Landesregierung muss Chance nutzen
Stellungnahme des NABU Schleswig-Holstein zum Entwurf eines neuen Landesnaturschutzgesetzes

20. Januar 2010 - Nach der letzten Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes LNatSchG im Jahr 2007 steht eine erneute Überarbeitung der wichtigsten Gesetzesgrundlage des Landes für den Naturschutz im Land zwischen den Meeren an. Die Notwendigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass das neue Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG, das bereits am 1. März 2010 in Kraft tritt, den Ländern teils weitreichende Gestaltungsspielräume einräumt, umgekehrt aber auch neue unveränderliche Bestandteile im Naturschutzrecht festlegt. Dem Landtag liegt aktuell ein Entwurf für ein neues LNatSchG vor, der jedoch versäumt, auf einer Evaluierung der seit dem letzten Gesetz erfolgten drastischen Einschnitte ins Naturschutzrecht aufzubauen. Um das BNatSchG nicht unmittelbar gelten zu lassen, will der Landtag das Gesetz Ende Februar verabschieden.
Damit bleiben ihm nur vier Wochen, um auf die Hinweise und Bedenken von Naturschutzverbänden und anderen Interessenvertretern einzugehen – viel zu wenig Zeit für eine fundierte Diskussion und Aufarbeitung der Stellungnahmen. Die Chance, wichtige und notwendige Korrekturen vorzunehmen, bleibt offensichtlich ungenutzt, erklärt der NABU anlässlich der heutigen Anhörung im Kieler Landtag.
Die im vorgelegten Gesetzentwurf für das neue Landesnaturschutzgesetz vorgenommenen Anpassungen an das BNatSchG sind rechtlich unbestritten notwendig. Entgegen der sonst üblichen Praxis haben jedoch nicht das zuständige Kieler Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MLUR), sondern die Fraktionen von CDU und FDP den Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Offensichtlich wurde es im MLUR versäumt - obwohl lange bekannt - rechtzeitig eigene Vorschläge für die Gesetzesanpassung zu erarbeiten.
Der NABU beklagt, dass durch die späte Einbeziehung seine Beteiligungsmöglichkeiten stark eingeschränkt wurden. Auch die Unteren Naturschutzbehörden der Kreise, die als Arbeitsebene die Schwächen des Gesetzes am besten kennen, ist nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden, Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten und sachbezogen zu diskutieren.
Im Hinblick auf die Ausformung eines konsequenteren Naturschutzes, die das BNatSchG vor der Situation der konkurrierenden Gesetzgebung durchaus gewährt, fehlt es dem Entwurf dabei an Substanz. Der NABU widerspricht der Behauptung, die derzeit geltende Gesetzesfassung habe sich „bewährt“. Eine Evaluation der teils drastischen Einschnitte hat demgegenüber nie stattgefunden, wurde in Teilen auch durch Intervention von Interessenverbänden aktiv verhindert.
Bereits heute sind erhebliche Defizite des im März 2007 in Kraft getretenen LNatSchG in der Landschaft erkennbar, die auch die Arbeit des Naturschutzes erschweren. Beispiele sind der reduzierte Schutz der Knicks, der Verlust des Schutzes für landschaftsbestimmende Einzelbäume oder der Verzicht auf das Vorkaufsrecht des Landes.
Die positive Darstellung des LNatSchG aus dem Jahr 2007 in der Begründung zum Gesetz ist zweifelhaft und hinterlässt bei Naturfreunden einen faden Beigeschmack. Der NABU empfiehlt erneut eine sachliche, ergebnisoffene Aufarbeitung und Korrektur der nachteiligen Entwicklungen im Hinblick auf einen effektiven Naturschutz. Das laufende Gesetzgebungsverfahren böte hier die Chance, Fehlentscheidungen seit der Aufhebung des alten, aus dem Jahre 2003 stammenden LNatSchG zu korrigieren.
Der Gesetzentwurf macht zudem den Eindruck eines Torsos, mit dem sich die Regierungsfraktionen offensichtlich hinter dem BNatSchG verstecken, um dem Bekenntnis zu entgehen, dass ein effektiver Naturschutz einer klaren, fachlich begründeten Rechtsgrundlage bedarf. Der Entwurf für ein neues Landesnaturschutzgesetz beschränkt sich auf den Habitus einer dürren Ergänzungsvorschrift zum BNatSchG und besteht überwiegend aus zusammenhanglosen Formulierungen und einer Flut von alleinigen Verweisen auf das BNatSchG. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Gesetzgebungskonkurrenz sollte das LNatSchG jedoch für sich allein stehend so weit wie möglich geschlossen, verständlich und damit auch bürgerfreundlich sein. Die im Entwurf dargebotene erneute radikale Verkürzung des bisherigen Gesetzestextes kommt diesem Anspruch jedoch in keiner Weise entgegen. Selbst rechtskundigen Verwaltungsorganen wird in der Praxis eine gleichzeitige, vielbezügige Sichtung des BNatSchG abverlangt.
Es bleibt festzuhalten: Eine Chance, die Fehler des alten Gesetzes zu evaluieren und daraus Konsequenzen zu ziehen, droht mit der Novelle vertan zu werden - zum Schaden für unser schleswig-holsteinisches Naturerbe.
Hey, ILu 20. Januar 2010
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