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Jetzt Mitglied werden!Prinzip Freiwilligkeit als Königsweg?
Was bedeutet dies für den Naturschutz?
Freiwilligkeit als fragwürdiges Prinzip
Die Freiwilligkeit von Maßnahmen des Umwelt- und Naturschutzes in den Vordergrund zu rücken, dabei die Verwaltung zu "verschlanken" und der "überbordenden Bürokratie" Einhalt zu gebieten, ist erklärtes programmatisches Ziel vor allem von CDU und F.D.P. im Lande. Dazu sollten etwa die - fachlich missglückte - Abschaffung des Knickerlasses sowie der massive Abbau gesetzlicher Bestimmungen im neuen Landesnaturschutzgesetz dienen. Naturschutz sollte nach Regierungsverlautbarung in der Zeit CDU-geführter Landesregierungen dadurch an Gewicht gewinnen, dass sich wieder mehr Menschen insbesondere im ländlichen Raum den Zielen des Naturschutzes verpflichtet fühlen, statt von ihnen ordnungsrechtlich "drangsaliert" zu werden. Für den Bürger ist ein solches Postulat zunächst durchaus nachvollziehbar: Wer wünscht nicht weniger Ordnungsrecht und Bürokratie und stattdessen mehr freiwillige Leistungen? Doch ob die Herabsetzung von Naturschutzrecht und Behördenarbeit wirklich Natur und Umwelt - und damit auch dem Menschen - hilft, ist höchst fragwürdig.
Feindbild Naturschutz
Schon in Oppositionszeiten und verstärkt im Wahlkampf 2005 bemühte die CDU das Feindbild eines "Zuviel im Naturschutz", um vor allem im ländlichen Raum Wählerstimmen zu gewinnen. Einen Beleg für derartige Behauptungen ist man bis heute allerdings schuldig geblieben. Fälschlich unterstellt wurde dabei nach wie vor, dass früher allein über Verordnungen versucht wurde, Naturschutz umzusetzen. Dabei wurden auch unter Rot und Rot-Grün-geführten die Einbeziehung aller Akteure etwa bei der Umsetzung der EU- Wasserrahmenrichtlinie beschlossen und zahlreiche freiwillige Vereinbarungen getroffen.
Naturschutz oder Klientelbefriedigung?
Bei einer Beurteilung der Auswirkungen der Politik der Freiwilligkeit steht der Beobachter schnell an einem Scheideweg: Will ein CDU-Landwirtschaftsminister damit tatsächlich den Naturschutz fördern - oder eher die eigene Klientel? Für letzteres spricht, dass viele der Öffnungen im Naturschutzrecht einseitig klientelbezogen waren, ohne eine stichhaltige Begründung zu liefern und ohne für den Naturschutz Vorteile vorzusehen. Die damalige Landesjagdzeitenverordnung etwa gab unsinnig Arten zum Beschuss frei, ein Nutzen für den Naturschutz durch eine verstärkte Bejagung war auch bei freundlichster Betrachtung nicht zu finden und sicher auch nicht beabsichtigt.
Naturschutzrecht gründet auf Erfahrungen
Wie in anderen Rechtsbereichen auch, ist das Umwelt- und Naturschutzrecht für die Felder entwickelt worden, in denen freiwillige Leistungen und Beschränkungen erfahrungsgemäß nicht im notwendigen Umfang erfolgten. Weil dem Schutz von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen allzu oft materielle menschliche Egoismen entgegen stehen, ist es fatal, gerade auf diesem Gebiet rechtliche Standards voreilig im Glauben an das "Gute im Menschen" abzubauen. Wie wenig man auf freiwillige Vereinbarungen bauen kann, zeigt sich bei diversen Selbstverpflichtungen der Industrie etwa zum Klimaschutz, die seit 1993 abgeschlossen wurden. Auch der damalige Bundesumweltminister Siegmar Gabriel sagte inzwischen: "Die Wirtschaft hat ihre Zusagen zu oft gebrochen, als dass wir noch darauf vertrauen könnten". Manche Autoren halten das Instrument der Selbstverpflichtung mittlerweile für komplett gescheitert, auch deshalb, weil zumeist nur Organisationen, aber nicht deren individuelle Mitglieder oder gar Außenstehende gebunden werden. Konkret ausgedrückt: Freiwillige Vereinbarungen über die touristische Nutzung von Gewässern mögen zwar die beteiligten Sportverbandsfunktionäre per Unterschrift binden, bei deren Mitgliedern oder unorganisierten Sportlern laufen diese jedoch auch juristisch ins Leere. Die Unwahrscheinlichkeit, über Freiwilligkeit eine neue Qualität der Rücksichtnahme zu erreichen, wird an einem anderen externen Beispiel deutlich: Jedem Autofahrer dürfte verständlich sein, dass das Überfahren einer roten Ampel oder eine stark erhöhte Geschwindigkeit in einer verkehrsberuhigten Straße für Menschen eine große Gefährdung darstellt und daher "freiwillig" zu unterlassen ist. In der Tat könnte bei einer Einsicht in die Gefährdung der Verwaltungsaufwand bei Polizei und Ordnungsbehörden eingespart werden. Trotzdem käme kein Mensch auf die Idee, das Instrument der Freiwilligkeit auf den Straßenverkehr zu übertragen, um so etwa das Verkehrsrecht zu "entschlacken".
