Naturschutz an der Eidermündung

Erhalt eines zusammenhängenden, flussbegleitenden Feuchtgrünlandes

Der Eidermündung an der Westküste Schleswig-Holsteins erging es wie den meisten Flussmündungen in Mitteleuropa: Das ehemals artenreiche Ökosystem im Ästuar wurde durch den Bau eines Sperrwerks (1973), durch die Kanalisation des Flusses und seiner Nebenflüsse und durch den Bau von Sielen und Schleusen zerstört. Die Eider war bis zum Bau des Sperrwerks einer der letzten Flüsse Mitteleuropas mit einer noch natürlichen Trichtermündung. Dieser dynamische Lebensraum war durch die Gezeiten und jährlich auftretende Überschwemmungen, d.h. durch den Wechsel von Fluss- und Meerwasser ständig in Bewegung. Mit der Abdämmung der Mündung ging viel vom amphibischen Charakter der Flussmündung verloren. Viele Pflanzen- und Tierarten starben aus oder konnten nur in den (kleinen) Naturschutzgebieten überleben. Der ehemals deutliche Einfluss von Salzwasser und Tide wurde weitgehend zurückgedrängt. Salzwiesen an den Ufern der Mündung verschwanden bis auf kleine Reste und die Brackwasserzone im Fluss, Laichgebiet vieler Fische, wurde verkleinert. Geblieben ist nur der heute irreführende Name: Katinger Watt.

Durch die Eindeichung des Katinger Watts entstanden auf den nun trocken gelegten Landflächen verschiedene von Menschen gemachte, künstliche Lebensräume. Hierzu gehörten ein ca. 300 ha großer Laubwald und Ackerflächen auf den nährstoffreichen Böden im Nordosten des Kooges. Unter Schutz gestellt wurden später kaum kommerziell nutzbare Flächen in Nähe zum Fluss oder Flächen mit nährstoffarmen, leicht salzigen Böden. Geplant war im Katinger Watt zunächst ein Freizeitpark, dessen Umsetzung aber die Planungsphase nicht überstand. Auf eine landschaftstypische Ausstattung oder eine historische, naturschonende Nutzung wurde bei den Planungen in den 1970er Jahren zunächst kein Wert gelegt. Entstanden ist so eine Ansammlung verschiedener Landschaftselemente und Lebensräume – eine kleinräumige Parklandschaft, ohne dass deren Ausstattung für den Erhalt einer Lebensgemeinschaft, wie sie z.B. Wiesen- oder Küstenvögel benötigen, genügend Raum bot. Die landschaftstypische, weiträumige Marschlandschaft der Küste ging verloren.

Der Naturschutz entwickelte daher zunächst für die ca. 2.300 ha geschützten Flächen (u.a. Feuchtgrünland, Flusswatten und Gewässer), aufgeteilt in vier Schutzgebiete, ein einheitliches Schutzkonzept. Die vier Gebiete sind das NATURA-2000 Gebiet „Ehemaliges Katinger Watt“, das NSG „Grüne Insel mit Eiderwatt“, das NSG „Dithmarscher Eidervorland mit Watt“ und das NSG „Oldensworter Vorland“. Die Umsetzung geschah von Seiten des NABU als betreuenden Verband in enger Abstimmung mit dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume und den Unteren Naturschutzbehörden Nordfriesland und Dithmarschen.

Ziel sollte es sein in den Schutzgebieten der Eidermündung so viel wie möglich von dem ehemaligen Charakter dieser Flusslandschaft und seiner Lebensgemeinschaften zu erhalten. Ein Leitbild wie es von der Generation unserer Eltern noch erlebt werden konnte. Als Vorbild diente eine vom Menschen schonend als Weide oder Mähwiese genutzte, weiträumige Flusslandschaft am Meer. Hier sollten Küsten- und Wiesenvögel brüten und Gänse nach Nahrung suchen. Dabei stand der Erhalt der verbliebenen Mündungswatten, von Feuchtgrünland, Brack- und Süßwasserröhricht sowie einer Vielzahl von temporären und permanenten Gewässern im Vordergrund. Eine erste Voraussetzung für das Gelingen des Schutzkonzeptes war es die Großräumigkeit der Gebiete wieder herzustellen. Entscheidend war dabei, dass die Lebensräume am Fluss so miteinander verbunden wurden („Biotopverbundsystem“), dass auch nicht flugfähige Tiere zwischen den „verschiedenen Welten“ wandern können – sei es im Rhythmus der Tide, im Rhythmus von Tag- und Nacht oder im Rhythmus der Jahreszeiten. Was zunächst einfach klingt, stößt in der Praxis durch vielfach von Menschen beanspruchten Räume an viele Grenzen.

