Ehemalige Umweltminister des Landes gegen Kommunalisierung der Umweltverwaltung
NABU dokumentiert gemeinsamen Brief
Der Brief an den Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) und die stellv. Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave (SPD)
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Ministerin,
wenn ein großes Projekt schon in eine Phase großer Beschleunigung eingetreten ist, wird es oft schwierig, noch einmal innezuhalten und die Richtung zu prüfen. Das Vorhaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung, die Aufgaben zwischen Land und Kommunen neu zu ordnen, ist auf jeden Fall ein großes, stark in die Zukunft wirkendes Vorhaben. Deshalb möchten wir Sie zu Beginn dieses Prozesses bitten, einen guten Kurs festzulegen und daraufhin Änderungen vorzunehmen, um vermeidbare Fehler nicht in die Zukunft hineinzutragen.
Der Presse haben wir entnommen, dass sich - neben vielen anderen Vorhaben - eine Kommunalisierung des Nationalparkamtes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und des Immissionsschutzes der Staatlichen Umweltämter in der Diskussion befinden.
Aus der Erfahrung von siebzehn Jahren, die wir zusammen in der Umweltpolitik Verantwortung getragen haben, möchten wir Sie sehr dringlich bitten, sich für die Fortsetzung der Landesverantwortung in diesen beiden Bereichen zu entscheiden.
1. Unser Nationalpark Wattenmeer ist ein herausragendes, besonders großflächiges Schutzgebiet mit weit überregionaler Bedeutung und Ausstrahlung, das, insbesondere in seinem internationalen und trilateralen Zusammenhang, hohe Anforderungen an Kommunikation und Zusammenarbeit stellt. Seine Einrichtung und seine spätere Vergrößerung haben zu heftigen Diskussionen vor Ort geführt; beide Male mussten örtliche und überregionale Interessen gegeneinander abgewogen werden. Oft bedurfte es dabei unsererseits einer deutlichen Distanz zur vorgetragenen Problematik, um den wahren Wert eines Nationalparks für die Menschen und die Natur zugleich zu erkennen und zu begründen und durch geeignete Verwaltungsstrukturen umzusetzen und auch verteidigen zu können.
Um die international abgestimmte Aufgabenstellung eines "National"-Parks und dessen Schutzes - und nicht nur seine regionale Bedeutung (siehe Name) - mit der notwendigen politischen Unabhängigkeit und Fachkompetenz auch in Zukunft umsetzen zu können, halten wir die Beibehaltung eines Nationalparkamtes in Landesverantwortung für unverzichtbar. Die Erfahrung aus den Ländern Bayern und Niedersachsen, die vor einigen Jahren die Kommunalisierung zu Gunsten eines Landesamtes beendet haben, sowie die Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern, die nach ausführlicher Prüfung und Diskussion den Weg der Kommunalisierung der Nationalpark- und Biosphären-Ämter (insgesamt in Mecklenburg-Vorpommern vier Ämter) verworfen haben, bestärkt uns in dieser Bewertung. Wir sehen überdies auch mit Sorge, dass sich Schleswig-Holstein mit einer Entscheidung gegen eine eigenständige Landesbehörde für den "Nationalpark" auch bundesweit isolieren würde. Auch für die Tourismuswirtschaft und die Bewahrung unseres übergreifenden weltweit verpflichtenden Naturerbes wäre dies für den einzigen Nationalpark in Schleswig-Holstein, der bisher in Landesverantwortung stand, ein "schädliches Zukunfts-Signal", vorsichtig gesagt.
2. Zahlreiche Unternehmen und Unternehmensverbände haben immer wieder auf die große ökonomische Bedeutung eines leistungsstarken und landeseinheitlichen Umweltvollzuges hingewiesen (so u.a. Unternehmen aus der Industrieregion Unterelbe in ihrem Schreiben vom 15.11.2005). Die hohe Fachkompetenz für komplexe Anlagen, Prozesse und die daraus resultierenden genehmigungsrechtlichen Pflichten erfordern insbesondere im Immissionsschutz einen untereinander abgestimmten Landesvollzug. Auch der Präsident der IHK zu Kiel, Herr Professor Dr. Driftmann, hat in der vergangenen Woche und heute auf dem IHK Empfang zu Recht davor gewarnt, gerade im Immissionsschutz das "Kind mit dem Bade auszuschütten" und seine Befürchtung wiederholt, dass mit einer Kommunalisierung in diesem Bereich die hohe physikalisch, chemisch und biologisch notwendige fachliche Beratungskompetenz der sehr gut eingearbeiteten Landesbehörde verloren geht. Diese Kompetenz kann nur sehr schwierig und wenn, dann nur langwierig und sehr kostspielig anderswo wieder aufgebaut, aber dort auch nicht aus Kostengründen, wiederholt werden.
