Stelzenläufer - Foto: Monika Povel
Rastvögel im Katinger Watt
Das Kommen und Gehen unter den Durchzüglern





Vögel sind oft auf der Wanderschaft. Warum und wohin sie unterwegs sind, kann viele Gründe haben: Sie bewegen sich zwischen den Brutgebieten und Winterquartieren (Zug, z. B. Küstenseeschwalbe, Knutt), sie weichen vor Nahrungsknappheit aus (z. B. Winterflucht bei Gänsen, Kiebitz oder Saatkrähe), sie suchen traditionelle Mausergebiete auf, um ihr Gefieder zu wechseln (z. B. Schwäne, Gänse und Enten), oder sie streifen ziellos umher, da sie noch nicht am Brutgeschäft teilnehmen (Jungvögel).
Weltweit bewegen sich die Vögel bei ihren Wanderungen entlang großer Zugwege. Einer dieser "Zug-Autobahnen" ist der Ostatlantische Zugweg, der von den Brutgebieten einiger Vogelarten in Grönland und Sibirien bis in die Winterquartiere im südlichen Afrika führt. Viele Wat- und Wasservögel machen bei ihren Wanderungen im Wattenmeer halt. Das Wattenmeer ist dabei ein zentrales Rast-, Mauser- und Nahrungsgebiet, wie ein großer "Flughafen", wo die Vögel sich neues Fett anfressen können ("auftanken"), um die Strapazen der Weiterreise bestehen zu können.
Die Nähe des Katinger Watts zur Küste, zur Eider und den Nordseemarschen führt dazu, dass hier viele typische Küsten-, Wasser- und Wiesenvögel rasten.
Die Vielfalt der Vogelwelt wird weiter durch Vogelarten ergänzt, die sich bevorzugt in Schilfröhrichten, Büschen und Wäldern aufhalten, in Lebensräumen also, die nach der Eindeichung im Katinger Watt neu entstanden sind.
Die verschiedenen Zielgebiete oder der Zeitpunkt der Wanderschaft sind bei den einzelnen Vogelarten sehr unterschiedlich. Auch wandern oft Männchen, Weibchen und Jungvögel einer Vogelart zu unterschiedlichen Zeiten und rasten in unterschiedlichen Gebieten. Nahe verwandte Vogelarten, wie zum Beispiel Nonnen- und Graugans haben völlig andere "Zugmuster".
Neben den heimischen Brutvögeln halten sich viele Graugänse auf dem Zug im Katinger Watt auf. Wir wissen durch beringte Vögel, dass alljährlich skandinavische Graugänse das Eiderästuar aufsuchen. Diese Vögel ziehen in der Mehrzahl weiter, um in den Niederlanden oder Spanien zu überwintern. In der Regel liegen die Rastbestände an der Eider außerhalb der Brutzeit bei 2.000 bis 3.000 Gänsen. Kurzfristig können es aber auch deutlich mehr sein, so am 13.9.2013 – 7.215 Ind. Vor allem die Stoppelfelder nach der Getreideernte veranlassen die Zugvögel im Spätsommer zu einem Zwischenstopp.
Höhere Rastbestände werden auch während der Mauser im Mai/Juni erreicht. Gänse verlieren bei der Mauser ihr Großgefieder vollständig und können dann für einige Wochen nicht fliegen. Die Vögel suchen daher europaweit nach Großgewässern wo sie ungestört die Wochen der Flugunfähigkeit verbringen können. An der Westküste liegen mehrere größere Mauserplätze. Die Zahlen für das Katinger Watt lagen in den letzten Jahren zwischen 2.000 und 5.000 mausernden Graugänsen. Gerade Anfang Juni können die Bestände kurzfristig durch die aus anderen Mausergebieten abwandernden Graugänse ansteigen.
In den letzten Jahren stiegen die Rastvorkommen der in der nordischen Tundra brütenden Blässgänse auf Eiderstedt. War die Art hier noch vor zehn Jahren ein seltener Rastvogel, so werden mittlerweile im Maximum mehrere Tausend Vögel gezählt. Blässgänse fliegen noch spät im Dunkeln an den Schlafplätzen ein – und brechen ebenso früh in der Morgendämmerung auf. Tagsüber verteilt sich die Art weiträumig über Eiderstedt, so dass die Rastvorkommen schwer zu erfassen sind. In der Eidermündung übernachten maximal 2.000 bis 5.000 Blässgänse.
Die meisten Nonnengänse brüten in der Arktis Sibiriens, aber zunehmend auch im Ostseeraum, und verbringen den Winter an der Wattenmeerküste. Sie werden daher auch als "Meeresgänse" bezeichnet. Die großen Schwärme sind im Winterhalbjahr in der Eidermündung landschaftsprägend. In den letzten Jahren wurden hier regelmäßig im Maximum >20.000 Vögel gezählt. Einen absoluten Höchstwert markierte eine Zählung vom 27./28.9.2014 als wenige Tage nach der Ankunft der ersten Vögel aus den nordischen Brutgebieten 36.360 Vögel im Ästuar rasteten. Nach kurzer Zeit verteilten sich diese Vögel weiträumig am Wattenmeer. Ein solcher Zugstau wird nicht in jedem Jahr beobachtet. Offenbar hat er etwas mit den Wetterbedingungen auf dem Flug zu tun: Wie alljährlich wandern die Nonnengänse im Herbst aus dem Baltikum an der Ostseeküste entlang und fliegen die Eider westwärts zum Wattenmeer. Die großen Grünlandgebiete der Eidermündung sind dann die ersten Nahrungsflächen an der Wattemeerküste, die nach dem Überlandflug in Sicht kommen. Sind die Gänse erschöpft und hungrig werden die geschützten Feuchtgrünländer dann für eine kurze Zwischenrast genutzt.
Besonders auf dem Heimzug in die Brutgebiete wird die Funktion der Eider als Leitlinie für den Vogelzug deutlich. Anfang Mai ziehen täglich Tausende Nonnengänse flussaufwärts gen Osten.

Springtiden- und Gänsezählungen im Wattenmeer
Um mehr über das Vorkommen der verschiedenen Vogelarten kennen zu lernen sind regelmäßige Zählungen notwendig. Der NABU führt im Katinger Watt in Zusammenarbeit mit anderen Naturschutzorganisationen regelmäßige Vogelzählungen durch.
Eine dieser Zählung ist die sogenannte "Springtiden-Zählung". Bei ihr macht man sich den Umstand zunutze, daß etwa alle 14 Tage die Flut im Wattenmeer besonders hoch aufläuft (Springtide). Diese hohe Flut führt dazu, dass sich die Vögel auf wenigen höher gelegenen Rastplätzen konzentrieren - und hier leicht gezählt werden können. Die Eidermündung wird regelmäßig von Küstenvögeln zur Rast während der Flut im Wattenmeer angeflogen.
Ergänzt werden die Zählungen durch "Gänsezählungen", bei denen die bevorzugten Nahrungsgebiete der Gänse aufgesucht werden, um diese Vögel möglichst vollständig zu erfassen. Weiterhin melden Vogelbeobachter ihre privaten Notizen, die helfen, das Bild über das Vorkommen der Vögel zu ergänzen.