommensbasis bringen, denn ohne Beifang gefangener Kutterfisch dürfte bei entsprechendem Marketing auch einen höheren Preis erzielen.
In Fischfallen gefangener oder geangelter Fisch ist zudem frischer und von höherer Qualität als Stellnetzware, denn im Stellnetz ersticken die Fische oft schon, was zu Lasten der Frische und des Geschmacks geht. Für die von Preisverfall und Überfischung gebeutelten Fischer sind geangelte oder in Fallen gefangene Fische, vor allem im Direktverkauf eine attraktive Alternative.
Umweltfreundlichere Fischereimethode: Fischfallen (Quelle: YouTube)
In einem wissenschaftlichen Workshop im Rahmen der Konferenz der europäischen Walforschungsgesellschaft ECS in Stralsund wurden die im Projekt ermittelten alternativen Fangmethoden bereits einem breiten wissenschaftlichen Publikum vorgestellt und dort auch intensiv diskutiert. Insbesondere der Aspekt der Kompatibilität der vorgeschlagenen Maßnahmen sowohl mit dem Wal- wie auch dem Vogelschutz stieß dabei auf großes Interesse. Zudem erfolgte bereits eine Kontaktaufnahme zu Fairfish, Naturland und MSC, die naturverträglich gefangenen Fisch auszeichnen. Hier wurde erörtert, ob eines der Zertifikate sich für die Küstenfischer der Ostsee, die in Zukunft Beifang arme Methoden verwenden, besonders eignet. Es zeigte sich aber, dass die Grundsätze und Leitlinien der Zertifizierer sehr ähnlich, jedoch aus Sicht der Verbände auch (zu) allgemein gefasst sind.
Umweltfreundlichere Fischereimethode: Jigging-Maschine (Quelle: YouTube)
Einige der Zertifizierer sehen sich daher von außen und innen in der Kritik. Eine detailliertere Betrachtung ist unerlässlich, wenn Fischer und Naturschützer sich auf gemeinsame Maßnahmen verständigen sollten. Auch ein eigenes Öko-Siegel für naturfreundlich gefangenen Ostseefisch wäre denkbar. Eine direkte Folge der Ergebnisse der Studie ist es, dass der NABU zukünftig auch zu Dialogen des MSC eingeladen wird und vom NABU ausdrücklich ein stärkerer fachlicher Input bei der Zertifizierung spezieller Fischereien in der Ostsee gewünscht wurde.
Rechtliche Grundlagen
Die Studie befasst sich zudem mit den rechtlichen Grundlagen von Fischerei und Naturschutz, erstellt von dem Juristen Rüdiger Strempel als Mitautor der Studie. Gesetze und Abkommen zum Schutz der Meeressäuger und Seevögel sind in großer Zahl vorhanden, jedoch werden Rechtsakte mit anderer Zielrichtung, wie diejenigen zur Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik oft über den marinen Artenschutz gestellt, dessen Umsetzung unter anderem deswegen in weiten Bereichen daher die Note „mangelhaft“ verdient. NABU, GRD und GSM engagieren sich gemeinsam mit 74 anderen Verbänden aus Europa in der Verbändekoalition „Ocean 2012", die sich zum Ziel gesetzt hat, die derzeit anstehende Reform der europäischen Fischereipolitik nach dem Nachhaltigkeitsprinzip mitzugestalten.
- Strategien zur Vermeidung von Beifang von Seevögeln und Meeressäugetieren in der Ostseefischerei - NABU, GRD, GSM
- Strategies for the Prevention of Bycatch of Seabirds and Marine Mammals in Baltic Sea Fisheries - NABU, GRD, GSM