Sowohl der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen wie der effiziente Genehmigungsvollzug für die Unternehmen haben hier ein identisches Interesse. Wir teilen hier die berechtigten Befürchtungen der Wirtschaft, dass nach einer Kommunalisierung und möglichen Aufteilung der Ämter längere Genehmigungszeiten, höhere Kosten für die Unternehmen und weniger Umweltschutz gerade in diesem Bereich der Umweltproblematik die Folge wäre, abgesehen davon, dass in diesem Sektor auch ein erheblicher Fachkräftemangel existiert.
Bitte erliegen Sie nicht der Versuchung, unsere Bedenken und Kritik kurzerhand mit dem Vorwurf abzulehnen, die Minister von früher wollten nur den aus verständlichen psychologischen Gründen früher vorhandenen "Status Quo" bewahren. Gerade die schleswig-holsteinische Umweltverwaltung hat aber in allen ihren Jahren unter unserer Anleitung mit der Methode der Bündelung zahlreicher Ämter, beispielsweise im Landesamt für Natur und Umwelt, und mit der Methode der Konzentration und Gründung des Landesbetriebs Landeslabore, aber auch mit der kontinuierlichen Reform der Landesforstverwaltung der damit verbundenen Straffung der Personalstrukturen viele Modernisierungsvorhaben - auch für die Landesfinanzen günstig - erfolgreich durchgeführt. Auch weiterhin wird es möglich und notwendig sein, dass sich die Umweltverwaltung an der Haushaltskonsolidierung beteiligt.
In bestimmten Bereichen muss uns bewusst sein, dass die Konzentration von fachlichen Fähigkeiten gerade im komplizierten naturwissenschaftlich bestimmten Verwaltungshandeln einen besonderen Vorzug erhalten sollte und zwar gerade dort, wo in komplexen Problemfeldern die Umweltverwaltung mit fachlich hoher Differenzierung arbeiten muss. Einerseits liegt eine großflächige, über die Kreise hinausgreifende, Gleichheit für die Verwaltung im Hinblick auf die Problemstellung vor (wie auch bei Nationalparken) oder es erfordern chemische Besonderheiten im Einzelfall eine besondere Spezialisierung (wie z. B. im Immissionsschutz). Natürlich darf keinesfalls derselbe Anlagentyp in verschiedenen Stadt- und Landkreisen unterschiedlichen Bewertungen unterliegen. Damit wollen wir nicht sagen, dass es nicht auch weiterhin notwendig sein wird, dass sich auch das Landwirtschafts- und Umweltministerium in seinem neuen Zuschnitt an der Haushaltskonsolidierung beteiligen muss. Aber eindeutig ist auch, dass Synergie-Effekte mithilfe einer Umriss-Sortierung zusammen mit der Konzentration (und nicht der Dezentralisierung) finanzielle Potentiale in wichtigen Fällen freisetzt.
Eine Kommunalisierung hat auch immer die Gefahr, in vielen Bereichen gerade der Umweltverwaltung, die notwendige Distanz zu Partialinteressen abzubauen und ihr infolge der dann kleinen Verwaltungseinheiten die nötige personalpolitische Flexibilität zu nehmen. Nach unseren Ministererfahrungen kann eine mehr als heute kommunalisierte Umweltverwaltung ihren verfassungsrechtlichen Auftrag, die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren (insbesondere bezüglich des Nationalparks und des Immissionsschutzes) nicht oder nur schlecht erfüllen, dann im Vergleich zu heute auf jeden Fall weniger gut, als dies jetzt der Fall ist.
Aufgrund des Konnexitätsprinzips führen Kommunalisierungen zudem nicht automatisch zu einer Realisierung von Einsparungen, wie öfter angenommen wird. Besonders deutlich wird dies ebenfalls am Immissionsschutz, wo eine zentral, landesseitig wahrgenommene Wahrnehmung der Aufgaben insgesamt viel effizienter ist als eine Kommunalisierung. Wer sich die Methodik der naturwissenschaftlichen Aufgabenbewältigung in diesem Bereich - auf dem Stand der Technik und der Wissenschaft von heute - in solchen staatlichen Umweltämtern ansieht, weiß, was eine Angewandte Chemie, Angewandte Physik und Angewandte Biologie angesichts der ständigen Weiterentwicklung der zu prüfenden Anlagen heute bedeutet.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Ministerin,
aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es in der Politik oft schwer ist, Kurs zu halten. Manchmal ist es noch schwerer, den Kurs aufgrund eingetretener einschneidender Fehler dann noch dringlicher vorgetragene Argumente und der auch dann möglicherweise auftretenden Schäden zu korrigieren. Wir bitten Sie also an dieser Stelle deswegen um Differenzierung des wichtigen Reformvorhabens. Bitte versuchen Sie die Entscheidungskraft der von Ihnen und der zuständigen Partner zu erreichen, um eine Differenzierung der Reformvorhaben an dieser Stelle entsprechend unserem Votum durchzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Professor Dr. Dr. h.c. Berndt Heydemann, Minister a.D.
Dr. Edda Müller, Ministerin a.D.
Rainder Steenblock, Minister a.D.
Klaus Müller, Minister a.D.