Eine weitere Voraussetzung für die Wiederherstellung einer naturnahen Flussmündung waren Pflegemaßnahmen, um einer Sukzession entgegensteuern zu können. Hierzu gehörte auch die Einführung einer großflächigen Nutzung des Grünlandes als Tierweide oder Mähwiese. Das heißt, von Beginn an war eine naturschonende Nutzung des Grünlandes mit in das Schutzkonzept eingebunden. Dabei arbeiten die Landwirte mit der Natur für den Erhalt der Lebensräume am Fluss. Für die Wiesenvögel, die Gänse und die Orchideen blieben so weiträumige Lebensräume erhalten - und den Nutztieren (hauptsächlich Rindern) wurden im Sommerhalbjahr große, lebenswerte Weiden zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich hätte ein anderes Schutzkonzept auch das Zulassen einer natürlichen Sukzession ohne eine menschliche Nutzung zum Ziel haben können. Dann wären die Vorländer am Fluss heute mit Schilf und Weidenbüschen zugewachsen und es hätten sich Brackwasserröhrichte und Laubwälder gebildet. Für Austernfischer, Küstenseeschwalbe und Pfeifente wäre dann kein Platz mehr im Ästuar.

Die Bedeutung der naturschonenden Nutzung in den Schutzgebieten muss betont werden: Auf den heute entwässerten und den Salzfluten entzogenen Böden würden sich ohne eine Nutzung Hochstauden und Gehölze ausbreiten und die zu schützende Fauna und Flora verdrängen. Auf einem Teil der Schutzflächen wurden daher in den letzten Jahren umfangreiche Pflegemaßnahmen von Seiten des Naturschutzes durchgeführt (Entbuschung der Wiesen und Weiden; Entschlammung von Gewässern, Anstau von Kleingewässern). Eine naturschonende Nutzung der Grünlandflächen wurde wieder im Sinne der Erhaltung von blütenreichen, nährstoffarmen Mähwiesen ausgeweitet oder neu eingeführt (extensive Beweidung mit robusten Rindern, Schafen und Kleinpferden). Nach wenigen Jahren zeigten sich Erfolge. Die Brutbestände von Wiesen- und Küstenvögeln vergrößerten sich und die Zahlen der nahrungssuchenden Gänse stiegen. Strandastern und andere salztolerante Pflanzen zeigten sich wieder in den offenen Senken der Schutzgebiete, die auch heute noch einen Einfluss vom Salzwasser im Boden aufweisen. Ebenso erholten sich die großen Ochideenbestände, die ohne eine naturschonende Nutzung rasch von Gräsern und Schilf verdrängt worden wären.

Mit dem Ausbleiben der täglichen Meeresfluten entstand vor allem für das eingedeichte Feuchtgrünland in niederschlagsarmen Jahren ein Problem. Zwar konnten die Niederschläge im Winter in vielen Gewässern des Grünlandes aufgefangen werden, in niederschlagsarmen Frühjahren trocknete die Landschaft mit Einsetzen des Pflanzenwachstums aber rasch aus. Die auf Feuchtlebensräume angewiesenen Brutvögel verschwanden so oft bereits zu Beginn der Brutzeit wieder oder ihre Brutversuche blieben erfolglos. Mit der Anlage von vielen Staugewässern unterschiedlicher Größe wurde in den letzten Jahren dieser Mangel an Oberflächenwasser ausgeglichen. Dabei wurde deutlich, dass dies nur ein geringer Ausgleich für die nach der Abdämmung ausbleibenden großräumigen Fluten sein kann. Auch stößt der Anstau von Wasser auf sandigen Böden schnell an Grenzen. Kleine Erdstaue wurden ständig durch Viehtritt, Rinnsale abfließenden Wassers oder durch die Wühltätigkeit der Bisame zerstört. Schließlich entwickeln sich an permanenten Gewässern Röhrichte, die von den Zielarten des Feuchtgrünlandes nicht besiedelt werden können. Nur eine sensibel abgestimmte Nutzung des Feuchtgrünlandes kann so eine offene Flussmündung erhalten. Dabei kommt der Auswahl der Weidetiere, deren Besatzstärken und Weidezeiten in den einzelnen Schutzgebieten, aber auch den Mähterminen oder der Abstimmung von Pflegeschnitten einen große Bedeutung zu. Die landschaftsprägenden Lebensräume, die vor dem Bau des Eidersperrwerks durch die täglichen Fluten am Fluss erhalten wurden haben heute nur über ein fein abgestimmtes Nutzungskonzept Bestand.