Motivlage bleibt unberücksichtigt
Gänzlich unberücksichtigt bleibt beim Prinzip der Freiwilligkeit auch die Motivlage, die zu Eingriffen in Natur und Landschaft führt. Die Bereitschaft, über Gestaltungsanreize freiwilliges oder ehrenamtliches Engagement für den Naturschutz zu fördern, ist sicher ehrenwert. Gerade der NABU profitiert mit seiner breiten ehrenamtlichen Basis davon. Doch die maßgebliche Triebfeder menschlichen Handelns ist der ökonomische Vorteil, der häufig genug in der Praxis auf Kosten unseres Naturerbes realisiert wird. Es gibt demzufolge keine Beispiele dafür, dass etwa herabgesetzte Umweltstandards jemanden motiviert hätten, sich nun besonders rücksichtsvoll mit der Umwelt auseinander zu setzen. Dies zu glauben, wäre naiv. Die Realität spricht hier eine andere Sprache: Wo sich ökonomische oder andere eigennützige Vorteile realisieren lassen, werden diese auch auf Kosten von Umwelt- und Natur genutzt. Es bedarf wiederum erfahrungsgemäß starker ökonomischer Anreize, um hier die Entwicklung in eine naturverträgliche Richtung zu lenken. Ein Beispiel, wie das Freiwilligkeitsprinzip im Verbund mit einem Übermaß an Opportunitätsverhalten gegenüber einer gesellschaftlichen Lobby auf den Irrweg führt, zeigte die zwischen dem Umweltminister, den Sportverbänden und den Sportfischern getroffenen Vereinbarungen zur Sportausübung in Natura 2000-Gebieten - fachlich und sachlich eine Katastrophe ohne praktische Auswirkungen.
Hoher Verwaltungsaufwand
Neben der mangelnden Effizienz und der theoretischen Schwäche ist bei der einseitigen Festlegung auf Freiwilligkeit auch Kritik am Verwaltungsaufwand zu üben. So steigt der Zeitbedarf durch die Vorbereitung der zahlreichen freiwilligen Vereinbarungen deutlich an und widerspricht damit den eigenen Vorgaben zur Reduzierung der Bürokratie. Beispielsweise wird die in § 3 Abs. 3 Landesnaturschutzgesetz ausgesprochene Verpflichtung, "zu prüfen, ob bei Maßnahmen zur Durchführung dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften der Zweck auch durch vertragliche Regelungen erreicht werden kann", zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führen, sofern dann wirklich eine ernsthafte Prüfung erfolgt. Rechnet man noch die eigentlich notwendigen Kontrollen der Maßnahmen hinzu, die jedoch bereits heute kaum stattfinden, ist ein qualifizierter Naturschutz über dieses Instrument innerhalb der gegenwärtig existierenden Strukturen kaum umsetzbar. Ob man es mag oder nicht: An einem starken Ordnungsrecht führt kein Weg vorbei, wenn notwendige, anspruchsvolle Ziele im Naturschutz erreicht werden sollen und müssen. Innerhalb dieses gesetzten Rahmens dann die Frage der konkreten Ausgestaltung ggf. auch in Konkurrenz unterschiedlicher Realisierungsmöglichkeiten unter Einbeziehung aller zu erreichen, kann jedoch durchaus ein gangbarer Weg sein. Ordnungsrecht und Freiwilligkeit schließen sich keineswegs aus, wenn die Balance zwischen diesen beiden Strategien stimmt.
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Ausgewählte Positionen, Resolutionen, Stellungnahmen & Gutachten des NABU Schleswig-Holstein zu umwelt- und naturschutzfachlichen Fragestellungen in zeitlicher Reihung. Mehr →