Der Erfolg des Schutzkonzeptes ist sichtbar: Rund um das Jahr ziehen heute die hohen Wasserstände in den Vorländern viele Gänse, Enten und Watvögel an. Auch der hohe Schlupferfolg bei den Wiesenvögeln dürfte in der engen Verzahnung von Grünland, Flachwasserzonen bzw. angestauten Grüppen begründet sein. Flachgewässer und Grüppen bieten den Küken der Watvögel oftmals windgeschützte, nahrungsreiche Lebensräume.

Die großflächigen Mähwiesen auf den Eiderdammflächen und im Nullgebiet werden nur einmal jährlich im Spätsommer gemäht. So werden an den eher mageren Standorten Nährstoffe entzogen, was u.a. einen positiven Einfluss auf gefährdete Pflanzen wie das Gefleckte, das Fleischfarbene und das Übersehene Knabenkraut oder die Sumpfwurz haben. Diese Orchideenarten breiteten sich in den letzten Jahren auf den Naturschutzflächen deutlich aus. Die Orchideenstandorte werden nur selten beweidet. Lediglich nach der Mahd könnten Rinder oder Pferde im Spätsommer auf einige Mähwiesen zur Nachbeweidung. Während der Sommermonate würden die Weidetiere die seltenen Pflanzen auffressen.

Neben der regulären Mahd zur Heugewinnung wird noch in vielen Feuchtgrünländern eine Pflegemahd eingesetzt. Hierbei werden höheres Altgras, Landschilf, Disteln, Flatterbinsen und Brennnesseln abgemäht oder gemulcht. Einige Landwirte nutzen diesen Aufwuchs, um ihn als Einstreu in den Ställen zu nutzen. In der Regel bleibt das Schnittgut aber auf den Flächen. Diese Pflegemahd im Herbst dient zur Vorbereitung der Lebensräume für die Brutsaison des nächsten Jahres. Dabei werden höhere vertikale Vegetationsstrukturen gekürzt, um das Feuchtgrünland zu erhalten. Es sind Lebensräume für Kiebitz, Feldlerche und Wiesenpieper. Auch nutzen die großen Gänseschwärme das Grünland im Winterhalbjahr zur Nahrungssuche. Mit zeitweise 20.000-30.000 Nonnengänse und mehreren Tausend Grau- und Blässgänsen bieten die Schutzgebiete in der Eidermündung den nordischen Vögeln viel Nahrung. Vor allem im Frühjahr sind die Vögel von den Wegen aus gut zu beobachten.

Die Eider, ihre Ufer und Vorländer haben eine zentrale Bedeutung für den Vogelzug, der Schleswig-Holstein an dieser Stelle quert. Derzeit liegen nur Einzelbeobachtungen vor, die allerdings zeigen, dass viele der Wat- und Wasservögel, die Leitlinie der Eider beim Zug zwischen Nord- und Ostsee nutzen. Die Wattflächen und Vorländer dienen dann der Zwischenrast und Nahrungssuche auf diesen Wanderungen. Dabei sind die Vogelschwärme über das ganze Jahr in Bewegung. Der Vogelzug macht keine Pause. Noch Ende Mai wandern späte Heimkehrer aus Afrika gen Norden, während erste Brutvögel aus Sibirien, wie der Dunkle Wasserläufer, Anfang Juni bereits wieder im Wattenmeer eintreffen. Wanderungen zu den Mausergebieten im Sommer oder Wetterflucht im Winter – wandernde Vögel rasten ständig in der Eidermündung.

Brütende Wiesen- und Küstenvögel, nahrungssuchende Gänse, rastende Wanderer, Feuchtgrünland und Orchideen – die Schutzgebiete im Eiderästuar bieten eine große Vielfalt des Lebens. Wer sich näher über das Naturschutzkonzept erkundigen möchte, der kann im NABU Naturzentrum Katinger Watt nachfragen. Empfohlen sei auch der „Naturführer Eidermündung“.